CD J.S. BACH: Partita Nr. 2 in D-Moll, Sonate Nr. 3 in C-Dur, Partita Nr. 3 in E-Dur, BWV 1004-1006 SEBASTIAN BOHREN Violine, RCA
Sebastian Bohren versteinert nicht in schüchterner Schreckstarre vor diesen mythisch-barocken Stücken für Violine solo heran, sondern er genießt sie einfach. Natürlich bewundert der Geiger aus Zürich, was Bach mit so traditionellen Tanzsätzen alles „anstellen kann“ und wie ökonomisch er dabei die kompositorische Feder führte.
Der Musikfreund wiederum ist verblüfft, wie unbeschwert mutig und dennoch wissend Sebastian Bohren diese Eiger Nordwand der Sololiteratur für Violine erklimmt, sie umwirbt, sie ausleuchtet. Mit stets fein ziseliertem Ton, aber doch kraftvoll geführtem Bogen webt Bohren seine eigene Marke in die unendlichen Mäander der Bachschen Partiten, scheint über einen unendlichen Atem zu verfügen und bleibt doch der Musiker zum Anfassen, der den Boden unter seinen Füßen „Himmel und Hölle“ vorzieht. Das streng unerbittliche Metrum, das blau sterile kosmische Vergehen in der Musik sind seine Sache nicht. Sebastian Bohren ist viel zu sehr Vollblutmusiker, um nicht auch als Interpret in die Fußstapfen des Meisters aus Eisenach schlüpfen zu wollen. Überhaupt ist es die wie improvisiert wirkende Kreatürlichkeit des Geigers, die fasziniert. Bohren braucht für seinen Bach keine Noten, die Partituren kennt er von Kindesbeinen an auswendig.
Bohren schwärmt in einem Filmtrailer zur CD, die auf seiner Website http://www.sebastianbohren.ch/de/ abrufbar ist, von idealen Verhältnissen des musikalischen Inhalts bei Bach. Trotz aller Freiheiten eines kreativen Geists weiß Bohren um die Proportionen der Musik, die Balance in der dynamischen Abmischung, den goldenen Ariadnefaden durch die vielen, vielen kleinen Noten. Die Form bleibt final jedoch stets nur der architektonische Rahmen, in der Ausdruck und persönliches Erleben sich musikantisch manifestieren können. Ein Ereignis!
Der erste Versuch mit Bach solo ist geglückt, mögen weitere – auch auf Tonträger – folgen.
Dr. Ingobert Waltenberger