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INNSBRUCK/ Tiroler Landestheater: RIGOLETTO – Premiere

09.02.2020 | Oper


Svetlana Moskalenko (Gilda), Kril Manolov (Rigoletto). Foto: Rupert Larl (Tiroler Landestheater

Innsbruck: „RIGOLETTO“ – 8.2. 2020 Premiere – stimmungsvoll

 Giuseppe Verdis „Rigoletto“ ist bekanntermaßen ein hochpolitischer Stoff und hatte zur Zeit seiner Uraufführung (1851) massive Zensurprobleme, ebenso wie schon 19 Jahre zuvor die bühnendramatische Vorlage „Le roi s’amuse“ von Victor Hugo in Paris. Was man damals als Kritik am Absolutismus und staatsgefährdenden Affront gegenüber der Obrigkeit auffasste, besitzt heute noch gewissermaßen Aktualität: Es geht um strukturelle Gewaltausübung – hier des Herzogs von Mantua – insbesondere gegenüber Frauen. In Tirol denkt man unweigerlich an die erst vor kurzem beendeten neoabsolutistischen Zustände bei den Tiroler Festspielen Erl unter dem Ex-Intendanten Kuhn.

In Dale Albrights formen- und farbenreicher Inszenierung ist der Aspekt der sexuellen Ausbeutung zwar latent vorhanden und wird gelegentlich markant unterstrichen – etwa wenn der Herzog seine Arie „La donna è mobile“ vor einem reglos liegenden und mit dem Dolch bedrohten weiblichen Körper singt –, doch überlagert er nicht das Geschehen. Im Mittelpunkt steht die Handlung, steht auch die Musik, und die Tragödie entwickelt sich auf einer teils gerüsthaften, betont reduktionistischen Bühne von Heinz Hauser, deren Drehmechanismen aber flüssige Szenenwechsel und vor allem perspektivische Veränderungen zulassen. Der Eindruck von Opulenz entsteht durch die stimmungsfördernden Farbtöne im Hintergrund und die zwar historisierenden, jedoch fantasievollen und teils grotesken Kostüme von Gera Graf.

Die Besetzung ist zweifellos erstklassig. Svetlana Moskalenko präsentiert sich als eine in jeder Phase überragende Gilda, nicht nur dank ihrer wendigen, schlank in höchste Höhen strahlenden Stimme und technischen Souveränität auch in schwierigsten Koloraturpassagen, sondern vor allem durch ihre Fähigkeit, die vielen Nuancen und Schattierungen ihrer Rolle auszugestalten. Ihr Gesang besitzt Charisma und beim Vortrag ihrer Glanznummer „Caro nome“ hätte man eine Stecknadel fallen gehört, so packend, so atmosphärisch dicht verkörperte sie in diesem Moment die unschuldig liebende Gilda. Als passendes Pendant erwies sich der mexikanische Tenor Fabián Lara als Herzog von Mantua, elegant in der Stimmführung, vital und mit der interessanten Neigung, bei Spitzentönen das Tonhöhenniveau nochmals mit Dynamik hinaufzutreiben. Lara spielt seine Rolle so authentisch, dass man ihm ebenso auf den Leim gehen würde wie etwa die Gräfin von Ceprano oder Maddalena, beide überzeugend dargestellt von Clarissa Toti bzw. Camilla Lehmeier.


Kiril Manolov (Rigoletto), Fabián Lara (Herzog). Foto: Rupert Larl/ Tiroler Landestheater

Ausschlaggebend für den großen Erfolg des Premierenabends aber war Kiril Manolov als Rigoletto, ein äußerst versierter Bariton, der das Spektrum seiner Rolle mit größter Präsenz auslotet und ihre Gegensätze schlüssig und inspirierend zusammenführt. Manolov ist nicht nur optisch ein gestandenes Mannsbild, sondern auch musikalisch ein echter Typ. Unter den zahlreichen Nebenrollen beeindruckte mit seiner unerschütterlichen Tiefe und schauspielerischem Können Johannes Maria Wimmer als Sparafucile, aber auch Unnstein Árnason als Graf von Monterone oder Alec Avedissian als Marullo bereicherten das Ensemble. Ebenso erfreulich die pointierten Auftritte der Herren des Chores und Extrachores des Tiroler Landestheaters – und nicht zuletzt die Leistung des Tiroler Symphonieorchesters Innsbruck unter Seokwon Hong. Das Orchester bewältigte den Spagat zwischen den zahlreichen kammermusikalischen Arrangements und der vorgegebenen orchestralen Fülle sehr gekonnt, nach der Pause in punkto Dynamikabstimmung und Zusammenspiel mit den singenden Akteur(inn)en sogar noch besser als im ersten Akt.

Kritisch anzumerken bleibt, dass die Inszenierung im gestischen Bereich Elemente enthält, die eher Verwirrung stiften. Die Einführung der stummen Rolle der „Herzogin“, die mit rot leuchtendem, ovalem Rahmen vor dem Kopf vorwurfsvoll ihrem untreuen Ehemann nachgeistert, bringt ebenso wenig Erkenntnisgewinn wie der stumme Kardinal und manche verspielte Tändelei und buffoneske Verrenkung der durch ihre Kostüme ohnehin schon überbordend bildhaften Hofgesellschaft. Weshalb Rigoletto, der Herzog und sogar Sparafucile Kreuze (bzw. letzterer einen kreuzförmigen Dolch) um den Hals tragen müssen und manche Höflinge so gekleidet sind, dass man nicht weiß, ob man sie für Geistliche oder Gangster halten soll, erschließt sich dem Berichterstatter beim besten Willen nicht. All dies trübt aber nicht den Gesamteindruck einer insgesamt stimmigen und vor allem stimmungsvollen Produktion.

Thomas Nußbaumer

 

 

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