Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

Julia BURBACH (Regisseurin der „Walküre“ in Bordeaux 2019)


Julia Burbach. Copyright: Trevor Goldstein

Interview mit Julia Burbach, Regisseurin der „Walküre“ in Bordeaux – 17. August 2019

Am 21. Mai dieses Jahres konnte ich in Bordeaux die Neuinszenierung der „Walküre“ von Richard Wagner erleben und war von der ungewöhnlich phantasievollen sowie von der Beleuchtung und Personenregie her besonders gelungenen Produktion der jungen deutschen Regisseurin Julia Burbach sehr beeindruckt. Ich sah mich deshalb veranlasst, in meiner Kritik (Merker 06/2019) Folgendes zu schreiben: „Es war ein Abend der emotionalen Superlative – Die junge deutsche Regisseurin Julia Burbach… hat mit ihrer ersten selbstständigen Wagner-Inszenierung einen regelrechten Weitwurf geliefert… So eine intensive und mit ganz neuen emotionalen Facetten arbeitende Personenregie habe ich – wenn überhaupt – bei meinen 111 „Ring“-Inszenierungen in den letzten 53 Jahren nur ganz selten erlebt… Wenn das die „weibliche Sicht“ auf den „Ring“ ist, dann kann man das nur begrüßen…“. Der letzte Kommentar bezog sich auf den m.E. nicht gelungenen Versuch der Chemnitzer Oper, mit ihrer generell beeindruckenden Neuinszenierung durch vier verschiedene Regisseurinnen eine – vermeintlich – weibliche Sicht auf den „Ring“ zu entdecken.

  1. Ihr Werdegang, und wie sie zur Oper kam

 

Julia ist die Tochter deutscher Eltern und wuchs in Tokyo, Mailand, Prag, München, Bonn, London und Hong Kong auf. Sie entwickelte schon früh ihr Interesse an der darstellenden Kunst, Film, Tanz und Regie, inspiriert durch ihre Mutter, eine Chansonsängerin, und ihren Großvater, einen Bariton Opernsänger. Während ihrer Ausbildung am University College London, wo sie ihren BA in Geschichte und Kunstgeschichte und ihren M.Sc. in International Public Policy abschloss, besuchte sie nebenher eine Schauspielschule mit dem Schwerpunkt Tanz. Während ihrer Studienzeit beim UCL entstanden ihre ersten Choreographie- und Regiearbeiten. Nach Abschluss des Studiums und einem Einsatz bei der UNESCO in Paris entschloss sie sich, ganz auf eine Karriere als Regisseurin zu konzentrieren. 

Bevor sie sich auf die Oper konzentrierte war Julia zunächst auf Theater, Tanz und Film fokussiert und besuchte die Londoner Filmhochschule NFTS. Ihre Arbeiten brachten sie an viele Londoner Fringe- und Westend Theater sowie ans Edinburgh Fringe Festival. Im Film arbeitete sie für Norma Heyman, führte Regie bei Kurz- und Dokumentarfilmen und arbeitete als Produktionsassistentin. Ihren ersten Kontakt mit Regie hatte sie in der Drama Society des University College London.

Irgendwann war Julia mit den Entwicklungsmöglichkeiten im Film nicht mehr zufrieden und dachte an einen Wechsel. Ihre Mutter sagte zu ihr: „Die in der Oper machen doch auch Regie!“ Zudem erinnerte sie sich, dass ihr Großvater Bariton war und im italienischen Fach sang, dann aber Zahnarzt werden musste, obwohl er künstlerisch sehr begabt war. Und ihre Mutter war ja Sängerin im Chanson-Fach und auch auf der Schauspielschule in München, kannte sich also aus. Später machte sie eine One Woman Show.

 

  1. Zur Bedeutung von Christof Loy in ihrem Opernleben und erste Arbeiten

Ihre erste Begegnung mit der Oper war als Hospitantin bei Christof Loys „Bassariden“ an der Bayerischen Staatsoper München. An diesem Abend wurde ihr klar, dass die Oper „ein tolles Medium ist, intelligent und spannend.“ Das war ihre erste Opern-Hospitanz. Julia wurde anschließend Assistentin bei Loy und später Wiederaufnahme-Regisseurin. Während Loy weiterhin der wichtigste Einfluss blieb, arbeitete Julia zwischenzeitlich mit vielen anderen Regisseuren an zahlreichen weiteren Häusern (Liceu Barcelona, Teatro Real Madrid, Deutsche Oper Berlin, Staatsoper Berlin, Deutsche Oper am Rhein, Oper Leipzig, Theater an der Wien, Houston Grand Opera und Bregenzer Festspiele). Bei den International Opera Awards 2019 wurde sie in der Kategorie des ‚Best Newcomer‘ nominiert. „Loy war essentiell für alles weitere, was sich dann in Sachen Oper ergab. Er hat mich mitgenommen. So habe ich bei ‚Lulu‘ 2009 in Covent Garden und später bei ‚Tristan und Isolde‘ bei ihm assistiert.“ Mit Loy war Julia in Wien, in den USA, in Düsseldorf. Auch bei Richard Jones hat sie in einer für sie wichtigen Regiearbeit mitgewirkt.

In letzter Zeit entstandene Arbeiten sind „Tosca“ (Arcola Theatre, Grimeborn Festival und Celebrate Voice Festival, Salisbury), „Madama Butterfly” (Arcola Theatre, Grimeborn Festival und Bury Court Opera) und „Fairy Queen” (Bury Court Opera und Kiez Oper in der Wilden Renate, Berlin), „Il trionfo del tempo” (Alte Münze, Berlin) und „The Rape of Lucretia“ (Gewinner des 2019 OFFIE). Arbeiten als Wiederaufnahmeregisseur umfassen „La Sonnambula” (Gran Teatre del Liceu, Barcelona), „Tristan und Isolde”, „Ariadne auf Naxos” und „Il trovatore”, „La bohème”, „Così fan tutte” (ROH), „Die Frau ohne Schatten” (Staatsoper Berlin) und „La bohème” (Teatro Real, Madrid). (Homepage)

Ihre erste wirklich große und vor allem eigene Regiearbeit war aber die o.g. „Walküre“ in Bordeaux. Sie unterhält weiterhin ständigen Kontakt zu Christof Loy.

Julia Burbach arbeitet regelmäßig am Royal Opera House Covent Garden in London, wo sie Resident Staff Director ist.


Julia Burbach. Foto: Victoria Cadisch

  1. Was hält sie von Video und Film in der Oper?

Da sie in ihrer „Walküre“ in Bordeaux mit ihrem Kollegen Tal Rosner sehr intensiv beide visuellen Ausdrucksformen eingesetzt hat, schien mit diese Frage von Bedeutung, zumal der Einsatz dieser Medien weitgehend gelungen war, allenfalls etwas zu intensiv. Julia meint: „Beide sind tolle Medien, spannend sowohl für das Theater wie für die Oper. Sie sind aber auch eine intelligente Herausforderung und nicht leicht zu handhaben. Es bedarf einer sehr intensiven und langen Vorarbeit. Es geht darum, dass man die Bühnenpräsenz der Künstler gut auf die Videoarbeit abstimmt. In gewisser Weise sind Video und Film eine Erweiterung des Bühnenbildes, sozusagen ein „Zwischenwesen“ zwischen Bild und Person“. Das Bühnenbild muss die Video- und Filmarbeit auf jeden Fall unterstützen. Dabei muss man die Videorarbeit in die Personenregie integrieren. Zum Beispiel: „Wann ist ein Video mit einer Person verbunden, oder kann es von einer Person auf eine andere wechseln? Das wäre dann ein Wechsel der Erzählform. Es besteht immer die Gefahr, das es zu viel und zu bunt wird.“ Julia meint weiter, das Video sei eine „schwer bewegbare Diva“, die technische Arbeit sei riesig, und es dauere alles viel länger, als wenn man nur ein normales plastisches Bühnenbild mit klassischer Beleuchtung bauen würde. Und es ist eine ganz andere Planung im Vorfeld nötig. Damit kommt es auch zu längeren Probezeiten. „Man muss lange vorher in sich gehen, wo die Personen bei welchem Video stehen müssen. Ein cinematographisches Gedächtnis ist dabei von Nutzen, auch um Ideen zu entwickeln, wie das psychologisch am besten arrangiert werden kann in Kenntnis des Librettos und der Musik“.

Die Opernregie besteht für Julia Burbach salopp gesagt aus drei Einzelsparten, der Musik, dem Libretto und der Person. Das Miteinander all dieser Komponenten ist offensichtlich sehr wichtig, wobei die Musik das intimste Medium der drei ist. Das Libretto kann unter Umständen auch gegen die Musik stehen. Der Text sollte aber stets respektiert werden, auch wenn man ihn unterschiedlich interpretieren kann. „Das Publikum sollte jedoch nicht zum Lachen kommen, man muss es vielmehr herausfordern.“ Hitchcock sagte: „An audience that is confused is not emoting.“

  1. Weitere Pläne

Im Jahre 2020 ist „Eugen Onegin“ an der Holland Park Opera in London geplant. Im Herbst 2020 ist ein Stück beim Wexford Festival vorgesehen. Zwischendurch wird es ein paar kleinere Projekte geben, unter anderen einen „Barbier von Sevilla“. Anfang November 2019 wird Julia in Shanghai „Semele“ inszenieren. Und dann wird ihre „Walküre“ Ende Mai 2020 in Reykjavik, Island, aufgeführt werden, in leicht abgeänderter Form anlässlich eines Kongresses des Richard Wagner Verbandes Island. Ich werde dabei sein.

Wir wünschen Julia Burbach weiterhin viel Spaß bei ihrer interessanten Arbeit, die sie ganz offensichtlich mit großer Begeisterung ausübt und hoffen, dass Mark Minkowski in Bordeaux den „Ring“ weiter machen wird.                                                                       

Klaus Billand

 

 

 

 

 

Diese Seite drucken