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JAMES BOND 007: SPECTRE

05.11.2015 | FILM/TV, KRITIKEN

FilmPoster Spectre~1

Ab 5. November 2015 in den österreichischen Kinos
JAMES BOND 007: SPECTRE
USA / 2015
Regie: Sam Mendes
Mit: Daniel Craig, Christoph Waltz, Léa Seydoux, Monica Bellucci, Ralph Fiennes, Ben Whishaw, Naomie Harris u.a.

Es beginnt, wie Action-Filme eben beginnen – mit einem Knalleffekt ohnegleichen. Man ist in Mexico City, und dieses Fest der Toten, das da gefeiert wird, kann sich an Opulenz und Gedrängtheit mit dem Karneval in Rio durchaus vergleichen, nur dass eben meist schaurige Skelette herumspazieren. Unter einer dieser Masken steckt, wir haben es doch vermutet, James Bond. Man erkennt es unzweifelhaft, als er ins Hotelzimmer kommt und sie ablegt. Die schöne Dame, die sich für ihn im Bett räkelt, küsst er nur flüchtig, dann turnt er schon über die Dächer der Stadt, nimmt auf der anderen Straßenseite jemanden ins Visier, schießt, Explosion, einstürzende Altbauten, Flucht. Action-Höhepunkt dieser Sequenz: Kampf mit einem Verfolgen um den Hubschrauber, wer gewinnt, ist ohnedies klar, sonst gäbe es den Rest des zweieinhalbstündigen Films nicht…

Der Vorspann bietet dann auch den Titelsong, nicht eben eine Offenbarung, „Writing’s on the Wall“ von Sam Smith klingt, teils im Falsett gejault und gejodelt, eher zum Abgewöhnen. Im übrigen trägt die Musik wie immer dick zur Stimmungsmache des Ganzen bei.

„Spectre“ ist der 24. Bond, zwei Dutzend hat man also geschafft – und würde man den „irregulären“ Bond dazu zählen, den Sean Connery noch mit Klaus Maria Brandauer gedreht hat, wären es schon 25. Zum vierten Mal – nach „Casino Royale“ (2007), „Ein Quantum Trost“ (2008) und „Skyfall“ (2012) – schlüpft Daniel Craig in die Rolle von 007, und entweder er und der Superagent haben sich an einander gewöhnt oder der Zuseher hat ihn nun einigermaßen akzeptiert (was ja durchaus nicht von Anfang an der Fall war) – „Spectre“ ist ein Craig-Film. Mit einem Quentchen Unbeweglichkeit kämpft er sich durch die (übrigens höchst unglaubwürdige) Geschichte, ist glaubhaft, wo er den harten Mann gibt, weniger überzeugend als Liebhaber, da spielt er die Lust eher, als dass er sie wirklich verströmt. Das konnten seine Vorgänger Connery / Moore / Brosnan besser, die durchwegs lockerer und geschmeidiger waren als er. Aber das war auch noch eine andere Welt…

Die Handlung dieses James Bond-Films ist mager. In London waltet nun statt der unvergessenen Judi Dench (einmal schickt sie noch als Tote eine Botschaft) der wirklich geradezu ausgedürrte Ralph Fiennes als „M“ seines Amtes. Zwar ist er von Bonds ewigen Alleingängen nicht begeistert – aber dass die Lizenz zu Töten, dass der reale Agent, kurz das Menschlich-Schöne (wenn man es in diesem Zusammenhang so nennen darf) abgeschafft werden soll, sieht er nicht ein. Mr. „C“ (Andrew Scott), der allerdings mächtiger ist als er, will nur noch auf totale Überwachung und totalen Datenaustausch setzen. Weg mit Bond – na ja, so einfach ist das ja wohl nicht. Glücklicherweise.

Man braucht noch einiges Bond-Personal, aber im Lauf der Jahrzehnte musste es natürlich ausgetauscht werden: Naomie Harris als Moneypenny ist eine liebenswürdige Schönheit (die altjüngferlichen Sekretärin, die einst von Bond mit Charme verwöhnt wurde, war lustiger), Ben Whishaw als „Q“ bringt trockenen Humor ein, der sich aber nicht durchsetzt: Für lockeren Ton hat Regisseur Sam Mendes hier leider gar nichts übrig. Man vermisst dergleichen schon schmerzlich.

Jeder Bond-Film prunkt mit seinen Schauplätzen. Es gab viel heimischen Medienwirbel, als in Österreich – in Altaussee und in Tirol – gefilmt wurde, aber man soll sich nicht in die Tasche lügen: Anders als etwa London oder Rom oder Mexico City sind die österreichischen Szenerien gänzlich unspezifisch, kurz der See von Altaussee, kurz die Berge und Schnee und eine Autojagd auf verschneiten Straßen. War’s in Mexico City ein Hubschrauber, so ist es in Österreich ein Propeller-Kleinflugzeug, das Bond natürlich so souverän steuert wie Autos um drei Millionen Pfund (!) – dieses wird nach einer schönen Jagd durch Rom im Tiber versenkt.

Action diverser Art kommt immer wieder, nichts davon ist besonders spektakulär und unverwechselbar. In die marokkanische Wüste hat man eine Art moderne Festung hineingebaut, von der aus der Bösewicht der Story auf zahllosen Bildschirmen offenbar alles verfolgt, was auf der Welt vorgeht. Denn das ist irgendwie das zentrale Thema: Es geht um die allmächtige Überwachung, mit der die Bösewichte uns alle im Griff haben. Aktuell, aber nicht mehr ganz taufrisch.

Jeder Bond braucht seinen Bösewicht, es gab derer schon bemerkenswerte in der Geschichte. Dass Christoph Waltz einmal an die Reihe kommt, hat er zweifellos dem Meister-Schurken zuzuschreiben, den er für Quentin Tarantino spielte (und verdient den „Oscar“ heimtrug). Warum der „Franz Oberhauser“ (welch schön österreichischer Name), der eine Version des schon vielfach in Bond-Filmen aufgetretenen Blofeld sein soll, so schwächlich ausgefallen ist, erklärt sich doppelt – das Drehbuch hat es für ihn nicht gebracht, der Regisseur nicht eingefordert. Und Waltz von sich aus zog sich auf sanft-ölig-zynisches Unterspielen zurück, er wird nicht einmal schaurig, wenn er Bond foltert. Zum Schluss verendet er allerdings nicht auf der Waterloo Bridge, sondern wird geschont – sollte es ihn demnächst (im nächsten Bond-Film) wieder geben, darf er ruhig dicker und wirkungsvoller auftragen…

Man braucht im übrigen neben dem feinsinnigen Bösewicht (was durfte Javier Bardem da im vorigen Bond, „Skyfall“, leisten!) auch noch einen Mann fürs Grobe – das ist hier Dave Batista als potthäßlicher Mr. Hinx, der nicht nur bei jeder Gelegenheit hinter Bond her brettert, sondern sich mit ihm auch in Handgemenge verstrickt, bei denen die Knochen nur so krachen.

Last not least: die Frauen. Traditionellerweise (aber auch das ist schon unterbrochen werden) zwei, die böse und die gute. Die Bond-Girls halt. Diesmal ist die eine gewissermaßen eine Bond-Lady, die zwar mit ihm ins Bett geht, aber dann auf Nimmerwiedersehen verschwindet: Monica Bellucci absolviert das als Gangsterwitwe in Rom (und hat offenbar ein schwarzes Mieder beim Sex getragen – jedenfalls entlässt sie Bond so aus ihrem Bett). Die andere ist das blonde Bond-Girl wie üblich, die hübsche Léa Seydoux (einst die „Schöne“ in „Die Schöne und das Biest“) absolviert das erfolgreich, es gibt sogar eine Kurzszene, in der sie und Bond einander die Kleider vom Leib reißen, bevor mehr als rechtzeitig abgeblendet wird.

Zitate wie „Bond, James Bond“ (auf „Wie heißen Sie eigentlich?“) oder „Wodka Martini, geschüttelt nicht gerührt“ fehlen nicht, die Maßanzüge sitzen, die Autos sind etwas für Kenner. Wenngleich Bond mit Daniel Craig nicht mehr der Alte ist, ist er doch der von Heute, und der Mythos hält, wenn auch verändert, so stark genug. Auch bei „Spectre“, wo abgesehen von Drehbuch-Unsinnigkeiten sonder Zahl auch sonst eher die abgegriffenen Klischees geliefert werden. Aber es funktioniert, weiß der Teufel, wieso, es funktioniert immer wieder.

Renate Wagner

 

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