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Interviews zur Premiere des Wiener Staatsballetts BALANCHINE/ PROIETTO/LIANG (Natascha Mair, Nina Tonoli)

27.10.2016 | Tänzer

Zur Premiere des Wiener Staatsballetts BALANCHINE/ PROIETTO/LIANG am 1. November: EIN  FIXSTERN  UND  ZWEI  LICHTGESTALTEN

Der Name George Balanchine steht am Beginn des neuen dreiteiligen Programms des Wiener Staatsballett. Balanchine: Ein Choreographenname, der als Fixstern in die Geschichte des Tanzes eingegangen ist, wie Petipa, Nijinskij, Fokin, Taglioni …. Als großer Innovator in der ersten Hälfte, der Mitte des 20. Jahrhunderts, der aus strenger klassischer Tradition kommend mit Stilgefühl, mit immenser Musikalität und formaler Sicherheit harmonisch kristallklare moderne Tanzschöpfungen zu kreieren verstand. Seine „Symphonie in C“ (1947 als „Palais de Cristal“ in Paris uraufgeführt; auch schon in früheren Jahren vom Wiener Opernballett einstudiert) ist, von der brillanten Musik dieses Jugendwerkes von Georges Bizet getragen, purer Tanz und als ein zeitloses Meisterwerk des handlungslosen Balletts zu bewundern.

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Edwaard Liang. Copyright: Leica Chung Kai

Diesem Klassiker des vorigen Jahrhunderts folgen, im Vergleich damals zu heute, ebenfalls von abstrahierender Phantasie geprägte neue Stücke zweier international gefragter jüngerer Choreographen. Edwaard Liang schuf sein „Murmuration“ auf Musik von Ezio Bosso 2013 für das Houston Ballet.  Und „Blanc“ von Daniel Proietto (Orchester- wie Klaviermusik von Frédéric Chopin und Mikael Karlsson) ist als Uraufführung ein Auftragswerk der Staatsoper. Beide Choreographen haben Karrieren als famose Tänzer gemacht, wurden mit internationalen Awards ausgezeichnet, und sie sind nun auch mit ihren Tanzkreationen gefragt.

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Daniel Proietto. Copyright: Ashley Taylor/ Wiener Staatsballett

Eine frische junge Persönlichkeit, in Argentinien geboren, zur Zeit im norwegischen Bergen zuhause, ist Daniel Proietto. Lächelnd und mit offener Meinung geht er beim Einstudieren auf seine von ihm ausgewählten Tänzer zu, wünscht, dass sie ihre eigenen Ansichten zum vorgegebenen Sujet einbringen. Halt, Tänzer? „Blanc“ ist ein überwiegend sanft-melancholisches Stück mit großem Ensemble, in dem zwar mehrere suchende Poeten im Mittelpunkt stehen, doch nicht die Herren, sondern die Damen den Ton angeben. Und so denkt Proietto über seine modernen Sylphiden: „Sie tanzen auf hohem Niveau, wirken wie ein Kollektiv, sie wünschen Feedback, haben ihr eigene Meinung, lieben kreativ zu sein“. Nun, das klingt schon sehr positiv aus dem Mund eines sensiblen Tanzschöpfers.

Auch mit filmischen Effekten, mit Video auf der Bühne, mit von einem Schauspieler rezitierten poetischen Texten zielt Proietto in „Blanc“ darauf hin, die pure Substanz des romantischen Balletts zu deuten, sie aus heutiger Sicht verständlich zu machen. Sieht seine Intention auch als Huldigung an das ‚weiße Ballett‘ des 19. Jahrhunderts an. Der feinfühlig denkende Proietto: „Heute ist eine Zeit neuer Informationen. Öffnen wir die Augen und versuchen alles und alles zu integrieren. Dabei müssen wir aber auch die Konventionen brechen. Und es soll alles natürlich sein, natürlich wirken. Ja, vielleicht wir kommen wieder in eine romantische Ära.“

Eine etwas härtere Tonart schlägt Edwaard Liang an. In Taipei geboren, exBroadway-Star, eher unkonventionell unterwegs und zur Zeit mit dem The Columbus Ballet/Ohio verbunden sowie als Choreograph völlig ausgelastet, ist gerade in Wien eingetroffen. Seine erste Probe mit den „Murmuration“-vorstudierten Tänzern hat er hinter sich – und diese kann er nur loben. Zwar: „Ich bin ihnen ja gerade erst begegnet …. “ Doch ruhig überlegend: „Sie sind wunderschön trainiert. Sie können sich wirklich bewegen, sind auf fließende Körperbeherrschung eingestellt, für jeden Choreographen passend. Sie sind hungrig zu tanzen.“ Und Edwaard Liangs erfolgreiche Laufbahn als Tänzer? „Ich konnte gut springen, ich war ein sicherer Partner. Und ich bin stets einen Weg etwas abseits des Normalen gegangen“. An eine Karriere als Choreograph hatte er nie gedacht. Es ist so gekommen. Seine Beziehung zu den Mitgliedern seiner Columbus-Kompanie? „Am wichtigsten ist …. Vertrauen. Und jedes neue Stück hat eine neue Story. Man muss verstehen, den Tänzern die besten Erklärungen zu geben, um den richtigen Ausdruck zu erarbeiten. Lass sie ihre eigenen expressiven Gefühle finden!“

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Probenfoto: Ketevan Papava, Eno Peci. Copyright: Ashley Taylor / Wiener Staatsballett

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Ensemble. Copyright: Ashley Taylor/ Wiener Staatsballett

Somit – keine gute Choreographie ohne freudig mitgehende Tänzer. Wie sprechen, denken zwei blutjunge feinsinnige Ballerinen der Kompanie über ihre solistischen Aufgaben und die Arbeit mit den choreographierenden Gästen? Natascha Mair und Nina Tonoli zeigen sich glücklich über die drei Stücke des Abends. Gemeinsam: „Wir haben viele Stunden zu arbeiten, und dabei ist es fein, sich mit unterschiedlichen Stücken zu beschäftigen.“ Die Worte der beiden klingen schwärmerisch: „Es ist toll mit neuen Leuten zu arbeiten, Erfahrungen zu sammeln. Wir sind Teil des Schaffensprozesses.“ Mair zu Proietto: „Er gibt uns viel Freiheiten, achtet aufmerksam, findet lyrische Stimmungen …. und bis zur Premiere kann sich in der Choregraphie vielleicht auch noch einiges ändern.“ Sie und Tonoli: „Es ist gut zu lernen, wie sich Stücke entwickeln. Wir lernen aus dem Erfahrungsprozess.“

Meinhard Rüdenauer

 

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