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JOSEPH HAYDN: „AN IMAGINARY ORCHESTRAL JOURNEY“ – London Symphony Orchestra unter Sir Simon Rattle; LSO Live SACD

15.02.2018 | cd

JOSEPH HAYDN: „AN IMAGINARY ORCHESTRAL JOURNEY“ – London Symphony Orchestra unter Sir Simon Rattle; LSO Live SACD

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 Schon Marc Minkowski hat es getan. Der experimentierfreudige französische Dirigent hat seine Suite aus 20 Orchesterstücken aus elf Rameau-Opern zu einem dramatischen Zyklus mit dem Titel „Une Symphonie imaginaire“ zusammengestellt. Derselbe Komponist hat auch Teodor Currentzis mit seinem MusicAeterna Orchestra zu seiner nicht gerade besten CD „The Sound of Light“ inspiriert. Leopold Stokowski war in der Kunst der Transkription und der musikalischen Pasticcio Pflege auch kein unbeschriebenes Blatt.

Nun ist es Sir Simon Rattle, der mit dem London Symphony Orchestra (dem er seit September 2017 als Chefdirigent vorsteht) Auszüge aus Opern, Symphonien und Oratorien von Joseph Haydn in mundgerechte Happen zerpflückt und irgendwie zu einer imaginären Orchesterreise zusammengefügt hat. Im Live Mitschnitt der Konzerte aus der Londoner Barbican Hall vom Juli 2017 kann der Hörer einen extrem aleatorisch wirkenden Parforceritt durch das riesige Schaffen Haydns antreten. Etwa 50 Minuten dauert der Durchmarsch durch die eingängigsten Titel aus der „Schöpfung“, den „Jahreszeiten“, der Oper „L’isola disabitata“, den „Sieben letzten Worten unseres Erlösers am Kreuz“ sowie aus diversen Symphonien.

Die „Greatest Hits“ stammen aus einer Zeitspanne von 40 Jahren, Rattle sieht Haydn nicht zu Unrecht als einen zukunftsweisenden Erneuerer, der die Ideale der Aufklärung wie kaum ein zweiter Musiker verkörperte. Obwohl Sir Simon Rattle als Interpret ein untrügliches Gespür für Haydns Witz, Humor, Brillanz und Tiefgang hat und die hohe Qualität des Orchesters selbstverständlich außer Streit steht, so sehr scheitert er an der willkürlichen Zusammenstellung, dem teigigen eklektischen Mix, der nur anreißt, aber nichts ausschwingen lassen kann. Jeder „Best of“-Verschnitt geht automatisch, wenn auch ungewollt, mit einer Banalisierung, Verkürzung, Reduktion einher. Ich höre mir bei einer Oper ja auch nicht nur die hohen C‘s von Sopran und Tenor an. Es soll aber Freaks geben, die das tun. Auch dieses Album wird seine Freunde finden, ich zähle aus guten Gründen nicht dazu.

Tipp: Auf Youtube www.youtube.com/lso kann mehr von dem Projekt erfahren werden. Ab 2. Februar 2018 kann sich jeder, der Reader’s Digest oder musikalische Instant Kost liebt, unter www.alwaysmoving.lso.co.uk/aioj selbst auf eine eigene imaginäre Orchesterreise durch die Oeuvres anderer Komponisten begeben.

Dr. Ingobert Waltenberger

 

 

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