JEAN-BAPTISTE LULLY: ALCESTE ou Le Triomphe d’Alcide – apartemusic 2 CDs; Referenzeinspielung auf höchstem Niveau
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Der ab 1672 mit einem Monopol für musikalische Theateraufführungen ausgestattete und dementsprechend beneidete Komponist J. B. Lully wählte gemeinsam mit seinem Librettisten Philippe Quinault für die erste wirklich großformatige Zusammenarbeit den Euripides-Stoff der Alceste aus. Chronologisch stellte dies nach „Cadmus&Hermione“ die zweite der 13 tragédies en musique von Lully dar. Das Ergebnis war eine Tragikomödie ersten Rangs in einem Prolog und fünf Akten mit Chören und Ballett zur kurzweigen Unterhaltung des Publikums sowie zu dessen Erholung von (allzu) langen solistisch gesungenen Passagen, allerdings auch mit beträchtlichen Freiheiten in der Bearbeitung der literarischen Vorlage. 1674 in Paris von der Académie Royale de Musique im Théâtre du Palais-Royal uraufgeführt, ärgerte diese Oper alle traditionellen Klassizisten der Zeit (bis dahin war die Tragödie dem Theater vorbehalten und die Musik der Komödie zugeschrieben), aber erfreute umso mehr das Herz Ludwigs XIV., konnte sie doch als ein Porträt des „aufgeklärten“ Königs und seiner Glorie in fünf Tableaus interpretiert werden (Neptun ab dem ersten Akt, dann Mars, Apollo, Pluto und schließlich der mächtige und edelmütige Hercules, der auf die ihm versprochene Alceste zugunsten dessen Gatten selbstredend verzichtet). Außerdem markierte die Aufführung auch den Sieg von Ludwig XIV. im französisch-niederländischen Krieg samt Wiedererlangung der Franche-Comté.
Bekanntlich geht es in der Geschichte um Admetus, König von Thessalien, der im Sterben liegt. Apollo verspricht ihm sein Leben, wenn jemand anderer bereit ist, an seiner Stelle zu sterben. Also tötet sich seine Frau Alceste, um ihren Gatten zu retten. Allerdings wird sie aus der Unterwelt von Hercules befreit, der noch dazu edelmütig auf das Versprechen von Admetus verzichtet. Happy End! Der Librettist und sein Komponist ersannen dazu diese kleine Dreiecksgeschichte, wo Hercules (Alcide) die Königin gewinnen soll, wenn er Alceste aus der Unterwelt zurückbringt. Ein weiteres komisches Trio, nämlich Céphise, Lychas und Stratton treibt zum tragischen ironisch seinen Schabernack. Da gibt es neben höchst heroischen Momenten wie die Schlachtenszenen mit lautmalerischen Instrumentaleffekten, unheimlichen Begräbnissequenzen (Admetus, Alceste) und Hercules Ausflug ins Totenreich auch Witziges wie die Sorge des Fährmann Charon, dass das Boot wegen des Übergewichts von Hercules sinken könnte.
Die düstere Version Glucks hat somit nichts mit dem vom Chor gesungenen Motto der Oper „Pour rire un peu l’on n’est pas moins sage“ (=“Wegen ein wenig Lachen ist man nicht weniger weise“).
Christophe Rousset hat Alceste im Rahmen seines Lully-Zyklus im Sommer 2017 beim renommierten Alte Musik Festival in Beaune aufgeführt. 25 Jahre ist er samt seinem vorzüglichen Barockorchester Les Talents Lyriques nun schon in Beaune mit von der Partie. Davor gab es eine konzertante Aufführungsreihe in Paris in der Salle Gaveau, anlässlich derer der vorliegenden Mitschnitt entstand. Mit einer von den Typen her, gesanglich und artikulatorisch perfekten Besetzung, von denen jede und jeder außer Edwin Crossley-Mercer mehrere Rollen zu singen hat, gelingt Rousset wieder ein Stück Lully-Rehabilitation, werden doch seinen Werke unverständlicherweise noch immer kaum von den großen Bühnen der Welt aufgeführt.
Judith Van Wanroij Alceste, Ruhm
Edwin Crossley-Mercer Alcide
Emiliano Gonzalez Toro Admète, zweiter Triton
Ambroisine Bré Céphise, Nymph der Tuilerien, Proserpine
Douglas Williams Lycomède, Caron
Etienne Bazola Cléante, Straton, Pluton, Eole
Bénédicte Tauran Nymphe der Marne, Thetis, Diana
Lucía Martín-Cartón Nymphe der Seine, Nymphe, Trauernde, Ein Schatten
Enguerrand de Hys Lychas, Phérès, Apollo, erster Triton, Alecton, Gefolge Plutons
Chœur de chambre de Namur (Leitung: Leonardo García Alarcón & Thibaut Lenaerts)
Les Talens Lyriques
Christophe Rousset Dirigent und Cembalo
Dr. Ingobert Waltenberger