Nadia Krasteva als „Dalila“. Foto: Rupert Larl
Innsbruck: „SAMSON ET DALILA“ – 21.12. 2019 (Premiere) – fulminant!
Nach der für die hiesigen Opernfreunde langen Durststrecke (in den ersten zehn Wochen der Saison 2019/20 gab es lediglich Reprisen der „Don Giovanni“-Produktion aus der vorangegangenen Spielzeit) geht es nun, zum Jahresende, Schlag auf Schlag mit Opern-Volltreffern. Nach der fabelhaften szenischen wie musikalischen Umsetzung von Puccinis „Il trittico“ Ende November folgte drei Wochen später eine ebenso begeisternde konzertante Premiere von Camille Saint-Saens einzigem Opernwelterfolg.
Der französische Pianist, Dirigent, Musikwissenschaftler und Komponist (1835 – 1921) galt bereits in seiner Kindheit als Ausnahmetalent und wurde von seiner Umwelt als „neuer Mozart“ bezeichnet. Starken Einfluss auf seinen Komponierstil übten sein Lehrer Jacques F. Halévy sowie der ihm auch immer wieder beratend und kollegial zur Seite stehende Franz Liszt. Mit geradezu verblüffender Leichtigkeit schrieb Saint-Saens Werke in allen musikalischen Genres, am meisten geschätzt wurden und werden bis heute seine Klavierkonzerte, einiges aus dem Sektor Kammermusik, sein „Karneval der Tiere“ sowie sein zweites Bühnenwerk (von 13), „Samson et Dalila“.
Ursprünglich (1859) als Oratorium konzipiert, überzeugte ihn der Librettist Ferdinand Lemaire, dass das Sujet doch eher zur Oper tendiert. Erst in der Zeit von 1868 – 1877 nahm das Werk endgültige Formen an, beginnend mit dem 2. Akt, welcher im privaten Kreis auch aufgeführt wurde, dann mit den Eckakten. Der Komponist rechnete fest mit der Uraufführung an der Pariser Oper, diese lehnte aber ab und dank Liszts Unterstützung fand diese dann, allerdings in deutscher Sprache, am Hoftheater von Weimar statt (2.12.1877). Trotz des großen Erfolges in Deutschland nahm Saint-Saens Änderungen und Erweiterungen an der Partitur vor. 1890 erfolgte die französische Erstaufführung in Rouen, Paris zog dann 1892 nach. Seitdem zählt die einzige (!) musikalisch bedeutende Bühnenversion des altbiblischen Sujets zum Standardwerk des internationalen Opernbetriebes.
Dramatische Mezzosopranistinnen (oder noch besser: Altistinnen, wegen der geforderten Tiefen) sowie ein zu heldischen Aufschwüngen befähigter Tenor finden in den Titelrollen dankbare Aufgaben vor. Das TLT ließ sich nicht lumpen und engagierte dafür zwei Sänger der Extraklasse. Eine bessere Dalila als die an vielen großen Häusern geschätzten Nadia Krasteva ist kaum denkbar. Ein Bild von einer sinnlichen Frau, ausgestattet mit einer wunderbar timbrierten, bruchlos geführten Stimme voll von lodernder Erotik und bronzefarbener, substanzvoller Tiefe. Wie sehr sie in dieser Rolle verwurzelt ist konnte man an ihrem reichen Gestenvokabular ablesen. Auf gleicher Augenhöhe begegnet ihr der in Innsbruck besonders beliebte (unvergessen sein Enzo, sein Adorno) St. Petersburger Tenor Viktor Antipenko. Mit reizvollem Tenorstrahl, dem es nur ein bisschen an Nuancierung mangelt, bewältigt er die kräftezehrende Rolle des Samson mühelos. Wenn er mit Dalila-Krasteva im spannungsgeladenen 2. Akt so richtig loslegt, muss das zwangsläufig zu einer Beifallsexplosion am Aktschluss führen. Was für ein superbes Paar!
Als Oberpriester des Dagon stachelte der noch sehr junge russische Bariton Ivan Krutikov mit ausladender, beinahe tenoraler Höhen angehende Stimme Dalila zur Vernichtung Samsons an. Dem jungen Hausbassisten Unnstein Arnason (Abimelech) war leider nur ein kurzes Bühnenleben im 1. Akt beschieden. Die erfreulich wohlklingenden Chorsolisten Esewu Nobela (Kriegsbote), Junghwan Lee (1. Philister), Julien Horbatuk (2. Philister) sowie Jerzy Kasprzak (alter Hebräer) rundeten das hochkarätige Ensemble ab.
Kerem Hasan. Foto: Rupert Larl
In prächtiger Form präsentierten sich Chor und Extrachor des TLT, der vom Chordirektor des Hauses, Michel Roberge, vortrefflich auf seine umfangreiche Aufgabe bereitet wurde. Der seit dieser Saison dem Tiroler Symphonieorchester Innsbruck als Chefdirigent vorstehende Kerem Hasan krönte den Abend mit einer herausragenden orchestralen Leistung. Nach seinem durchschlagenden Innsbrucker Konzertdebüt im November 2017 war man auf sein Dirigat als Operndirigent gespannt. Es war höchst beeindruckend, wie Hasan das TSOI zu Höchstleistungen (Bläser-Solisten!) zu motivieren verstand und Saint-Saens farbige Partitur zum Erklingen brachte. Dem oratorienhaften 1. Akt setzte er einen vor Erotik glühenden 2. Akt gegenüber. Herrlich die Wiedergabe des etwas plakativ mit exotischen Klängen angereicherten, aber äußerst effektvollen Bacchanale im 3. Akt.
Große Begeisterung am Ende der Vorstellung für einen Abend großstädtischen Zuschnitts.
Dietmar Plattner
PS: Ein Lob gilt es auch dem äusserst gut aufbereiteten Programmheft (viel Infos zu Werk und Komponisten, viel Bildmaterial aus allen Epochen zum Thema „Samson und Dalila“ in der bildenden Kunst).