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IVONNE FUCHS – Durchbruch als Kundry

in der schwedischen Tundra zu Wagner gefunden

14.08.2023 | Sänger

Seit April 2023 ist ihr Name unter Opernfreunden und insbesondere Anhängern der Musik Richard Wagners in aller Munde: Ivonne Fuchs. Auch ich war begeistert von ihrer Interpretation der Kundry am Dornacher Goetheanum und darf einleitend meinen Merker-Kollegen Klaus Billand zitieren: „Mit großer Gesangskultur und mühelosem Meistern auch der dramatischen Momente zum Ende des 2. Aufzugs konnte sie das gesamte Publikum begeistern. Von ihr wird sicher als Kundry noch oft zu hören sein, und nicht nur mit dieser Rolle.“

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Ivonne Fuchs als Kundry am Goetheanum im schweizerischen Dornach | © François Croissant 

Äußerst erfreut war ich daher über ihr solistisches Mitwirken in einem Konzert des „Flensburger Orgelsommers“ im August diesen Jahres. Am Tag nach diesem sehr gut besuchten Konzert in Begleitung von Organist KMD Michael Mages traf ich die sympathische Sängerin in privater Atmosphäre beim Kaffee und durfte sie interviewen.

Ich habe Dich zum ersten Mal bewusst in diesem Frühjahr bei der Parsifal Aufführung in Dornach wahrgenommen. Sämtliche Kritiker haben Deine Gestaltung der Kundry begeistert aufgenommen. Warum bist Du heute hier in Flensburg und nicht in Bayreuth? 

Kundry in Dornach war für mich ein persönlicher Durchbruch, da ich vorher noch nie mit diesem Fach in Erscheinung getreten bin und gleich einen beachtlichen Erfolg hatte. In der Folge regnen jetzt aber nicht sofort die Angebote vom Himmel. Ostern 2024 haben wir wieder drei ausverkaufte Parsifal-Aufführungen in Dornach. Es sind derzeit mehrere Dinge am Laufen, aber so lange keine Verträge unterschrieben sind, möchte ich darüber nicht konkret sprechen. Spontan gab es einige kurzfristige Anfragen, aber da wurden keine konkreten Angebote draus. Der Opernbetrieb leidet organisatorisch immer noch an den Folgen der Pandemie. Das Geschäft ist momentan sehr unruhig und es werden häufiger als früher Produktionen abgesagt, oder die Disposition ändert sich kurzfristig.

Warum ich heute in Flensburg bin, ist damit natürlich noch nicht beantwortet. Meine beste Freundin, die auch Sängerin ist, singt hier sehr oft Kirchenkonzerte. Auf diesem Wege kam der Kontakt zustande und im vergangenen Jahr ist Michael Mages nach Malmö gekommen, wo ich Marcellina in „Le nozze di Figaro“ gesungen habe. Im Anschluss an diese Vorstellung fragte er mich, ob ich auch bei ihm in Flensburg singen würde und da habe ich spontan zugesagt. Ich hatte gehört, dass die Flensburger Nikolaikirche eine phantastische Orgel hat und das Programm durfte ich völlig frei zusammenstellen. Ich fühle mich hier wie im siebten Himmel. Die Menschen sind so freundlich zu mir und die Orgel hat mich echt umgehauen. Deshalb wird dies auch nicht mein letztes Konzert in Flensburg gewesen sein.

Es freut mich, dass wir Dich wieder in Flensburg hören werden und auch in Dornach sind ja die drei Aufführungen mit Dir im kommenden Jahr schon wieder ausverkauft. Wie bist Du zu dieser Produktion gekommen? 

Mein Coach Daniel Sarge hatte mir vor knapp zwei Jahren eine SMS geschrieben und mich gefragt, ob ich Lust hätte, in Dornach für Kundry vorzusingen. Ich hatte das Goetheanum bis dahin nur als anthroposophisches Zentrum wahrgenommen und damit keine Musiktheaterproduktionen in Verbindung gebracht. Sarge schwärmte von den guten Kollegen und der guten Regisseurin und meinte, das sei was für mich. Leider war ich für die Vorsingtermine schon anderweitig gebunden. Normalerweise ist es so, dass man maximal zwei Termine angeboten bekommt und wenn beide nicht passen, dann war’s das. Dann kontaktierte mich die Regisseurin Jasmin Solfaghari persönlich und bot mir eine weitere  Möglichkeit an. Ich war von dieser Flexibilität total begeistert. Am Tag vor diesem Termin hatte ich noch eine Bach-Kantate in Gütersloh mit einer äußerst tiefen Alt-Arie gesungen. Ich hatte dementsprechend an meine eigene Leistung nicht die höchsten Erwartungen, war aber beim Betreten des Goetheanums sofort von der tollen Akustik, der großen Bühne und dann auch von der freundlichen Atmosphäre des Produktionsteams und dem guten Pianisten begeistert. Ich habe mich sehr willkommen gefühlt und direkt die große Partie aus dem zweiten Akt vollständig vorgesungen. Als ich fertig war, habe ich mich völlig erschöpft auf den Fußboden gesetzt und dort umgehend gesagt bekommen, dass sie mich gerne engagieren wollen. Eine Woche später hatte ich schon den Vertrag im Briefkasten. Ich glaube, wenn Wagner diese Inszenierung, in der Eurythmie eine zentrale Rolle spielt, gesehen hätte, hätte er sie gut gefunden. Diese außergewöhnliche Produktion war totales Neuland und das lag mir, da ich sehr gerne etwas Neues ausprobiere. Die Kundry wurde in dieser Inszenierung als Hauptfigur inszeniert und das ist weiß Gott nicht selbstverständlich und ich bin für dieses Erlebnis sehr, sehr dankbar.

Du bist deutsch-schwedische Sopranistin, wohnst auf einer Schäreninsel in Stockholm und bist in Burg bei Magdeburg geboren. Wie viel Schwedin steckt in Dir und wie bist Du von Magdeburg nach Schweden gekommen? 

Ich bin schwedische Staatsbürgerin und meine Eltern sind beide Deutsche. Ausgewandert bin ich vor neunzehn Jahren und schon meine vor einiger Zeit verstorbene Oma behauptete immer, ich hätte skandinavische Gene. Tatsächlich stammt dieser Zweig der Familie aus Ostpreußen, bzw. davor aus Litauen. Auch für meine schwedischen Freunde und Kollegen bin ich eine von ihnen. Der Hauptgrund für die Auswanderung war der Gesang. Ich hatte hier in Deutschland studiert und merkte irgendwann als Sängerin, ich passe hier nicht rein. Ich wollte nach meinem Studium auf keinen Fall in diesen deutschen Opernbetrieb rein. Das Allerletzte, was ich damals singen wollte war Wagner. Ich wollte damals am liebsten nur Lied und Oratorium singen (lacht). Ich kam vom Chorgesang erst langsam zum solistischen Singen. Ich hätte zwei Mal die Gelegenheit gehabt, fest an ein Opernhaus zu kommen, wollte aber unbedingt freischaffend als Konzert- und Oratoriensängerin tätig sein. Das hat nicht wirklich funktioniert. Ich merkte damals, ich will hier nicht sein. Dann riet mir meine beste Freundin, ins Ausland zu gehen und schlug Schweden vor. Nach zwei Anläufen habe ich an der Stockholmer Musikhochschule eine Lehrerin gefunden, die mich zunächst privat unterrichtet hatte. Dort wehte ein ganz anderer Wind und ich fühlte mich viel besser als zuvor in der alten Heimat. Schließlich öffneten sich mir zum Glück alle Türen. Ich bekam einen Studienplatz, hatte sofort Arbeit im Rundfunkchor und erhielt Stipendien.

Schöpfst Du aus der skandinavischen Natur Kraft und Inspiration? 

Auf jeden Fall! Ich gehe sehr gerne in Lappland wandern. Schweden ist auch landschaftlich total mein Land. Ich habe in hier über Umwege zu Wagner gefunden. Dies geschah auch durch Christa Ludwig, die mir in Wien immer sagte „Du musst doch Wagner singen, Kind!“, aber wenn ich nicht nach Schweden gegangen wäre, hätte ich mich auf diesen Rat wohl niemals eingelassen. Ich reise regelmäßig nach Lappland und halte mich viel in der Natur auf. Als ich das erste mal dort oben alleine wandern war, kam nach einigen Tagen Marsch durch die Tundra zwischen Rentieren und mit einem 26-Kilo Rucksack auf dem Rücken die Überzeugung in mir auf, ich würde irgendwann mal ganz große Wagner-Rollen, wie Brünhilde und Isolde singen. Das war vor etwa acht Jahren und stimmlich war diese Entwicklung damals noch gar nicht ernsthaft absehbar.  

ivonne fuchs auf wanderung
Beim Wandern kam die Inspiration für die großen Wagner-Rollen

Vor einigen Jahren habe ich für den Merker ein Interview mit Erika Sunnegårdh geführt, die auch in Deinem Lebenslauf eine Rolle spielt.

Erika und ich haben uns bei einer Produktion kennengelernt, bei der sie gesungen hat und ich Cover für eine andere Rolle war. Ich habe ziemlich schnell bemerkt, dass sie von Technik sehr viel Ahnung hat und ich habe sie gebeten, mir ein paar Tipps zu geben. Wir singen nicht das selbe Repertoire, aber es gibt ein paar Überscheidungen, wie z. B. Fidelio. Dann haben wir unverbindlich angefangen und es hat gut mit uns geklappt. Sie hat sehr, sehr gute Ohren und arbeitet sehr professionell und so hat sich eine längere Zusammenarbeit ergeben. Dann kam die Pandemie, was für mich zwei Seiten hatte. Natürlich war ich wie alle anderen Künstler plötzlich ohne Auftrittsmöglichkeiten, aber andererseits hatte ich Zeit, ganz viel Unterricht zu nehmen und ganz viel zu üben und mit Erika an der technischen Umstellung zu arbeiten. Dafür war diese Zwangspause natürlich super. Ich habe in Wien noch einen weiteren Coach, den schon erwähnten Pianisten Daniel Sarge.

Es gibt von Dir zahlreiche Aufnahmen auf Tonträger.

Gerade ist meine neue CD „Tränen von gestern Abend“ herausgekommen, für die ich gemeinsam mit der Pianistin Anna Christensson Lieder von Weill und Korngold, sowie dem schwedischen Komponisten Thomas Jennefeldt aufgenommen habe. 

Davor habe ich mit der selben Pianistin eine CD in schwedischer Sprache herausgebracht. Anlässlich der Aufführung der Winterreise und zum Höhepunkt der Flüchtlingsströme aus Syrien ab 2015 hatten wir uns überlegt, jemanden zu beauftragen, etwas zur Winterreise Passendes zu komponieren. Dabei sollten die Themen ‚Flucht‘, ‚auf dem Weg sein‘, ‚nicht ankommen‘, ‚in fremde Gegenden gelangen‘ behandelt werden. Der eigentlich aus dem Genre Metal bekannte Musiker Svante Henryson hat für dieses Projekt 24 Gedichte (exakt so viele wie in Schuberts Winterreise) eines syrischen Poeten vertont. Dieser hat während der Gefangenschaft Gedichte auf Zigarettenpapier verfasst. Der so entstandene neue Liedzyklus ist Schubert-inspiriert, aber wenn man es nicht weiß, hört man es nicht auf Anhieb. In mir ticken auch schon wieder neue Ideen, was ich gerne als nächstes aufnehmen möchte. Neue künstlerische Projekte zu realisieren ist meine Nahrung, die mich antreibt. 

Hast Du Traumrollen?

Isolde, Elektra, Brünhilde. Ich möchte mir aber auch zukünftig meine Vielseitigkeit bewahren und nicht ausschließlich Strauss und Wagner singen.

Ist Oper heute noch zeitgemäß? 

Absolut. Oper ist eine Möglichkeit, durch die intensive Form des unmittelbaren musikalischen Ausdrucks Menschen in Kontakt zu ihren tiefsten Gefühlen zu bringen. Gefühle, mit denen man im Alltag ja nie in Berührung kommt. Und das gilt vor allem auch für Kinder, die Oper erleben. Deswegen ist Oper nicht nur zeitgemäß, sondern absolut notwendig.

Weitere Informationen zu Ivonne Fuchs und ihrem bisherigen Werdegang finden Sie auf der Seite www.ivonnefuchs.com

Marc Rohde im August 2023

 

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