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ISTANBUL: 53. Istanbul Music Festival 11.-26. Juni 2025. Großes Interesse an klassischer Musik am Bosporus!

28.06.2025 | Konzert/Liederabende

ISTANBUL: 53. Istanbul Music Festival 11.-26. Juni 2025. Großes Interesse an klassischer Musik am Bosporus!

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Oper bei Nachtblau, die Oper in Üsküdar. Foto: Klaus Billand

Großes Interesse an klassischer Musik am Bosporus

Das Istanbul Music Festival ist das älteste klassische Musikfestival der Türkei und das erste Festival der Istanbuler Stiftung für Kultur und Kunst (IKSV). Es fand dieses Jahr vom 11. bis 26. Juni unter der Schirmherrschaft der Borusan Holding statt. Ich besuchte fünf Aufführungen vom 20. bis 24. Juni.

Das Festival bietet interessante Auftritte international bekannter Ensembles und Solisten aus aller Welt, Hommagen an die Musikkultur der Region und Genre-übergreifende Aufführungen. Zu den Höhepunkten des Festivals zählten dieses Jahr das NDR Elbphilharmonie Orchester, die Camerata Salzburg, die Geneva Camerata sowie die gefeierten Virtuosen Hélène Grimaud, Frank Peter Zimmermann und Rafał Blechacz.

Immerhin schon über ein halbes Jahrhundert ist das Istanbul Music Festival fester Bestandteil des klassischen Musikkalenders der Türkei. Mit namhaften Künstlern und seinem vielseitigen Programm zieht das Festival ein Publikum aller Couleur an. Das 53. Istanbul Music Festival bot grenzüberschreitende musikalische Reisen mit traditionellen türkischen, griechischen, iranischen und aserbaidschanischen Instrumenten und Melodien; erkundete Werke des Barock, der Romantik, der Klassik und der Gegenwart vom 17. bis zum 21. Jahrhundert. Und es bot interdisziplinäre Darbietungen, die klassische Musik mit Breakdance, Hip-Hop, Malerei und Theater verbinden. Das Programm umfasste außerdem Weltpremieren, spezielle Projekte zur Förderung junger Musiker, sowie kostenlose Konzerte und Workshops für Kinder in verschiedenen Parks der Stadt.

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Maestro Gilbert mit Orchester ist NDR Elbphilharmonie: Foto: Salih Üstündag

  1. Juni: NDR ELBPHILHARMONIE ORCHESTER & RAFAŁ BLECHACZ

Das zweite Konzert des NDR Elbphilharmonie Orchesters und seines Grammy-prämierten Chefdirigenten Alan Gilbert präsentierte den Pianisten Rafał Blechacz, der als der größte Chopin-Interpret seiner Generation gilt. Der mit dem Gilmore Award ausgezeichnete Blechacz interpretierte das
Klavierkonzert Nr. 1 in e-moll, op. 11 von Frédéric Chopin mit bestechender Perfektion und facettenreicher Dynamik im 1. Satz Allegro maestoso risoluto, im 2. Satz Romanze. Larghetto mit verinnerlichter, feiner Romantik, und im 3. Satz Rondo. Vivace mit beschwingten, bisweilen verspielt wirkenden Klängen. Er erhielt vom Publikum der fast ausverkauften Türk Telekom Opera Hall des Atatürk Cultural Center begeisterten Applaus und gab eine Zugabe.

Nach der Pause spielte das Elbphilharmonie-Orchester die 1. Symphonie Nr. 1 c-Moll op. 68 von Johannes Brahms. Wie schon im Klavierkonzert von Chopin begeisterte das Orchester unter der engagierten Stabführung von Alan Gilbert das türkische Publikum und machte diesen Abend wohl zu einem der bedeutendsten dieses 53. Festivals.

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Mädchengruppe Women Stars of Tomorrow, Foto: Onur Caglar Cakin

  1. Juni: Weibliche Stars von Morgen

Das spezielle Projekt zur Förderung junger Musikerinnen ist dank der Festival-Anhänger und des Sponsors TSKB, dem Bildungsförderungsfonds, ein Erfolg in der türkischen Klassikszene. 14 junge Musikerinnen im Alter von etwa 15 bis 25 Jahren präsentierten sich, meist zu zweit, mit jeweils zwei Nummern mit ihren Instrumenten und offenbarten zu großen Teilen beachtliches Talent und hohe musikalische Qualität. Unter den Instrumenten waren Violine, Bratsche, Cello, Kontrabass, Flöte, Klarinette, Horn, Gitarre, Harfe und Klavier, auch doppelhändig. Am meisten überzeugten Birce Kayhan an der Klarinette sowie Carmen Dilara Bagis und Zeynep Özden am Flügel. Das Konzert fand im Süreyya-Opernhaus der Stadt Kadıköy auf der asiatischen Seite statt, also per Schiff über den Bosporus hinüber. Dies ist ein schmuckes kleines altes Opernhaus mit etwa 540 Plätzen, in der Oper gespielt wurde, als das große Atatürk Cultural Center am Taksim-Platz noch nicht fertig war.

 Juni: Cuarteto SolTango & Leonel Capitano 22. Juni

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Sänger mit Mikro SolTango, Foto: Mete Kaan Özdilek

Das Cuarteto SolTango, weltweit bekannt für die Kombination des wunderbaren Klangs der traditionellen Orquesta Típica mit dem eines klassischen Quartetts, und der berühmte Tangosänger Leonel Capitano präsentierten ihr Albumprojekt Poesia und würdigten damit die argentinischen Dichter, die die Texte einiger der schönsten Lieder des Goldenen Zeitalters des Tangos verfassten. Darunter war auch die Tango-Gattung Milonga, heute noch sehr populär in Buenos Aires, sowie die Tangos „Vieja Recova“ und „En Carne Propia“. Der Tenor Leonel Capitano sang dazu hervorragend, und das Ensemble auf der Panoramaterrasse des Hotels Grand Tarabya weit oben am Bosporus – schon näher am Schwarzen Meer als an Istanbul – erhielt vom begeisterten Publikum großen Applaus mit mehreren Zugaben.

  1. Juni: „Strings in Love“

„Strings in Love“, von Coşkun Karademir wurde speziell für das Festival konzipiert. Das Quartett nutzt den polyphonen Reichtum und die klanglichen Ähnlichkeiten der alten Saiteninstrumente Irans, Aserbaidschans und der Türkei, um eine magische, grenzüberschreitende musikalische Reise zu schaffen. Es waren in der Tat für einen Westeuropäer ganz ungewohnte Klängen, die da von ebenfalls (bis auf ein Cello) noch nie gesehenen Instrumenten zu hören waren. Die Gruppe spielte höchst engagiert, und das Publikum ging entsprechend mit. Das also ganz besondere Konzert fand auf der Fıstıklı-Terrasse des ebenfalls am oberen Bosporus idyllisch gelegenen Sakıp Sabancı Museums statt, einem historischen Herrenhaus mit Blick auf das Gewässer und die vorbeifahrenden Schiffe.

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222 222Pantomime von Caravaggio & Monteverdi, Foto: Salih Üstündag

  1. Juni: Caravaggio und Monteverdi
    Das war ein innovatives Konzerterlebnis der ganz besonderen Art! In der restlos ausverkauften Cemal Reşit Rey Konzerthalle stellten drei Schauspieler des Teatri 35 berühmte Gemälde von Caravaggio mit großer Genauigkeit nach, während die Gruppe La Venexiana in perfekter Abstimmung mit bekannten Werken von Claudio Monteverdi den musikalisch-atmosphärischen Raum schaffte. Emanuela Galli und Agnese Allegra ließen klangvolle Sopranstimmen hören, und Giacomo Schiavo sang einige Soli mit seinem Tenor. Gabriele Palomba war Dirigent und spielte selbst die Theorbe. Dario Carpanese saß am Harpsichord. Es war bewundernswert, wie Antonella Parrella, Gaetano Coccia und Francesco Ottavio de Santis aus den Unmengen von meist roten und weißen Tüchern, die scheinbar ungeordnet auf der Bühne lagen, in Windeseile immer jene fanden und umlegten, die für das nächste Bild Caravaggios gefragt waren. Ein ganz außergewöhnlicher und sinnlicher Abend!

Die fünf Aufführungen des 53. Istanbul Music Festivals gaben einen interessanten Einblick in das Musikleben dieser riesigen Metropole mit fast 16 Millionen Einwohnern und auch in das Interesse an Musik aus ganz anderen Kulturkreisen. Besonders erfreulich war, wie viele junge Menschen in den Aufführungen waren, manchmal über die Hälfte des Publikums! Sie machen große Hoffnung, dass die westliche klassische Musik am Bosporus auch weiterhin auf ein solches Interesse stoßen wird. Mustafa Kemal Atatürk, der „Vater der Türken“ und erster türkischer Präsident, hatte sie in den 1920er Jahren, um das Land nach westlichem Vorbild zu modernisieren, ja selbst in die Türkei geholt, wobei Paul Hindemith ab 1935 musikalisch und institutionell, u.a. mit der Gründung des ersten Konservatoriums, maßgeblich mitwirkte.

 

Klaus Billand

 

 

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