Innsbruck
„ORPHÉE ET EURIDICE“ 20.10.2017 – Bündelung aller Bühnen-Komponenten
Aco Aleksander Biscevic (Orphée) in der Hölle mit Chor und Tanzcompagnie (Furien). Copyright: Rupert Larl
Die Erschließung von Welt-Literatur für den Tanz gehört zu den zentralen Anliegen von Enrique Gasa Valga, dem seit 2009 die Leitung der Tanzcompagnie des Tiroler Landestheaters obliegt. Bevor das neueste Projekt „Macbeth“ zur Uraufführung gelangt, wurde jetzt die sich seit Mai im Spielplan befindende berühmte Reformoper Christoph Willibald Glucks in Gasa Valgas Regie und Choreographie wieder aufgenommen. Die französische Fassung aus dem Jahr 1774 mit dem von Pierre-Louis Moline nach Ranieri de Calzabigis italienischem Original-Libretto eingerichtete Fassung mit ihren Erweiterungen durch Ballett-Szenen bildet für dieses Unterfangen verständlicherweise ebenso die passende Basis, wie sie es schon vor vielen Jahren für die Version von Christian Spuck beim Stuttgarter Ballett gewesen war. Wo dort ein recht aufwendiges Bühnenbild Historie und Gegenwart kunstvoll miteinander verband und bei aller Tragik auch leise ironische Akzente das Konzept bestimmten, setzt Gasa Valga mit einer auf- und absenkbaren sowie kippbaren Wand oder aus dem Boden wachsenden biegbaren Stangen (Bühne: Helfried Lauckner) auf Abstrahierung, während die Kostüme von Andrea Kuprian klassische Zeitlosigkeit besagen. Ergänzende Foto- und Videoprojektionen sowie die Lichtgestaltung mit ihren Schattenwirkungen und bruchlosen Übergängen geben der tänzerisch/vokalen Komponente eine zusätzliche Dimension, ohne dabei zu sehr von der Bewegung und Interpretation abzulenken.
Gasa Valga ist sich als Schrittemacher treu geblieben und bleibt in einem klassisch grundierten Bereich, wobei die Damen phasenweise auf Spitze eingesetzt sind, und die Herren mit einigen fließend in die musikalische Struktur eingebundenen Hebungen auffallen. Das ins Moderne erweiterte Bewegungs-Vokabular verbleibt bei aller bedeutungsvollen Gestik und in seinen häufigen Gruppen-Arrangements in einem flussreichen und durchweg unterhaltsamen Rahmen. Die Furien in der Unterwelt erhalten genauso klare Gestalt wie die Schatten seliger Geister. Freude und Trauer sind in teils berührende, teils eher oberflächliche Bilder übersetzt. Insgesamt darf von einer überwiegend gelungenen, durchweg klar linierten Arbeit gesprochen werden, die weder im Beliebigen verharrt noch jemanden vor den Kopf stößt, und ihre Einfühlsamkeit auch darin zeigt, dass sie den zentralen Konflikt zwischen Orphée und Euridice in der Unterwelt ganz den Sängern und ihrer Ausdruckskraft überlässt. Die mit einheitlicher Präzision und viel erkennbarem Potenzial eingesetzte Tanzcompagnie holt sich damit die größte Publikums-Akklamation, während der doch auch sehr geforderte und klanglich geschlossene Chor des Tiroler Landestheaters (Einstudierung: Michel Roberge) als komplett in das Tanzensemble integrierte Körperschaft, so als ob sie eins wären, etwas unterbedankt bleibt.
Wieder glücklich vereint: Aco Aleksander Biscevic (Orphée) und Susanne Langbein (Euridice) mit Sophia Theodorides (Amor). Copyright: Rupert Larl
Seokwon Hong brachte das Tiroler Symphonieorchester Innsbruck nach anfänglich steifem und zu sehr an den Noten klebendem Musizieren ganz ordentlich auf Touren und arbeitete die wichtigsten Details zwischen forschem Nachdruck und sanftem Wohlklang deutlich heraus. Im finalen Hymnus auf die triumphierende Liebe gesellte sich noch ein passend feierlicher Einschlag dazu.
Udo Klebes