Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

INNSBRUCK/ Tiroler Landestheater: MARTHA ODER DER MARKT ZU RICHMOND

Martha, Du Wiedergewonnene!

25.03.2018 | Oper


Camilla Lehmeier, Andreas Mattersberger, Joshua Whitener, Susanne Langbein. Foto: Rupert Larl

Innsbruck – Tiroler Landestheater

„MARTHA ODER DER MARKT ZU RICHMOND“ Pr. 24.3.2018  Martha, Du Wiedergewonnene!

Es ist ruhig geworden um den seinerzeitigen Welterfolg von Friedrich von Flotow (1812 – 1883). War doch dessen am 25.11.1847 in Wien uraufgeführte Oper in der der zweiten Hälfte des 19. Jhdt. die weltweit am meisten gespielte Oper.  Kein Tenor von Rang ließ sich Lyonels Parade-Arie „Ach, so fromm“, kein Sopran die schlichte volksliedhafte Weise“Letzte Rose“, in welcher Sprache auch immer, entgehen.

Der Mecklenburger von Flotow, einem uralten Adelsgeschlecht (erstmals erwähnt 1241) entstammend, hatte musikalisch gebildete Eltern, die Friedrichs Hang zu Musikalischem forderten und ihn zu Studienzwecken nach Paris, dem Nabel der damaligen Musikwelt, schickten. Dort freundete er sich mit Charles Gounod und Jacques Offenbach an und lernte die aktuellsten Werke von Auber, Boildieu, Halevy, Rossini und Donizetti kennen und schätzen. Im Gegensatz zu seinen fast gleichaltrigen Zeitgenossen Verdi und Wagner (beide * 1813) sah er sich nicht als Erneuerer der Tonkunst berufen. Er wußte geschickt in seiner Musik den Esprit der Franzosen, das Melodrama der Italiener (Donizetti vor allem) und das Liedhafte der deutschen Heimat glänzend zu vereinen. Von seinen fast 30 Bühnenwerken konnten sich indes nur „Alessandro Stradella“ (zwischenzeitlich auch schon wieder „weg vom Fenster“) und vor allem „Martha“ nachhaltig behaupten.

Nach fast 50jähriger Abwesenheit kehrte von Flotows Erfolgsoper wieder auf die Bühne des TLT zurück und wurde vom applaudierfreudigen Premierenpublikum mit offenen Armen empfangen. Der hiesigen Operndirektion gelingt es immer wieder, hoch talentierte junge Sänger zu einem geschlossenen Ensemble zusammen zu führen. In der anspruchsvollen, manchmal gerne unterschätzten Titelrolle, ersang sich Publikumsliebling Susanne Langbein einen großen Erfolg. Ihre reizvolle Stimme hat an Volumen gewonnen, die Koloraturen perlen dahin, die „Letzte Rose“ wird frei von Opernpathos dargeboten. Dank ihrer mädchenhaften Erscheinung und ihres Spieltalents ist sie – mit Verlaub – ein akustisches und optisches „Leckerli“. Camilla Lehmeier, gesegnet mit einem besonders wohlklingenden Mezzosopran und einer überschäumenden Spielfreude, stellt eine Luxusbesetzung für Lady Harriets (= Martha) Vertraute Nancy dar. Kein Wunder, dass sich der anfänglich ruppige Pächter Plumkett (Andreas Mattersberger) auf Anhieb in sie verliebt. Der international tätige und erfolgreiche, in Innsbruck außerordentlich beliebte Osttiroler Bassist mit dem sich prächtig entwickelten Stimmmaterial hat mit dieser Rolle eine neue Paradepartie gefunden, mit der er reüssieren kann, zumal er auch darstellerisch zu überzeugen weiß. Auf seinen Leporello in der nächsten Saison darf man sich bereits jetzt freuen. Für den Lyonel engagiert und prompt herzlich gefeiert wurde der amerikanische Tenor Joshua Whitener. Ein Lyonel wie aus dem Bilderbuch – charmante Erscheinung, empfindsames Spiel und mit einem strahlend schöntimbrierten lyrischen Tenor ausgestattet – Opernherz, was willst Du mehr?

Kein stimmlicher Ausfall auch beim restlichen Bühnenpersonal: Johannes Maria Wimmer (Lord Tristan Mickleford), Stanislav Stambolov (Richter von Richmond), Monika Duringer/Bernadette Müller/Alice Chinaglia (3 Mägde), Stefan Salvenmoser/Holger Kapteinat (2 Pächter), Jung-Kun Jo/Il-Young Yoon/Junghwan Lee (Diener der Lady). Der beherzt in das Geschehen eingreifende Chor und Extrachor des TLT (von Michel Roberge wie immer souverän vorbereitet) sowie das klangschön aufspielende, die Perlen der Musik bestens ins Licht rückende Tiroler Symphonieorchester Innsbruck unter der engagierten Stabführung von Seokwon Hong rundeten den überaus positiven musikalischen Eindruck ab.


Susanne Langbein, Joshua Whitener. Foto: Rupert Larl

Anette Leistenschneider (Regie) versetzt die Handlung temporeich vom 18. Jhdt. in die Mitte des 20. Jhdt., was größtenteils gar nicht so schlecht funktioniert. Auf der mit britischen Symbolen und Klischees angereicherten Bühne agieren die vier Hauptdarsteller überzeugend, während der Chor angehalten wurde mit Inbrunst zu tänzeln, fuchteln und auf lustig zu machen. Weniger wäre mehr gewesen, aber im Gesamten kann man die Arbeit der Regisseuse goutieren, sie wird sicherlich ihr Publikum finden. Andreas Beckers Bühnenbilder sind stimmungsvoll und reich an Rosengirlanden (gerade noch tolerierbar), die Lichtregie von Ralph Kopp schrammt haarscharf am Kitsch vorbei. Als Puppenspielerin durfte Ingrid Alber-Pahle ihre Kunstfertigkeit unter Beweis stellen, wobei größere Puppen für die Besucher der Ränge sicher vorteilhafter gewesen wären. Einmal mehr als Meister seines Fachs und des heutzutage so selten anzutreffenden guten Geschmacks in Sachen Darstellerbehübschung erwies sich Michael D. Zimmermann. Seine Kostüme (besonders jene der Damen im 1. Bild und jene der Jagdgesellschaft im 3. Akt) sind eine einzige Augenweide. Solovorhang für diesen Könner!

Sehr herzliche, ja sogar begeisterte Zustimmung für alle Beteiligten. Diese „Martha“-Produktion ist geeignet für die gesamte Familie, vom Schüler bis hin zur Erbtante. Auf viele volle Vorstellungen und klingelnde Theaterkassen!         

Dietmar Plattner

 

 

Diese Seite drucken