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John Adams Edition auf CD und Blu-ray – Berliner Philharmoniker Recordings Edition der Superlative mit John Adams, Sir Simon Rattle, Kirill Petrenko, Alan Gilbert und Gustavo Dudamel

16.11.2017 | cd

John Adams Edition auf CD und Blu-ray – Berliner Philharmoniker Recordings

Edition der Superlative mit John Adams, Sir Simon Rattle, Kirill Petrenko, Alan Gilbert und Gustavo Dudamel

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John Adams ist in Berlin schon lange kein Unbekannter mehr. Die Berliner Philharmoniker führten im Oktober 2001 erstmals eines seiner Werke auf und gaben die Komposition der Oper „A Flowering Tree“ in Auftrag, deren deutsche Erstaufführung 2006 schließlich in der Berliner Philharmonie in der Inszenierung von Adams langjährigem Mitarbeiter Peter Sellars erfolgte. Der in San Franzsico lebende Komponist ist ja besonders durch zwei andere Opern bekannt geworden, nämlich „Nixon in China“ über den Staatsbesuch Präsident Richard Nixons (klingt doch aktuell oder?) und „The Death of Klinghoffer“ nach der Entführung des Kreuzfahrtschiffs Achille Lauro.

 

John Adams war und bleibt der erste und einzige zeitgenössische Composer in Residence in der Berliner „Amtszeit“ von Sir Simon Rattle. Welche Auszeichnung! Mit so einem privilegierten temporären Heimatrecht bei den Berliner Philharmonikern in der Saison 2016/2017 ausgestattet, war John Adams nicht nur als Komponist präsent, sondern auch als Dirigent. Bei seinem Debüt am Pult des Orchesters am 15.9.2016 im Rahmen des alljährlichen Musikfestes stand mit der „Harmonielehre“ein bekannteres Oeuvre auf dem Programm. Adams leitete auch die Aufführung der „Scheherazade.2“, eines programmatischen Solokonzerts, wie es Hector Berlioz mit „Harold en Italie“ vorexerziert hat, mit Leila Josefowicz auf der Violine.

 

John Adams, am 15. Februar 2017 70 Jahre alt geworden, ist einer der politisch kritischsten und originärsten Musiker der Jetztzeit. Letzteres kann anhand der sensationellen Box gleich mehrfach nachvollzogen werden. Mich hat diese rhythmisch pointierte, harmonisch und klanglich so raffinierte Musik, die laut Adams eigener Einschätzung der Strömung des Post-Minimalismus zuzuordnen ist, sofort in ihren Bann schlagen können. In Adams Schaffen mischen sich repetitive Rhythmen und kühne, stets aber tonale Harmonien, wie man das einfacher gestrickt von Philipp Glass kennt, mit hoher Instrumentierungskunst und vielfältigen Querverweisen zu Philosophie, Literatur und Religion.

 

Sir Simon Rattle dirigiert das weitläufigste und erschütterndste Werk der Edition, das zweiteilige Passions-Oratorium „The Gospel According to the Other Mary“. Als Solisten überzeugen die Altistinnen Kelley O’Connor (Mary Magdalene) undTamara Mumford (Martha). Peter Hoare leiht seinen Tenor der Gestalt des Lazarus, die drei seraphischen Countertenöre Daniel Bubeck, Brian Cummings und Nathan Medley sowie der Rundfunkchor Berlin (Einstudierung Daniel Reuss) geben ebenso ihr Bestes. Und das ist viel in dieser Geschichte, die vornehmlich in einem amerikanischen Frauengefängnis spielt, wo Suizid, soziale Reibung und Gewalt auf der Tagesordnung stehen. Was für ein düsterer Spiegel unserer Zeit.

 

Drei weitere charismatische Dirigenten verleihen dieser Neuerscheinung endgültig den Nimbus des Außergewöhnlichen: Der Venezolaner Gustavo Dudamel bringt das atmosphärischen Nachtbild „City Noir“ zum Fluoreszieren und Alan Gilbert ist mit den furiosen Miniaturen „Short Ride in a Fast Machine“ und „Lollapalooza“ präsent. Last but not least hatte Kirill Petrenko einen seiner raren Berlin-Auftritte – im Übrigen zum ersten Mal seit seiner Wahl zum künftigen Chefdirigenten der Berliner Philharmoniker – aus dessen Anlass er u.a. den Klagegesang „The Wound-Dresser“ nach einem Gedicht von Walt Whitman über die Schrecken des amerikanischen Bürgerkriegs interpretierte, mit dem deklamatorisch sensibel agierenden Bariton Georg Nigl als beeindruckendem Solisten.

 

Optisch und haptisch erfreulich ist die Ausstattung der gediegen mit Magnetverschluss gefertigten Hardcover-Ausgabe. Sämtliche Live-Aufnahmen sind auf vier Hör-CDs und als Konzertvideos auf Blu-ray im Full-HD Format erhältlich. Ergänzt wird die Edition durch den Dokumentarfilm “Short Rides with John Adams“ über seine Zeit als Composer in Residence, sowie zwei Bonus-Videos „John Adams im Gespräch mit Sarah Willis und Peter Sellars“ sowie ein großzügig gestaltetes Booklet mit einem lesenswerten Essay von Alex Ross. Einen 24-Bit-Download-Code gibt es noch als Drüberstreuer. Allzu geschmäcklerisch und bloß hübsch ist hingegen das Artwork der Edition ausgefallen, das von Wolfgang Tillmans gestaltet wurde.

 

Dr. Ingobert Waltenberger

 

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