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KARLSRUHE/ Badisches Staatstheater: HOFFMANNS ERZÄHLUNGEN . Premiere

09.06.2019 | Oper
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Karlsruhe: Hoffmanns Erzählungen 8.6. 2019 Premiere
 
Mit Floris Visser, Regie, und Constantin Trinks als Dirigenten hat sich Karlsruhe ein großartiges Gespann für die Neuinszenierung von J.Offenachs phantastischer Oper geholt. Der niederländische Regisseur, der schon sein eigenes Produktionskollektiv ‚Opera trionfo‘ leitete, und der bei den Händel-Festspielen ‚Semele‘ und an der Niederländischen Nationaloper Vivaldis ‚Juditha triumphans‘ mit großem Erfolg herausbrachte, ging diese Zusammenarbeit mit dem seit 2012 freischaffenden und jetzt in aller Welt v.a. Wagner dirigierenden Trinks ein. Dieser formt die oft heterogen anmutendende (viele Couples) Musik Offenbachs geradezu klassisch aus, alles erscheint wie aus einem Guß zusammengefügt, die schönem Melodien immer prächtig intoniert, seien sie nun die Solisten oder den Chor begleitend vorgetragen. Auch eine immense Detailarbeit läßt sich bei Trinks dahinter vermuten. Die Staatskapelle spielt dabei immer schwungvoll und teils mit großem Schmiß, die spannnend dramatischen Entwicklungen werden bestens agogisiert und dynamisch gestaltet. Hervorgehoben seien die dicht gewebten Harfen, die immer wieder ein hochromantisches Rauschen erzeugen.
 

Gideon Davey hat für die Bedürfnisse Floris Vissers ein kongeniales Bühnenbild gebaut. Auf der Drehbühne stehen drei in den Ausmaßen gleiche Räume aneinander gefügt.Für die drei Erzählungen dreht sich also die Bühne dahin, wo die jeweilige Begebenheit sich abspielt, wozu die Darsteller durch eine Schwenktür den Raum wechseln. Das Grundschema des Raums ist das Bistro, wo sich Hoffmann und die Studenten treffen und auch die Zuschauer von ‚Don Giovanni‘ sich in der Pause einfinden. Der stimmstarke Chor ist also zweigeteilt in Opernbesucher und (männliche) Studenten. Auf der rechten Seite befindet sich die Bar mit Luther meist hinterm Tresen, oft aber gestürmt von den auch revolutionäre Parolen skandierenden und enthüllenden Studenten. Hoffmann springt oft auf den Tresen und bedient sich an den im Regal stehen Flaschen zur Gaudi seiner Anhänger und zum Ärger der Opernbesucher. An der linken Rückwand befindet sich eine Art Theateröffnung, wo die drei Frauen der Erzählungen in Weiß erscheinen, und die jeweilige zu ihrer Erzählung heraustritt und in den anschließenden Saal schreitet. Danach schließt sich der Deckel der Theateröffnung. ‚Olympia‘ erscheint blendend und witzig mit dem Chor inszeniert. In ‚Antonia‘, die in demselben, aber leeren Raum stattfindet, wo nur Umzugskartons herumstehen, zeigt Visser, wie der abnorme Crespel alle möglichen Geigen zusammenträgt und sie zerstört, um an ihre weibliche Seele, nämlich den Stimmstock, heranzukommen. Dr. Mirakel, dem früher eine Liebe mit Antonias Mutter verband, will ihre Tochter mit magnetischer Hypnose zum Singen verführen, bis sie zusammenbricht. Die Mutter erscheint in der oben gelegenen Theateröffnung, wo sie sich mit den sie begleitenden Musikern kabbelt. Im Giulietta-Akt wird die Verlogenheit der Kurtisane, die in Pitichinaccio verliebt und dem Impresario Dapertutto hörig ist, geschildert. das Spiegelbild wird Hoffmann hier entwendet, indem ihm in einer Operation, bei der Olympia, Antonia und Giulietta assistieren, das Herz herausgeschnitten wird.

In den Außenakten will Visser zeigen, dass Hoffmann seine gescheiterte Jugendliebe zur Opernsängerin Stella aufarbeiten will, indem er deren Schwächen in die drei Frauen aufspaltet und die jeweilige Schwäche dabei maßlos übertreibt. Das scheitert aber zuletzt bei Giulietta grandios, mit deren Schwäche schon Offenbach selbst überhaupt nicht zu Rande kam und dadurch den Akt auch nicht in eine authentisch gültige Form brachte. Seine Muse, die ihn als Niklaus begleitet, versucht ihn als Rivalin Stellas wieder auf seine dichterische Inspiration hinzulenken, die sich in mehreren begonnenen Erzählprojekten manifestiert und in Form von beschriebenen Blättern auf dem Boden von Luthers Bistro verstreut liegen.

Die tollen bunten 1870er Jahre Kostüme steuert Dieuweke van Reij bei.
 

Sophia Theodorides (Olympia) vor Ensemble, (c) Falk von Traubenberg

 
Die Stimme der Mutter übernimmt Christina Niessen mit hochdramatisch stimmlichem Applomb. Den Luther stellt ganz jovial Edward Gauntt mit voluminösem sehr prononciertem Bariton dar. Weitere Baritone stehen mit Merlin Wagner (Schlemihl, Hermann) und Baris Yavuz/Nathanael in spielfreudiger Attitüde zu Verfügung.Den Vater Antonias, Crespel, stellt Vazgen Gazaryan mit angenehm blankem Schwarzbaß. Als Physiker Spalanzani tritt Klaus Schneider mit autoritativ jovialem Habitus tenoral auf. In den Rollen Andres, Cochenille, Franz und Pitichinaccio ist der Tenor Matthias Wohlbrecht in blendenden Charakterstudien zu erleben. Die Kurzrolle der Stella, die an Kürze etwa der Kate Pinkertons (Butterfly) entspricht, übernimmt Jennifer Feinstein.

Die jeweiligen Bösewichter bringt Nicholas Brownley einzigartig über die Rampe. So durchsichtig und verklart, aber wenn nötig, durchschlagend, hat man diese Dämonen selten gehört, und diesmal tatsächlich von einem Bariton interpretiert. Olympia wird von Sophia Theodorides, einer Koloratursängerin höchsten Grades gestaltet. Es zeigt sich, dass frau immer noch mehr aus diesen zwei Arien herauskitzeln kann. Theodirides hat auch den nötigen Stmmumfang (sicher bis zum f“‘) dazu, und besitzt unbändige Flexibilität in ihrem Stimmorgan. Dabei muß sie ganz schön mitspielen, viel „automatisch“ gestelzt laufen und einen Geschlechtsakt mit Hoffmann simulieren. Die Antonia der Agnieszka Tomaszewska ist ein angenehm timbrierter lyrischer Sopran, der sich in weißem Krankenhemd in ihrem Gesang verbrennt. Die Giulietta der Barbara Dobrzanska ist jetzt ein schwerer hochdramatischer Sopran, der in seinen leidenschaftlich hintergründigen Gesängen und im Duett mit Hoffmann in der Apotheose erlischt. Die Muse /Niklaus wird in fescher Montur von Dilara Bastar ganz prominent gegeben. Mit schön ausschwingender Gesangslinie ihres wohllautenden Mezzosoprans versteht sie immer wieder die Aufmerksamkeit des Geliebten auf sich zu lenken. Dieser ist mit weich und samten grundiertem Timbre der Tenor Rodrigo Porras Garulo, der trotz seiner Trinkeskapaden immer belcantesc herüberkommt und dafür zurecht von den Damen, besonders der Muse angehimmelt wird. Vielleicht liebt er aber doch mehr die Idee der Liebe ’seiner‘ Frau, – eben hier ein echter Latin Lover.

 
Friedeon Rosén
 
 

 

   

 

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