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JENNIFER O’LOUGHLIN- Interview mit der Bayerischen Kammersängerin beim Lech Classic-Festival

29.08.2024 | Sänger

LECH CLASSIC FESTIVAL – INTERVIEW mit der BAYERISCHEN KAMMERSÄNGERIN JENNIFER O´LOUGHLIN

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Jennifer O’Loughlin. Foto: Susanne Lukas

Nachdem die Sopranistin, in der Nähe von Pittsburgh aufgewachsen, den Abschluss an der Manhattan School of Music abgeschlossen hat und 2002 ein Jahr im Zürich Opernstudio war, wechselte sie ab 2003 an die Wiener Volksoper, wo sie 8 Jahre lang ein beliebtes Ensemblemitglied blieb und auch an der Wiener Staatsoper als Königin der Nacht und bei den Salzburger Festspielen als Susanna debütierte. Derzeit ist die sympathische Amerikanerin erste Sopranistin im Ensemble des Stadttheaters am Münchner Gärtnerplatz.

Wie sind sie zu klassischer Musik und Opern gekommen?

 Ich habe immer gerne musiziert, in der ersten Klasse schon ein Solo beim Weihnachtskonzert gesungen und ab 9 Jahre beim Childrens Festival Chorus mit Pittsburgh Symphony Orchestra und Pittsburgh Opera gelernt – es war intensiv, aber sehr schön.  Später folgte Privatunterricht beim Lehrer meines Vaters, der sehr gut mit jungen Talenten arbeiten konnte und mit 14 Jahren hatte ich meinen ersten öffentlichen Auftritt – nur mit Erwachsenen – als Mabel in „Pirates of Penzance“.

Sie singen beim Lech Classic Festival die Fiordiligi in „Cosi fan tutte“. Was verbindet sie mit ihr und anderen Opernfiguren? Wie stark können sie sich identifizieren?

Man muss immer versuchen, die Psychologie der Figur zu verstehen und ich bleibe nach der Vorstellung noch zum Teil mit der Rolle verhaftet. Ich kann mich mit Fiordiligi identifizieren, auch wenn sie nicht genauso ist, wie ich es bin. Aber sie hat hohe moralische Ansprüche, möchte alles richtig machen und ist stark, aber auch mit großer Sensibilität ausgestattet und dadurch verletzbar. Das liegt mir auf jeden Fall mehr als das Kokette von Dorabella.

Mir ist die einheitliche Harmonie bei den Schwesternduetten in „Cosi“ mit Margarita Gritskova aufgefallen…

Ja, wir kennen uns seit wir zusammen „Anna Bolena“ in München gesungen haben. Es war mein Rollendebüt im Jahr 2020 und gleich – aufgrund der Corona-Zeit – in Livestream. Bei einer Reprise 2021 wurde mir dann vor nur 200 Gästen der Titel Bayerische Kammersängerin verliehen – ich war überglücklich, singen zu dürfen und fühlte mich sehr geehrt. Mir hat in dieser schwierigen Zeit sehr geholfen, in diesem großartigen Ensemble in München sein zu dürfen; ich singe nur Hauptrollen von Belcanto über Händel, Luisa Miller und Gilda. Meine zukünftigen Rollendebüts werden Alcina, Adina und Violetta sein.

Sie haben bereits Anna Bolena und Maria Stuarda gesungen. Aber Adina ist doch eine ganz andere Donizetti-Partie?

Ja, ich versuche meine Stimme jugendlich frisch zu halten und bleibe immer Schülerin. Obwohl Einstudieren – auch mit meinem Coach – sehr viel Energie kostet und es herausfordernd ist, will ich mich stets weiterentwickeln – zum Glück bin ich sehr diszipliniert. Ich nehme meine Lernstunden auf und gehe Punkt für Punkt genau durch.

Gibt es Lieblingsrollen?

Wahrscheinlich Amina aus „Sonnambula“, die ich zuletzt mit großem Erfolg gesungen habe. Manchmal glaube ich, Bellini hat die Rolle für mich geschrieben, weil die Farbe mit dieser wunderbaren Feinfühligkeit, Finesse und einigen dramatischen Ausbrüchen optimal zu mir passt. Ich verfüge auch über genug großen Tonumfang, um die Schluss-Szene mit Koloraturen und Bruststimme zu bewältigen. Interessant ist für mich auch die Schlafwandel-Passage, wo Amina in ihrer eigenen Welt ist und trotzdem viele Emotionen zeigt. Gerne würde ich auch Donizettis „Lucia di Lammermoor“ interpretieren. Bis jetzt habe ich zwar den Paris Opera Award mit der Wahnsinnsarie gewonnen, aber ich hoffe, dass ich bald – vielleicht bei einem Gastauftritt – die ganze Oper singen darf. Ich liebe auch das französische Repertoire.

Wie gelingt es ihnen, die Gefühle der Bühnenfiguren aufs Publikum zu übertragen? Braucht es dazu viel Vorbereitung?

In Lech war zum Beispiel alles spontan, wir haben viel improvisiert. Natürlich half es mir, dass ich schon 2x die Fiordiligi gesungen habe – ich habe 2015 die Premiere der Tambosi-Produktion im Gärtnerplatz-Theater in München gesungen und war dann bei der ersten Wiederaufnahme dabei, auch mit gekürzten Rezitativen, wobei ich finde, dass jedes Da Ponte-Wort Bedeutung hat und fast zu wichtig ist, um es zu streichen. Wenn man vor dem Klavierauszug der „Cosi“ sitzt und verstehen will, warum hat es Mozart in dieser Tonart mit dieser Melodie komponiert, welche Farben sollten da hörbar sein und was bedeutet es mir, so stelle ich mir viele Fragen und investiere viel Zeit; auch um Historisches und über Hintergründe zu lesen – und je mehr ich da eintauche, desto besser verstehe ich die Frauen, die ich dann auf die Bühne bringe. Es ist ein unglaublich faszinierender Prozess!

In Lech gibt es nur eine Orchesterprobe und dann wird die Oper bereits aufgeführt. Wie können sie mit Musikern und Dirigenten, mit denen sie noch nie gearbeitet haben, sofort so wunderbar harmonieren?

Vor dem Orchester und dem Dirigenten zu stehen ist immer eine Herausforderung, aber – wie mir Maestro Tetsura Ban versicherte – ich konnte bei den Ensembles viel helfen, indem ich Energie zu den Sängerkollegen geschickt habe, ebenso nach hinten zu den Musikern und ich versuche stets, den Kontakt aufrecht zu halten. Hochkonzentration und Präzession sind absolut notwendig und starkes muscle memory (Muskelgedächnis). Koordination und eine gewisse Kraft im Zentrum meines Körpers sind sehr wichtig für sehr gutes Singen.

Was die Veranstalter Marlies und Franz (Wagner) hier in Lech gemacht haben, ist unglaublich. Die große Leidenschaft spürt man und Franz hat auch den gesamten Text zwischen den „Cosi“-Gesangsstücken optimal geschrieben. Es war eine wundervolle Zeit am Arlberg!

Sind Sie noch nervös vor ihren Auftritten?

Ich bin noch aufgeregt, bevor ich auf die Bühne gehe. Aber wenn ich davor gut schlafe und kräftig esse, kann ich genug Energie sammeln und die Nerven beherrschen. Während der Aufführung nasche ich Bananen – wegen der Mineralien – und sonst bin ich sehr diszipliniert am Vorstellungstag.

Ist es schlimm, wenn man als Sopran dem Tenor – als großes Liebespaar – sehr nahekommt und er während einer Umarmung direkt in ihr Ohr – zum Teil mit voller Stimmkraft – singt?

(Jennifer lacht) Wenn es eine schöne Stimme ist, dann gar nicht. Ich habe gerne mit Pavel (Kolgatin) die „Cosi“-Duette gesungen, weil er ein wunderschönes Timbre hat und wir gut zusammenpassen. Die Chemie muss stimmen, dann ist alles leicht.

 

Liebe Jennifer! Ich danke für das sehr interessante, offene Interview – es war ein wunderschönes Gespräch in Lech/Arlberg. Für Ihre persönliche und künstlerische Zukunft wünsche ich aus ganzem Herzen nur das Allerbeste und hoffentlich auf bald in München oder an einem anderen opernbegeisterten Platz!

 

Susanne Lukas, 11. 8. 2024

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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