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Jakub HRUSA – Erster Gastdirigent der Tschechischen Philharmonie (Interview anlässlich des Frankfurt-Konzertes)

09.03.2020 | Dirigenten

Im Rahmen ihres Deutschland-Gastspiels gastierte die Tschechische Philharmonie unter Leitung ihres ersten Gast-Dirigenten, Jakub Hrůša, in der Alten Oper Frankfurt. Unser Redakteur, Dirk Schauß, erhielt die Gelegenheit, mit einem der spannensten Dirigenten der jüngeren Generation zu sprechen. Im Mittelpunkt des Gespräches standen Ausführungen zum Konzertprogramm und auch viele persönliche Gedanken zur eigenen Biographie.


Dirk Schauß, Jakub Hrůša. Foto: Schauß

 

DS:

Herr Hrůša, heute Abend präsentieren Sie in der Alten Oper ein Programm mit drei Werken aus Tschechien.

Dvořáks Cellokonzert, Suks Scherzo Fantastique und Janáčeks Taras Bulba.

 

Wie kam es zu dieser Auswahl?

 

JH:

Unsere Solistin Sol Gabetta kenne ich gut. Kürzlich spielten wir die Cellokonzerte von Saint-Saëns, Martinů und Elgar mit ihr. Ich mag sie sehr. Wir dachten, dass wir mit der Tschechischen Philharmonie gerade den Dvořák machen sollten, zumal er von den Cellisten so gerne gespielt wird.

Ich selbst dirigiere das Konzert bewusst selten. Es ist ein Meisterwerk und der Zauber ist für mich dann besonders groß, wenn es nicht zu oft gespielt wird. Mit so einem Orchester wie der Tschechischen Philharmonie ist dann eine solche Zusammenarbeit eine große Feier.

 

Dann wollten wir etwas anbieten, was für uns Tschechen geläufig ist, aber für das Publikum vielleicht eine Entdeckung sein könnte. Bei uns wird beispielsweise Taras Bulba oft gespielt.

 

Ich selbst habe das Werk mindestens 50 – 60 Mal dirigiert. Ich habe eine enge Beziehung dazu und das begann bereits in meiner Jugend. Mit der Tschechischen Philharmonie habe ich es noch nicht oft gemacht.

Ich liebe dieses Stück sehr. Gerade dieses Stück zeigt die Qualitäten des Orchesters. Am Ende kommt diese herrliche Apotheose und das passt sehr gut ans Konzertende.

 

Josef Suk ist leider nicht so bekannt wie Janáček. Beide Komponisten kannten und schätzten sich sehr, obwohl sie sehr unterschiedlich komponierten.

Ich dachte mir, dass ein kürzeres farbiges Werk, wie Suks Scherzo Fantastique, ein guter Kontrast zu Taras Bulba ist.

Es ist eines von Suks Jugendstücken, sehr entspannt, lustvoll und inspirierend. Dabei wollte Suk in späteren Lebensjahren lieber gar nicht mehr an diese Komposition denken. Für ihn war es schwer, zu akzeptieren, dass sein Scherzo viel öfter gespielt wurde als seine anderen Werke. Er nannte es „ein kleines geistloses Nichts“.

 

Für Suk und Janáček war Dvořák der beste Komponist. Für Suk war er ja der Schwiegervater und für Janáček war Dvořák Freund und Vorbild zugleich. Dvořák ein großer einflussgebender Mensch für Janáček.

 

Somit haben wir das Konzert mit Dvořák und zwei seiner Nachfolger. Jedes Stück ist anders und steht ganz für sich selbst.

 

Für mich ist es das erste Mal, diese Stücke in Kombination miteinander aufzuführen. Ich bin überzeugt, dass es gut funktionieren wird.

 

DS:

Wird die Musik von Josef Suk in Ihrem Heimatland häufiger als bei uns aufgeführt?

Ist sie bei Ihnen populärer?

 

JH:

Suk ist nicht so populär wie Dvořák. Aber das Publikum kennt ihn, z.B. seine Asrael-Symphonie oder seine Streicher Serenade wird öfters gespielt. Seine Qualität wird deutlich wahrgenommen und geschätzt.

Er sollte mehr gespielt werden. Zu oft werden die gleichen Standardwerke des Repertoires gespielt.

Für mich sind Dvořák, Suk und Janáček in meinem Leben sehr wichtig. Hinzu kommen noch Smetana und Martinů. Ich führe viele Werke dieser Meister auf.

Ich freue mich daher sehr, dass auch andere Dirigenten Werke von Suk aufführen, wie z.B. Kirill Petrenko, Vladimir Jurowski oder Simon Rattle.

Es ist spürbar, wie gut die Qualität von Suks Musik ist. Die Nähe zu Mahler oder auch Richard Strauss ist erkennbar. Auch Suks Beschäftigung mit dem Tod verbindet ihn mit Mahler.

Bei Janáček ist es anders, da dieser vor allem als Opernkomponist bekannt ist.

Suk hat keine Oper geschrieben. Janáčeks symphonische Werke wirken stellenweise wie kurze Opern. Taras Bulba ist sehr programmatisch und dabei illustrativ in der Bildsprache.

Janáčeks Musik klingt im Vergleich zu Suk wie die Musik eines jungen Mannes, dabei war Janáček 20 Jahre älter als Suk.

 

DS:

Janáčeks Taras Bulba spielt in Ihrem Leben eine besondere Rolle. Und auch Josef Suk, dessen Asrael-Symphonie Sie am Ende Ihres Studiums erstmals dirigierten.

Ihr Mentor und Lehrer, Dirigent Jiří Bělohlávek, war ein großer Kämpfer für Josef Suks Musik und eben auch Chef der Tschechischen Philharmonie.

Wie fühlen Sie sich, wenn Sie jetzt, wenige Jahre nach seinem Tod, sein Orchester dirigieren?


Jakub Hrůša. Foto: Dirk Schauß

JH:

Oh, ich könnte den ganzen Abend darüber sprechen ….

Für mich war er derjenige, von dem ich am meisten gelernt habe. Er hat mich wunderbar unterstützt. Nach seinem Tod erfahre ich in aller Welt, wie freundlich er über mich gesprochen hat.

Es sind gemischte Gefühle. Zu Bělohláveks Lebzeiten wurden er und ich oft verglichen, aber das ist jetzt vorbei. Die Tschechische Philharmonie hat mich voll akzeptiert.

Natürlich bemerke ich, dass manchmal die Musiker doch die Ähnlichkeiten zwischen meinem Lehrer und mir bemerken. Von Anfang an hat es zwischen ihm und mir gut gepasst. Die Gestik, die musikalischen Vorstellungen stimmten überein. Ich musste mich niemals zwingen, von ihm zu lernen, es war immer selbstverständlich.

Vor ihm habe ich privat und an der Hochschule Dirigieren studiert. Bělohlávek war die erste prägende Persönlichkeit für mich. Ich bin sehr dankbar und froh, dass daraus eine Freundschaft wurde. Wir blieben immer mit Briefen und Emails in Kontakt. Auch trafen wir uns gelegentlich mit unseren Familien.

Natürlich habe ich viel mit ihm über Janáček gesprochen. Ich stamme aus Brünn und habe gerade dort viel über diesen Komponisten gelernt. Hier ist Janáček die zentrale künstlerische Gestalt der Stadt. Es gibt das Janáček-Theater, das Janáček-Festival, das Janáček-Museum, seine große Statue.

In Bezug auf Josef Suk habe ich auch von anderen Dirigenten, wie Talich, Neumann, Kubelík und Libor Pešek gelernt. Ich habe viele Aufnahmen gehört und Suks Kompositionen immer wieder in Konzerten gehört. Im Studium haben wir oft über Josef Suk gesprochen. Und seine Asrael-Symphonie habe ich am Ende meines Studiums dirigiert.

 

DS:

Hr. Hrůša, ich staune über Ihr Arbeitspensum.

Sie sind Chef in Bamberg und jeweils erster Gast-Dirigent der Tschechischen Philharmonie und des Philharmonia Orchestras.

Wie schaffen Sie das?

 

JH:

Das ist nur der Anfang (lacht herzlich) … Ich bin aber kein Workaholic.

Von der Musik oder dem Dirigieren bin ich nicht abhängig. Aber ich liebe diese Arbeit, sich immer wieder mit den Partituren zu beschäftigen. Ich benötige kein zusätzliches Entertainment, da mir die Musik schon sehr viel gibt. Eine ganz wichtige Seite in meinem Leben, ist meine Familie, die mir sehr viel gibt. Ich habe die wunderbarste Familie, die ich mir vorstellen kann. Meine Frau ist ein ganz besonderer Schatz und die Kinder sind toll. Wir lieben uns alle sehr.

Die Kehrseite ist, dass ich mit diesen wunderbaren Menschen nicht genügend Zeit verbringen kann. Volle Zeit mit der Musik und mit der Familie, das geht leider nicht gleichzeitig. Ich vermisse das sehr. Wenn ich zaubern könnte, würde ich das mehr in Ausgleich bringen wollen.

Ich verbrachte kürzlich Winterferien mit der Familie und ich hätte ein sehr bedeutendes Einspringen realisieren können. Aber es hätte bedeutet, meine Familie nicht zu sehen. Somit entschied ich mich für die Familie. Sie gibt mir so viel Energie.

Ebenso geht es mir mit der Musik. Für mich ist es faszinierend festzustellen, dass es mir nach einem Konzert immer besser als vorher geht. Geistig und körperlich fühle ich mich wie erneuert. Die Musik gibt mir vor, im Moment zu leben. Und das ist gut so, da haben dann andere Gedanken keinen Platz. Handy, Sorgen, alles, was uns sonst beschäftigt, ist ausgeklammert im Moment der Musik.

 

DS:

Herr Hrůša, ich habe Sie öfters erlebt. Besonders prägend war für mich Ihr Dirigat von Puccinis Trittico an der Oper Frankfurt. Selten habe ich unser Orchester, welches ich seit meiner Kindheit sehr gut kenne, derart inspiriert erlebt.

 

JH:

Das freut mich sehr. Es sind sehr komplexe Werke. Für mich war es die bisher anspruchsvollste Opernproduktion, die ich dirigierte. Drei Opern an einem Abend und so unterschiedlich.

 

DS:

Ebenso war ich beeindruckt, als Sie neulich in der Alten Oper mit den Bamberger Symphonikern die vierte Symphonie von Gustav Mahler aufgeführt haben. Das hatte eine große Vollkommenheit. Für mich war das ein unendlicher Dialog zwischen dem Orchester und Ihnen, dabei sehr frei im musikalischen Agieren.

 

JH:

Das ist mir sehr wichtig. Wir hatten eine sehr gute Arbeitsphase und ich bin froh über das gelungene Ergebnis.

 

DS:

Welche Pläne haben Sie in Bamberg?

 

JH:

Wir planen u.a. auch wieder Opernaufführungen, es kommt Wagner, vielleicht auch Strauss.

 

DS:

Haben Sie ein Credo, von dem Sie als Musiker und Dirigent überzeugt sind?

 

JH:

Ich bin kein Freund von einfachen Credos.

Die Authentizität ist mir wichtig. Jeder sollte Musik so machen, dass das eigene Selbst sich klar mitteilt. Es geht mir dabei nicht darum, Erwartungen zu bedienen. Ich kann nur so gut im Ergebnis sein, so ehrlich ich mit mir selbst umgehe.

Ich kann andere Menschen dann inspirieren, wenn ich mich öffne.

Unsere ganzen Lebenserfahrungen sollten in der Musik reflektiert werden!

 

DS:

Lieber Herr Hrůša, vielen Dank für das wunderbare Gespräch.

 

Dirk Schauß

 

  1. März 2020

 

 

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