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Karl Löbl: DER BALKONLÖWE / NACH DEN PREMIEREN

29.12.2013 | buch

BuchCover Loebl, Balkonloewe BuchCover Loebl, Nach der Premiere

Karl Löbl:
DER BALKONLÖWE
60 Jahre mit den Prominenten aus Oper, Theater und Fernsehen
216 Seiten, Seifert Verlag, 2013

Karl Löbl:
NACH DEN PREMIEREN
Mein Leben in und mit der Oper
280 Seiten, Seifert Verlag, 2013

Wenn heutige Kulturjournalisten sich für wichtig oder sogar für Stars halten, wissen sie nicht, wovon sie reden. Karl Löbl war ein Star, der vom Kritiker zum „Wunder Karajan“-Schreiber umgedreht werden musste, sonst wäre seine Macht unerträglich gewesen. Duglore Pizzini war ein Star, die Ernst Hauesserman von der „Wochenpresse“ in die Dramaturgie der Josefstadt abengagierte, um ihre allzu kritischen Analysen los zu werden. Ein paar greise Hofräte wie Ernst Lothar konnten die Herrschaften des Burgtheaters zittern machen. Das waren noch Zeiten…

Im vorigen Sommer starb Karl Löbls Lebensmensch, seine Gattin Hermi. Danach hat Verlegerin Maria Seifert den einstigen Star der Kulturmedien-Branche für die Idee gewinnen können, auf sein Leben zurückzuschauen: „Ich habe ein Leben lang nicht so viel über mich nachgedacht wie nach dem Tod meiner Frau und während jenes herbstlichen Dialogs, der Basis dieses Buchs ist.“ Er hält die Rückschau unter dem Titel „Der Balkonlöwe“ – diese Bezeichnung erhielt er einmal im „Profil“, als man dort eine Story über ihn brachte: Nicht viele Journalisten sind selbst Gegenstand von Berichten, aber Löbl war zu „seiner Zeit“ eine nicht verhandelbare Größe.

Dabei waren für den halbjüdischen Jungen, Jahrgang 1930, der so so la la durch den Krieg kam, die ersten 15 Jahre seines Lebens nicht berauschend. Die Liebe zur Oper kam vor 70 Jahren, am Stehplatz im November 1943, bei einem „Troubadour“ in der Wiener Staatsoper. Man kann sagen, dass Löbl für den Lauf seines Lebens sein Hobby zum Beruf machen und von seiner Leidenschaft sehr gut leben konnte, es bis zum Kulturchef und sogar Chefredakteur brachte. Am Höhepunkt seiner Karriere war er in allen Medien als kultureller Hansdampf in allen Gassen unterwegs… Zeitung, Rundfunk („Lieben Sie Klassik?“), Fernsehen („Nach der Premiere“).

Löbl war allerdings zur richtigen Zeit jung, als man noch Möglichkeiten bekam, wenn man frech und flott und auch gut war: Als Anfänger in der „Weltpresse“, dann beim „Bild-Telegraf“ und „Express“, die beiden letzteren einst Tageszeitungen von hoher Bedeutung trotz ihres boulevardesken Zuschnitts. Es gibt sie heute längst nicht mehr, damals war Löbl ein Teil von deren „Berühmtheit“ auf kultureller Ebene. Natürlich auch skandalumwittert – nicht nur Hans Weigel erhielt damals noch echte „Watschen“ von Berühmtheiten wegen seiner Formulierungen, auch Löbl musste vor Gericht, u.a., weil er die ehrenwerte Gertrude Grob-Prandl als Isolde als „Kredenz auf Radln“ bezeichnete… Wer heute so etwas wagen würde! Später war Löbl beim „Kurier“, aber ein Mann für alle Medien (der trotz seines extremen Silberblicks keine Scheu hatte, sein Gesicht frontal vor die Fernsehkameras zu halten).

Nebenbei erzählt er, man hätte es kaum gedacht, Privates: Wie er, der 24jährige, sich in eine um sieben Jahre ältere, verheiratete Kollegin verliebte, aus der dann die legendäre „Hermi Löbl“ wurde, Gattin, Mutter zweier Kinder und so begabte Interviewerin, dass Löbl selbst mit dem Interviewen aufhörte, weil die Gattin (sie ist im Vorjahr nach 58 gemeinsamen Jahren gestorben) es besser konnte. Die Zeiten waren damals so prüde, dass ihr Verhältnis mit einem jungen Mann sie als damals noch Verheiratete ihren Job kostete…

Löbl huldigt auch seinen Mitarbeitern, von den Legenden von einst (Hedi Schulz, Hans Weigel) bis zu den jungen Damen beim Fernsehen, die ihm durchaus das Leben schwer machten. Helga Stadler, die heute so präsidentinnenhaft einherschreitet, hat er noch als ehrgeizige, schreibbegabte Jung-Journalistin gekannt. Gerd Bacher war ein Mann, der ihm große Möglichkeiten im Fernsehen einräumte. Löbl konnte aber auch eine Erkenntnis am eigenen Leib erfahren: Obzwar er von Superjob zu Superjob eilte, gab es einmal eine zweimonatige Pause, in der er keinen Job hatte – und auf einmal war er ein Niemand. „In diesen zwei Monaten habe ich verstanden: Ich selbst bin nicht sehr viel, die Position ist alles.“ Eine Erfahrung, die letztendlich niemandem erspart bleibt…

Natürlich handelt auch das erste Löbl-Buch schon von der Oper, reichlich mit Anekdoten bestückt. (Warum Karajan beim Dirigieren die Augen zumachte? Weil er es nicht aushielt, die gelangweilten Gesichter mancher Musiker zu sehen…) Als die „autobiographische Zurückhaltung“ gebrochen war, ging es nahtlos mit Buch 2 weiter: „Nach den Premieren“ behandelt nun „Mein Leben mit und in der Oper“, hat notgedrungen ein paar Wiederholungen zu Band 1 zu bieten, aber auch viele alte Operngeschichten, die Opernfreunde reiferen Alters nur so in sich hineinschlürfen werden.

So war Löbl, frecher Knabe noch, Augenzeuge, als ein anderer frecher Knabe namens Eberhard Wächter beim Bühnentürl „pfiff“, als der verehrte Josef Krips herauskam – und Anni Konetzni ihm dafür eine heftige Ohrfeige verabreichte. Das Kapitel heißt „Der Lausbub wird Direktor“, und die (durch einen so frühen Tod tragisch unterbrochene) große Karriere des Eberhard Waechter ist ja bekannt… Dass er Krips ausgepfiffen hat, war ihm später übrigens ausgesprochen peinlich.

Löbl war, anfangs noch am Stehplatz, dann in immer wichtigeren Positionen, 70 Jahre lang ein Begleiter dieser Wiener Staatsoper, wenngleich er seine Karriere-Rückkehr als Kritiker bei „Österreich“ nicht lange durchgehalten hat: Das war wohl nicht ganz sein Niveau. Von den 280 Seiten seines zweiten Buchs kann er gut die Hälfte mit den „alten Geschichten“ aus erster Hand bestücken, wobei er interessanterweise viel auf die Interviews seiner verstorbenen Frau zurückgegriffen hat: Er war offenbar nicht so eitel, seine eigenen Kritiken und Artikel aufzuheben, Hermi Löbl scheint da gewissenhafter gewesen zu sein. Und wenn sie manche Sänger über die Jahre hinweg immer wieder interviewte (etwa Christa Ludwig, die sich einmal über Walter Berrys mangelnden Ehrgeiz erregte) – da bauen sich schon großartige Entwicklungsgeschichten auf.

Da sind sie dann alle noch aus erster Hand, schließlich gab es rund um Böhm, Karajan und auch einige Nachfolger noch saftige Skandale in der Oper, die damals auf den Kulturseiten landete (während eine Netrebko heute weit mehr auf den Klatschseiten zu finden ist – so haben sich die Parameter verschoben). Und da sind noch die großen Sänger der Vergangenheit, von Nilsson bis Rysanek, Domingo bis Pavarotti aber auch Bonisolli (da lässt sich ja viel Süffiges erzählen).

Später war Löbl dann nicht mehr so „dabei“, wollte aber das Buch füllen und keinen Namen auslassen. Da wird es dann, in passende Kapitel zusammengefasst, eher zu einer Sängeraufzählung, und so manches Mal merkt man genau, dass er einfach bei Wikipedia nachgeschlagen hat, um Informationen zusammen zu tragen.

Natürlich liegt die Gewichtung von Sängern bei dem Autor, allerdings erstaunt es dann, dass etwa eine Frau von der Bedeutung einer Hilde Güden bloß zweimal im Laufe von Aufzählungen erscheint, während unwichtige Sänger ganze eigene Absätze bekommen. Aber egal, mit welchen Systemen – ob Zettelkasten, ob Excel – man arbeitet, irgendetwas vergisst man immer, auch ein Karl Löbl.

Am Ende des zweiten Buches „outet“ er sich als schwer krebskrank und blickt seinem Ende entgegen. Aber er weiß, dass es ein gutes Leben war – „wie schön es war, ein Leben nicht nur mit geliebten Menschen, sondern auch mit viel Oper – mehr noch: mit viel Musik verbringen zu dürfen.“

Renate Wagner

 

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