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INNSBRUCK/ Tiroler Landestheater: LILIOM – Oper von Johanna Doderer nach Ferenc Molnar

07.03.2019 | Oper

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Judith Spießer (Julia). Foto: Rupert Larl / Landestheater

Tiroler Landestheater – Johanna Doderer: LILIOM (6.März 2019)

Der Premierenerfolg von „Liliom“ des ungarischen Autors Ferenc Molnár am 7. Dezember 1909 war keineswegs rauschend. Das Publikum hatte dem durchaus beliebten Verfasser von Lustspielen und Boulevardkomödien nicht verziehen, dass er diesmal ein sozialkritisches Stück geschrieben hatte. Erst die Übersetzung durch Alfred Polgar ins Deutsche und die Übertragung der Handlung aus dem Budapester Stadtwäldchen in den Wiener Prater für die Wiener Premiere 1913 ebnete den Weg zum Welterfolg. Und an diesen Misserfolg hatte Molnár wohl gedacht, als er die Anfrage von Giacomo Puccini den „Liliom“ als Oper zu vertonen, ablehnte. Es sollte bis in die 40er Jahre des vorigen Jahrhunderts dauern, bis das Theaterstück vertont werden durfte – als Musical mit dem Titel „Carousel“. Und erst am 4.November 2016 kam es zur Uraufführung der ersten Oper „Liliom“.

„Es geht um das Ungesagte. Liliom hat keine Sprache für das, was ihn wirklich bewegt. Er schlägt, er schreit, es ist für ihn unmöglich, sich anders auszudrücken. Doch wo die Sprache aufhört, beginnt die Musik. Damit habe ich leitmotivisch gearbeitet.“  Mit diesen Worten beschreibt die Komponistin Johanna Doderer ihre Oper „Liliom“. Es ist die dritte abendfüllende Oper der österreichischen Komponistin und trägt im Werkverzeichnis die Nummer 83. Josef Ernst Köpplinger, Intendant des Gärtnerplatztheaters, hatte den Kompositionsauftrag erteilt und das auf Molnars Text basierende Libretto verfasst. Als Österreichische Erstaufführung hat jetzt das Tiroler Landestheater in Innsbruck „Liliom“ auf den Spielplan gesetzt, die Premiere war am 23.Februar, und zeigt damit die erst zweite Produktion dieser Oper überhaupt.

Ein Vergleich der beiden Aufführungen fällt schwer, fand doch die vom Schreiber des aktuellen Berichtes auch besuchte Uraufführung in der Münchner Reithalle, eines der Ausweichquartiere des Gärtnerplatztheaters in der Zeit der Renovierung, statt und jetzt kann man in einem „echten“ Theater spielen. (Im Gärtnerplatztheater sind im Juli übrigens vier Aufführungen der Uraufführungsproduktion angesetzt.) Für die Regie der Neuproduktion zeichnet der Intendant des Landestheaters Johannes Reitmeier verantwortlich, das Bühnenbild stammt von Thomas Dörfler und die Kostüme hat hat Michael D. Zimmermann entworfen. Und so wenig mir in der letzten Saison der vom Team Reitmeier und Dörfler auf die Bühne gestellte „Rienzi“ gefallen hat, so überzeugend ist „Liliom“ gelöst.

Im Zentrum der Bühne steht, oder besser gesagt liegt, eine riesige fünfteilige Röhre, die durch vom Schnürboden herabgelasene Wände immer wieder verkleinert und zu mehr oder weniger intimen Räumen moduliert wird. Dadurch und auch durch den Einsatz der Drehbühne, so werden zusätzliche Spielflächen rechts und links der Röhre eröffnet, können Szenenwechsel schnell und ohne Unterbrechung des Musikflusses erfolgen. In die Schnittflächen der vier Komponenten sind bunte Lampen eingesetzt, die je nach Szenerie in unterschiedlichen Farben leuchten, ähnlich den blinkenden Lampen auf einem Rummelplatz. Und Motive eines Ringelspiels werden in den entsprechenden Szenen auch auf den Bühnenhintergrund projiziert. Im letzten Bild werden die vier Teile der Röhre gegeneinander verschoben, wohl als Zeichen, wie verschränkt die Charaktere miteinander sind.

Dieses eindrucksstarke Bühnenbild ergänzt eine beeindruckende Personenführung. Vor allem die stücktragenden Figuren – Liliom, Julie, Marie, Frau Muskat, Frau Hollunder – sind, wie man so schön sagt, wie dem wahren Leben entnommen – wenngleich leicht überzeichnet. So werden sie zu feinen Karikaturen der Gesellschaft zu Beginn des 20.Jahrhunderts. Die Personen wirken in ihrem Handeln und Agieren wie eine Vorwegnahme der Menschen in den Romanen von Hugo Bettauer wenige Jahre später.   

Mehr als bloß hörenswert ist auch die musikalische Seite. Ein kleiner Einwand sei an dieser Stelle dennoch gestattet – ein etwas phonreduzierter Orchesterklang würde den Verzicht von Mikroports erleichtern (notwendig sind sie, so glaube ich zumindest, ohnehin nicht). Stefan Klingele ist dem Ensemble – Solisten, Chor und Extrachor des Landestheaters und Wiltener Sängerknaben (Einstudierung Johannes Stecher)– ein aufmerksamer Begleiter und führt das gut einstudierte Orchester durch die nicht durchwegs leicht umzusetzende Partitur. Daniel Prohaska, der Titelheld schon in der Uraufführung, ist nicht nur vom Typ eine Idealbesetzung, er bringt den zwielichtigen Charakter auch stimmlich perfekt zur Geltung; in den lyrischen Passagen und gleichermaßen bei seinen Gewaltausbrüchen. Ihm ebenbürtig ist Judith Spießer als Julie. Dieser Rolle hat Doderer wunderbare und an beste italienische Operntradition erinnernde Phrasen komponiert, die die in München ausgebildete Sängerin gekonnt umsetzt. Ihrer Freundin Marie gibt Sophia Theodorides stimmschön das gewünschte Profil; Susanna von der Burg überzeugt als Frau Muskat mit subtilen Zwischentönen, Ruth Müller spielt und singt Frau Hollunder rollengerecht. Dass Töchter ihren Müttern ähnlich sein können, beweist Anna-Maria Kalesidis als Luise optisch (Juli täuschend ähnlich) wie stimmlich. Ein pauschales Lob gebührt allen Mitwirkenden in den kleineren Partien, dem rummelplatzgerecht kostümierten vollstimmigen Chor und insbesondere auch den in Clownkostüme gesteckten Wiltener Sängerknaben.

Den Verantwortlichen für die Vergabe des Österreichischen Musiktheaterpreises ist eine Reise nach Innsbruck ans Herz gelegt. Diese Produktion von „Liliom“ müsste ohne wenn und aber prämiert werden. Und auch ganz „gewöhnliche“ Opernfreunde sollten den Weg nach Tirol nicht scheuen, wenn sie spannendes Musiktheater abseits ausgetretener Pfade erleben möchten. 

Michael Koling

 

 

 

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