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ISTANBUL: INTERNATIONAL MUSIC FESTIVAL 2016

01.07.2016 | Konzert/Liederabende

ISTANBUL: INTERNATIONAL MUSIC FESTIVAL vom 20.- 24. 6.2016

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 Um ein Haar wären die Wiener Symphoniker ausgerottet worden wie einst die glorreiche Fußballmannschaft des AC Turin. Denn 48 Stunden vor dem entsetzlichen Attentat am Atatürk-Flughafen hat das Orchester noch beim renommierten Istanbul Music Festival gastiert. Die Götter der Musik hatten offenbar ein Einsehen.

Das Konzert selbst – im nicht besonders anheimelnden Kongresscenter Lütfi Kirdar – war jedenfalls ein uneingeschränkter, umjubelter, von vier (!) Zugaben gekrönter Erfolg. Was angesichts des dezidiert unpopulistischen Programms wirklich eine beachtliche Leistung ist. Denn der Wiener Klangkörper führte hier folgende, nun wirklich nicht hitparadenverdächtige Werke auf: Tschaikovskys Fantasie-Ouverture „Der Sturm“, Liszts Klavierkonzert Nr.2 und Dvoraks ebenfalls nicht extrem reißerische Symphonie Nr.7.

Der für Pablo Heras-Casado eingesprungene us-amerikanische Dirigent Robert Trevino hatte die Klangmassen in jedem Augenblick unter souveräner und energetischer Kontrolle.


Alice Sara Otto. Foto: Website Ott

Für besonderen Glanz sorgte die japanisch-deutsche Pianistin Alice Sara Ott, die in ihrem hellblauen Hosenanzug-Overall der Lisztschen Partitur – barfuss spielend ! – höchste elfenhafte Virtuosität angedeihen liess.

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Palais de France. Foto: Robert Quitta

Einen überaus prächtigen Spielort bot ein weiterer Abend des sich über einen Monat erstreckenden, von einer privaten Stiftung veranstalteten und sich über Sponsoren finanzierenden Festivals: das riesige, weitläufige, auf zwei Ebenen errichtete „Palais de France“(die ehemalige Französische Botschaft in Istanbul) mit seinen faszinierenden, noch dazu vom Vollmond bestrahlten romantischen Gärten.

Hier entbot einer der weltbesten Akkordeonisten, Richard Galliano, gemeinsam mit dem Gitaristen Sylvain Luc, eine Hommage an Edith Piaf. Bei aller Bewunderung für die Kunstfertigkeit der beiden stellten sich nach spätestens einer halben Stunde gewisse Ermüdungserscheinungen und vor allem verstörende Fragen nach dem Sinn des Ganzen ein. Allzu schmerzlich machte sich nämlich auf Dauer der Mangel an Stimme – nicht nur des Spatzes von Paris, sondern überhaupt – bemerkbar. Und auch der fundamentale Unterschied zum Strassenakkordeonisten, der einen später beim Abendessen mit „La Vie en Rose“ unterhielt, war letztlich nicht ganz auszumachen.

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Hagia Irene. Foto: Robert Quitta

Die perfekte Balance von Form und Inhalt, von Schönheit des Spielorts und Qualität der musikalischen Darbietung stellte hingegen das Gastspiel des Venice Baroque Orchestra unter Andrea Marcon und mit Patricia Petibon in der Hagia Irene dar. Der Glanz der barocken Arien von Vivaldi, Händel und Verracini vermählte sich in perfekter Weise mit der beeindruckenden Würde der uns(weil zwischendurch als Waffenlager benützten) nur mehr als Ruine erhaltenenen ältesten Basilica Konstantinopels. Denkwürdig.

 Robert Quitta, Istanbul

 

 

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