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ISMAEL IVO (1955 – 2021): eine Ikone des Modern Dance für die Wiener Szene 

19.04.2021 | Ballett/Performance

ISMAEL IVO (1955 – 2021): eine Ikone des Modern Dance für die Wiener Szene 

Er ist als Mitbegründer die große Stütze für Karl Regensburger und dessen Team gewesen, als 1984 die ersten Schritte zur alljährlichen Veranstaltungsreihe ‚Internationale Tanzwochen Wien‘ gesetzt worden sind. Seit 1988 als ImPulsTanz – Vienna International Dance Festival geführt, hat sich diese mutige Initiative durch ein zielgerichtetes Management zu einer Großveranstaltung entwickelt. Ismael Ivo ist so etwas wie eine Ikone für die Wiener Tanzsszene geworden und hier in künstlerischer Beratungsfunktion aktiv geblieben. Zuletzt ist er 2019 mit Workshops wie mit der vom ihm geleiteten Compagnie des Balé da Cidade de São Paulo (das vitale Erfolgsstück „Um Jeito de Corpo“ in der Choreografie von Morena Nascimento) zu Gast von ImPulsTanz gewesen.

Der 1955 in São Paulo geborene Tänzer ist als eine sensible, wohl auch etwas scheue, dabei stets freundliche und aufnahmebereite  Persönlichkeit aufgetreten. Elegant in seinem Habitus, doch nie als ein Star – wurde aber von seinen Wiener Freunden als ein solcher verehrt. Aus ärmlichen Verhältnissen kommend und mit früher Ausbildung in seiner Heimatstadt war es ihm gegeben, ein erfolgreiches Tänzerleben in Amerika wie in Europa zu führen. Es war ein Glücksfall für ihn: Als Achtundzwanzigjähriger wurde er vom afroamerikanischen Choreografie-Genie Alvin Ailey zu dessen American Dance Theater in New York geholt und reifen lassen. Und der japanischen Butoh-Tänzer Ushio Amagatsu hatte später den prägnanten solitären Stil für Ismael Ivos Auftritte und zahlreichen eigenen Choreografien – solistisch oft, kleine Formationen, kompromisslos erdacht – mitgeprägt. Es ist sein zur Schau gestellter dunkler Körper gewesen, perfekt gebaut, der immer wieder an die edlen männlichen Statuen der italienischen Bildhauer der Renaissance hat erinnern lassen. Auch die Strenge in der Darstellung war ihm gegeben. Dazu vermochte er mit seiner inneren Leidenschaft wie kraftvoller expressiver Aussagekraft eine starke Wirkung auf die damaligen Tanztheater-Apostel in Europa auszuüben.

Johann Kresnik, Heiner Müller, George Tabori, Marina Abramović sind ihm nahe gestanden. Auch führende Funktionen wurden ihm anvertraut: Von 1997 bis 2000 ist er Chefchoreograf am Nationaltheater Weimar gewesen. Er betreute die Tanz-Sektion der Biennale di Venezia und das International Festival of Contemporary Dance in Venedig (2005 bis 2012). Um professionelle Ausbildungsprogramme bemühte gründet er dort im Rahmen der Biennale das Contemporary Dance Research Center Arsenale della Danza. Als ‚Bibloteca do Corpo‘ war dieses pädagogische Projekt von 2013 bis 2017 auch in Wien und São Paulo mitzuverfolgen. Schließlich leitetet er ab 2017 als Co-Direktor das Theatro Municipal de São Paulo mit dessen bereits erwähnter fulminanten Tanzkompanie Balé da Cidade de São Paulo.

Als Pädagoge von ImPulsTanz sowie auch kurz als Gastprofessor am Max-Reinhardt-Seminar in Wien wurde ihm eine exzellente didaktische Arbeit nachgesagt: Er konnte die Jugendlichen motivieren, hat sie auf neue stilistische Möglichkeiten aufmerksam gemacht. Dafür wurden ihm das Goldene Ehrenzeichen für Verdienste um das Land Wien sowie das Österreichische Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst verliehen. Zwei Schlaganfällen hatten 2020 seinen Elan und seine  Arbeitskraft beeinträchtigt. Ismael Ivo ist am 8. April 2021 im Alter von 66 Jahren in São Paulo an einer Covid-19-Erkrankung verstorben.

Meinhard Rüdenauer

 

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