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JENNERSDORF/ Festivalsommer/ Schloss Tabor in Neuhaus: MARTHA

Flotows „Deutsche Spieloper“ als fein inszenierte, unbeschwerte Sommerunterhaltung

11.08.2019 | Oper


Foto: Jennersdorfer Festivalsommer

Schloss Tabor: Friedrich von Flotows MARTHA im Rahmen des Jennersdorf Festivalsommers

  1. August 2019 (Premiere 1. August)

Flotows „Deutsche Spieloper“ als fein inszenierte, unbeschwerte Sommerunterhaltung

Von Manfred A. Schmid

In einem romantisch entlegenen Winkel im südburgenländischen Dreiländereck, auf Schloss Tabor in Neuhaus am Klausenbach, findet alljährlich im August, in einem einzigartig intimen, geradezu zauberhaften Ambiente, ein dem breiten Publikum noch weitgehend unbekanntes Sommerfestival statt. Im Mittelpunkt steht jeweils eine liebevoll gehegte Neuproduktion – heuer Friedrich von Flotows romantisch-komische Oper Martha. Nachdem im Vorjahr Rossinis  Barbier von Sevilla als unverhoffter Ausritt in die Abgründe des Regietheaters das treue Publikum ziemlich überrascht und verschreckt hatte, wurde diesmal schon im Vorfeld Entwarnung gegeben: Mit Brigitte Fassbaender konnte vom erfolgsverwöhnten Festivalchef Dietmar Kerschbaum eine Regisseurin gewonnen werden, unter derer kundiger Leitung einfach nichts schief gehen sollte. Und so ist es denn auch. Die leichtfüßige, gutgelaunte Inszenierung der legendären Sängerin und langjährigen Innsbrucker Intendantin bietet Deutsche Spieloper pur und garantiert Unterhaltung vom Feinsten.

Dass das bei derartigen Unternehmungen nicht immer automatisch der Fall sein muss, sondern viel Gespür und Einfühlungsvermögen erfordert, zeigte sich im Frühjahr dieses Jahres anlässlich der Neuinszenierung der Oper am Landestheater Graz, die – mit der gewagten Verlegung der Handlung in eine psychiatrische Anstalt (!) – alles andere als gelungen war. Die Volksoper Wien agierte da erfolgreicher, hielt sich dort Flotows Martha nach der Premiere 2003 immerhin bis 2006 im Repertoire, während für Graz wohl das Zitat „Martha, Martha, du entschwandest“ zur self fulfilling prophecy geworden ist. Daraus ergibt sich: Die Deutsche Spieloper eignet sich nicht für das Regietheater. Entweder man nimmt das Werk, so wie es ist, ernst und vertraut auf die Kraft der Musik und der leisen Komik, oder man lasse besser die Hände davon.

Eine wesentliche Grundlage eines Bühnenerfolgs an diesem landschaftlich wie architektonisch äußerst reizvollen Spielort ist die Wertschätzung der vorgegebenen Kulisse, die der Innenhof von Schloss Tabor bietet. Da braucht es dann nur noch wenig, um die Handlung atmosphärisch festzumachen: Die Theke eines Pubs, ein paar Tische und Stühle, einen offenen Kamin und einen abgezirkelten Raum, der als Bauernstube und Schlafzimmer dient. Auf dem Dach (Bühnenbild von Julia Scheeler) weht stolz die britische Fahne. Und wenn dann noch die drei Aristokraten, die im Zentrum stehen, großkariert in Kostümen von Anna-Sophie Lienbacher auftreten – bei einem von ihnen setzt sich das Karomuster sogar auf dessen Glatze weiter fort -, dann weiß man, wo man gelandet ist.

Die Personenführung durch Brigitte Fassbaender funktioniert famos. Die Szene, wenn sich die Landmädchen den Bauern auf dem Marktplatz als zukünftige Dienstmägde präsentieren, auf den Tisch kletternd ihre Fähigkeiten anpreisen, („Ich kann nähen, ich kann mähen, ich kann säen…“) und dann „abgeschleppt“ werden, ist einfach köstlich und jeder political correctness abhold. Die beiden „höher gestellten“ Damen, die sich verkleidet unter das Volk mischen, um sich leichtsinnig im Scherz ebenfalls als Mägde zu verdingen, werden mit viel Spielfreude und feinen Stimmen von Renate Pitscheider und Sarah Laulan verkörpert. Das berühmte Auftrittslied der Lady Harriet Durham, das aus dem englischen Volksliedgut entlehnte Lied von der „Letzten Rose“, wird von Pitscheider anmutig dargeboten, schlicht und berührend, wie es sich gehört, und nicht der Versuchung nachgebend, die liedhafte, sehnsuchtsvolle Melodie etwa gar zur großen Arie hochstilisieren zu wollen. Sarah Laulan als Nancy, Harriet Vertraute, steuert zum bunten Treiben mit ihrem resoluten Auftreten und ihrer erotischen Ausstrahlung eine sinnliche Qualität bei.

Die beiden Bauern, denen von den beiden Damen zunächst übel mitgespielt wird, bis es zum unvermeidlichen Happyend kommt, sind ebenfalls ansprechend besetzt. Ibrahim Yesilay, Ensemblemitglied der Deutschen Oper am Rhein, verfügt über eine einschmeichelnde Tenorstimme und ist ein rasch entflammter, schmachtender und alsbald tief gekränkter Lyonel.  Der Bariton Andreas Mattersberger, als reicher Pächter Plumkett Lyonels Leidensgenosse, nimmt das Ränkespiel weniger ernst als sein aufgebrachter Freund. Andreas Jankowitsch ist mit seiner reichen Bühnenerfahrung ein urkomischer Lord Tristan Mickleford und liefert das Porträt eines kauzigen englischen Landedelmannes. In weiteren Rollen machen Marc Kugel als Richter sowie Yuhyun Jeon, Eakterina Protsenko und Tabea Mitterbauer als Mägde auf sich aufmerksam.

Das durchwegs aus jugendlichen Musikerinnen und Musikern bestehende Orchester, die seit Jahren auf Schoss Tabor eingesetzte Junge Philharmonie Brandenburg unter der erfahrenen Leitung von Georg Fritsch, geht wie gewohnt mit Frische und Elan ans Werk und sorgt – sekundiert vom Philharmonia Chor Wien – für eine schwungvolle Gestaltung der eingängigen, melodienreichen Musik. Fazit: Schloss Tabor ist kein Ort für Experimente, die anderswo durchaus ihre Berechtigung haben mögen. Der Jennersdorfer Festivalsommer ist und bleibt vielmehr ein Hort unterhaltsamer Opernaufführungen auf einem ansprechenden Niveau – und als solcher ein Geheimtipp für Opernliebhaber, auch wenn im nächsten Jahr zur Abwechslung mit Lehárs Die lustige Witwe eine Operette auf dem Spielplan stehen wird.

Manfred A. Schmid

 

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