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INNSBRUCK/ Tiroler Landestheater: THE FALL OF THE HOUSE OF USHER. Premiere

Grauen, Gruseln, Gänsehaut

11.11.2018 | Oper


Dinner bei Ushers. Copyright: Rupert Larl

Innsbruck: Tiroler Landestheater – Kammerspiele „THE FALL OF THE HOUSE OF USHER“(Pr. 10.11.2018) – Grauen, Gruseln, Gänsehaut

Nun hält das Grauen Einzug in die Kammerspiele des TLT. Philip Glass‘ 1987 uraufgeführte Oper „The fall of the house of Usher“ nach Edgar Allan Poe’s gleichnamiger „Shortstory“, die von Inzest, Wahnsinn und Tod im Hause der adeligen englischen Familie Usher handelt, beeindruckte das Premierenpublikum nachhaltig. Eine enorm dichte, spannende Regie (Johannes Reitmeier), die atmosphärisch düstere Bühnengestaltung von Michael D. Zimmermann, Markus Braunhofers prächtige, zeitgemässe Kostüme, das (anfänglich zu laut aufspielende) sich mit dem typischen Glass-Stil erstaunlich vertraut gebende Tiroler Symphonieorchester Innsbruck, von Seokwon Hong souverän geleitet, sowie vor allem das großartige Sängerdarstellerquartett sorgten für atemlose Spannung während und grenzenlose Begeisterung am Ende der Vorstellung.

Obwohl Philip Glass ein gewisser Bezug zu Tirol nachgesagt wird (u. a. durch sein herrliches Konzert für Klavier und Orchester, genannt „Tyrol Concert“, sowie die heurige Anwesenheit des Komponisten Ende Mai in der „Swarovski Kristallwelt“ anlässlich einer Konzertreihe im „Riesen“) wurde am TLT bis dato noch nie eine Oper dieses bedeutendsten zeitgenössischen amerikanischen Tonsetzers, der seine Tonsprache als „Musik mit repitiven Mustern“ bezeichnet, aufgeführt. Und der bekannte Regisseur Peter Sellars meinte einmal: “ Bei Philip Glass ist es ein wenig wie bei einer Zugfahrt quer durch Amerika. Wenn Sie aus dem Fenster schaut, scheint sich stundenlang nichts zu verändern, doch wenn Sie genauer hinschauen, bermerken Sie, dass sich die Landschaft sehr wohl verändert – langsam, fast unmerklich.“ Welch eine trefflliche Beschreibung!

Dank der fabelhaften Bühnentechnik der neuen Zweitspielstätte des TLT im Tiroler Prestigekulturbau, dem „Haus für Musik“, konnte der 90minütige Gruselschocker mit den sich häufig wechselnden Schauplätzen perfekt in Szene gesetzt werden. Worum geht‘ s bei Ushers?? Der letzte Abkömmling der altenglischen Adelsfamilie Usher, Roderick (Jon Jurgens) bittet seinen Jugendfreund William (Alec Avedissian), ihn zu besuchen. Dieser findet Roderick verwirrt, von Wahnvorstellungen geplagt, physisch und psychisch am Ende, an. Stets spricht er von seiner Zwillingsschwester Madeline (Anna-Maria Kalesidis), von deren Existenz jedoch William noch nie etwas gehört hat. Er wird in einen Sog unerklärlicher Ereignisse hineingezogen und endet im Wahnsinn.


Die Begräbnis-Szene. Copyright: Rupert Larl

Für den Regisseur muss es ein Vergnügen gewesen sein, mit einem derart engagierten, alles gebendem Team dieses doch emotional sehr fordernde Stück erarbeitet zu haben. Wie Dale Albright in der eher kleinen, aber wichtigen Rolle als alter Diener agiert, ist ein Kabinettstück der Extraklasse. Jon Jurgens spielte und sang den von Wahnvorstellungen heimgesuchten Adelsspross mit größtem stimmlichem wie körperlichem Einsatz, sollte aber künftig die häufigen Stöhn- und Ächzlaute etwas drosseln. Anna-Maria Kalesidis sang die z. T. exponierten Vokalisen der geheimnisvollen Madeline hervorragend, hätte aber von der ansonsten raffinierten Lichtregie (Michael Reinisch) in mystischere Farben eingetaucht werden können. Als herbeigerufener Freund begeisterte Alec Avedissian mit seinem samtenen Edelbariton und seinem glaubwürdigen Rollenportrait. Wie er als mitfühlender junger Mann das Grauen, das ihn umgibt, in sich nach und nach aufnimmt und dann dem Irrsinn verfällt, wurde beklemmend verkörpert.

Ganz große Begeisterung im Saal. Zukünftig volle Häuser braucht man dem TLT nicht wünschen, noch vor der Premiere waren alle Folgevorstellungen ausgebucht. Gratulation!

Dietmar Plattner

PS: das neue „Kleine Haus“ des TLT spielt wirklich alle Stückeln. Tolle Akustik, sehr guter Sitzkomfort – aber warum wurden die Reihen 2 – 5 abschüssig (!) und nicht ansteigend konzipiert?

 

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