IVAN OREŠČANIN Heute ein alter Mann, morgen ein schöner Prinz, übermorgen eine Frau oder was auch immer
Ivan Oreščanin an der Oper Graz in „Susannas Geheimnis“. Copyright: Werner Kmetitsch
Der Bariton Ivan Oreščanin zählt seit mittlerweile 11 Jahren zu einem fixen Bestandteil des Ensembles der Oper Graz. Als Sänger mit großer Freude am Schauspiel und als Meister der Verwandlung hat er an jedem Genre Freude und trat nicht nur in unzähligen Opern auf sondern auch in Operetten und Musicals, wo er immer wieder aufs Neue zeigt, dass er auch dort ein zweites und drittes Zuhause hat. Bei der Opernredoute konnte er seine Wandlungsfähigkeit sogar mit einem Popsong beweisen. Gerne widmet er sich auch dem Liedgesang, da es ihm dort möglich ist, auf subtilere Art und Weise Gefühle zu transportieren.
Der sympathische Mann mit dem strahlenden Lachen hat sich im März Zeit für ein Gespräch mit Konstanze Kaas für den MerkerOnline genommen und mit viel Elan seine Leidenschaft und nicht enden wollende Begeisterung für das Leben auf der Bühne, mit der Oper und als Sänger sowie Schauspieler aus tiefstem Herzen beschrieben.
Lieber Ivan, was war dein spannendstes Erlebnis auf der Bühne? Da zählt doch sicher eine gewisse Vorstellung von La Traviata dazu?
Ja, also interessant war das allemal, aber das spannendste? Ja, wahrscheinlich auch. Es war so, dass ein Kollege nicht zur Vorstellung aufgetaucht ist und man wusste nicht, was mit ihm los ist. Hinter der Bühne wurde es hektisch, es stand sogar die Absage der Vorstellung im Raum. Doch, ich habe mir zugetraut innerhalb von 20 Minuten diese Rolle zu lernen, was noch dazu eine Tenorpartie war. Es wurde eine Ansage gemacht und die Situation erklärt. Das Publikum musste dann kurz den Saal verlassen und mit etwas Verspätung ging es dann los. Genau kann ich mich aber nicht mehr daran erinnern, wie ich auf der Bühne gestanden bin. Ich war nur in dem Moment da und alles ist auf Autopilot gelaufen. Da war dann schon sehr viel Adrenalin in meinem Blut. Auch war die szenische Übertragung sehr unterhaltsam, denn in einer Szene musste ich dann daher sozusagen ein Selbstgespräch mit mir führen. Noch dazu war an diesem Abend meine Mutter aus Belgrad angereist um mich auf der Bühne zu sehen. Da sie kein Deutsch spricht, hat mir nicht das Lernen der Rolle die größten Sorgen bereitet, sondern dass sie die Ansage falsch verstehen könnte und daher dann Angst hat, dass mir etwas zugestoßen ist. Nachher hat sie mir dann erzählt, dass ihre Sitznachbarin ihr die Situation so erklärt hat: ”One guy got sick and another one is learning his role.” und meine Mutter hat dann gedacht, weil sie mich sehr gut kennt, dass derjenige, der die Rolle noch schnell einstudiert, nur ich sein könne.
Du hast ja im Laufe deiner Karriere schon viele große Rollen gesungen, von Papageno über Figaro bis zu Marcello war schon alles dabei. Hat sich dabei eine Lieblingsrolle herauskristallisiert?
Das ist eindeutig der Marcello für mich. Ich empfinde es, als hätte Puccini das genau für mich geschrieben. Jeder Ton sitzt genau dort, wo er sitzen soll, sowohl in meiner Kehle als auch in der Gesamtstruktur des Werkes. Papageno habe ich sicherlich schon über 40 Mal auf der Bühne dargestellt, das ist auch schön, aber wenn man mich fragt, dann wird meine Antwort immer Marcello sein.
Gibt es eine Rolle, die dir noch fehlt?
Auf jeden Fall möchte ich noch Onegin sowie Billy Budd singen. Beide sind eher die Antihelden und ich will auch mal anders spielen. Ich bin eher der Mensch, der immer ein Lächeln auf den Lippen hat. Mich empfinde ich als Darsteller, daher will ich nicht immer ich selbst auf der Bühne sein. Ich finde es verletzend, wenn man mir sagt, diese oder jene Rolle passt nicht zu mir, weil ich ein sonniges Gemüt habe. Das Reizvolle an meinem Beruf ist ja eben dieser Verwandlungsprozess, dass ich heute ein alter Mann, morgen ein junger Prinz und übermorgen eine Frau oder was auch immer sein kann, da sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt.
Deine neueste Rolle ist in der Kalmán Operette ”Die Zirkusprinzessin”. So wie es aus der Sicht des Publikums aussieht, hast du unglaublich viel Spaß als Prinz Sergius?
Absolut. In vielen anderen Inszenierungen wird Prinz Sergius ja als alter Trottel dargestellt und da hat es mich mal zuerst überrascht, dass man mich dafür gecastet hat. Aber, ich habe dann versucht, die Rolle mir zu eigen zu machen. Prinz Sergius muss einfach einen Kontrast zu Mister X darstellen, aber Alexander Geller und ich, wir sind beide groß, schlank, er sieht gut aus und ich bin auch kein Quasimodo, also muss man sich die Frage stellen, warum Fedora den Mister X will und nicht Prinz Sergius, der doch reich und adelig ist. Mein Ansatz war dann, dass er einfach keinen Humor hat, was sich auch in diesem charakteristisch hölzernen Lachen ausdrückt und auch daran, dass alle anderen um mich herum lachen, aber ich bleibe aber wie versteinert.
Hast du in Zukunft vor, mehr Operetten zu singen? Oder bleibst du der Oper treu?
Ich werde der Oper treu bleiben. Glücklicherweise bin ich mit schauspielerischem Talent gesegnet, glücklicherweise hatte ich immer tolle Lehrer, daher gibt es für mich kaum Einschränkungen. Ich liebe die Oper, aber ich kann dazwischen Operette machen, dann wieder Musical, da besonders gerne mal The Producers, aber auch Lied und auch mal einen Popsong mit Mikrophon singen. Die Abwechslung macht mir Spaß, aber in der Oper bin ich einfach zu Hause.
Im Herbst diesen Jahres hast du in der Kurzoper „Susannas Geheimnis“ von Ermanno Wolf-Ferrari einen eifersüchtigen Ehemann gegeben. Wie war die Arbeit mit diesem Werk für dich?
Es ist mir unverständlich, warum diese Oper eher selten gespielt wird. Sie hat eine witzige Geschichte, ist sehr kurzweilig und hat durchwegs schöne Melodien. Und es war einfach anders, auf diese Art und Weise zu spielen. Wir haben auf der Studiobühne gespielt, der Raum ist sehr viel kleiner als der Hauptsaal im Haus und noch dazu sind durch das Bühnenbild die Grenzen zwischen Bühne und Zuschauerraum verschwommen. Es fing ja schon mal damit an, dass wir Darsteller anfangs uns auch unters Publikum gemischt haben und uns an die Tische gesetzt haben. Die Musik begann dann recht unvermittelt und wir haben zu singen begonnen. Besonders spannend war für mich auch, dass man viel mit dem Publikum interagieren musste, das bedeutet, dass es jeden Abend dann etwas anders war. Man weiß ja nie, wen man anspricht oder ansingt, da bekommt man schon mal unterschiedliche Reaktionen.
Ein besonderes Projekt hattest du im April letzten Jahres: Du warst in Taiwan, wo du die Winterreise gesungen hast und dazu gab es klassischen Tanz.
Das war schon ein Erlebnis bei 30 Grad Außentemperatur im Rahmen des Tainan Arts Festival die Winterreise zu singen. Und natürlich war es aufregend, die Winterreise vor einem großen Publikum von 2000 Leuten zu singen. Zu dem Liederzyklus hat Allen Yu eine Choreographie erdacht, was auch sehr spannend war, in Europa sieht man Projekte, in denen Liedgesang mit Tanz verbunden wird, ja nicht zu oft. Ich war da auch in die Choreographie eingebunden und musste ebenso ein paar Tanzschritte mitmachen oder mal eine Tänzerin heben.
Was machst du, wenn du gerade nicht auf der Bühne stehst?
Ich bin sehr, sehr viel unterwegs. Meine zehnjährigen Zwillinge leben in Berlin und ich fahre mindestens alle zwei Wochen zu ihnen. Auch fahre ich oft nach Belgrad. Also, man könnte eigentlich sagen, wenn ich nicht auf der Bühne stehe, dann sitze ich im Auto.
Gelegenheit Ivan Oreščanin auf der Bühne zu sehen gibt es noch am 17. und 26. März, am 22. April sowie am 13. und 19. Mai als Prinz Sergius in Die Zirkusprinzessin und in der letzten Vorstellung von Roméo et Juliette als Paris am 19. März. Alles an der Oper Graz. Kommen Sie nach Graz!
Konstanze Kaas
MerkerOnline im März 2017