Innsbruck / Tiroler Landestheater: „LA CLEMENZA DI TITO“ – Premiere 8.2.2025
Annina Wachter, Anastasia Lerman. Copyright: Birgit Gufler
„Una porcheria tedesca!“ empörte sich Maria Ludovica nach der am 6.9.1791 in Prag erfolgten Uraufführung der opera seria „La clemenza di Tito“. Das vorletzte Bühnenwerk Mozarts („Die Zauberflöte“ sollte am 30.9.1791 in Wien folgen) war ein Auftragswerk anläßlich der Krönung Leopolds II. zum „König von Böhmen“ und dürfte wohl die letzte Huldigungsoper barocken Zuschnitts der Musikgeschichte darstellen. Vermutlich, weil im Herkunftsland Italien von Maria Ludovica ein derartiger Operntypus als längst überholt galt und dort durch neue Strömungen ersetzt worden ist, kam es zu deren harscher Kritik. Ungleich dessen war „Tito“ neben der „Zauberflöte“ die am häufigsten aufgeführte Mozartoper im 19. Jhdt.
Nach knapp 25 Jahren seit der letzten Inszenierung durch Peer Boysen wagte sich das TLT an eine NI dieser mit herrlichster Musik gesegneten Oper. Das Ergebnis – zwiespältig! Regisseurin und Bühnenbildnerin Mirella Weingarten läßt die Handlung in einer hölzernen Halbröhre vor schwarzem Hintergrund spielen. Assoziationen an ein halbiertes Hamsterrad wurden wach. Auf oder in dieser bühnenbeherrschenden Konstruktion wurde gerutscht, geturnt, gerannt, geliebt und gehasst. Eine glaubhafte, aussagekräftige Personenregie fand jedoch nicht statt. Um den aktuellen (oder bereits überholten) „Regieeingebungen“ Genüge zu tun, wurde die Ouvertüre bebildert (ohne eine Sinnhaftigkeit darin zu erkennen) und eine neue Figur, „das Gewissen“ (Catherine Jaeger) eingefügt, um die Sänger bei ihrem Vortrag ja im Wege zu stehen. Der arme Tito muss diese Figur während (!) seiner Arie im 2. Akt sogar schultern. Vom Regiesessel aus lassen sich derartige Albernheiten ja leicht anordnen! Immerhin entbehrte Weingartens Arbeit (nach „The Fairy Queen“ in der letzten Saison) nicht einer gewissen Ästhetik. Für die z. T. unvorteilhaften Kostüme zeichnen sowohl Weingarten als auch Leah Watzdorf verantwortlich. „Stilkunde“ dürfte in diesem Bereich wohl nicht mehr angesagt sein. Frage an die Regie führende Dame: was wollten Sie uns mit den seltsamen Haartrachten der Solisten mitteilen? Tito und Publio mit hüftlängen Haaren, alle anderen Darsteller mit langen Zöpfen bedacht. Muss man’s verstehen?
Copyright: Birgit Gufler
Von den Sängern hinterließ Camilla Lehmeier den nachhaltigsten Eindruck. Ihr „Sesto“ berührt – da agiert ein Mensch, getrieben von Liebe und Verrat, Freundschaft und Enttäuschung, auf der Bühne – und sie singt ihre beiden großen Arien einfach hinreißend. Die Titelrolle war dem Gast Uwe Stickert anvertraut. Zweifelsohne ein Stilist durch und durch, doch fehlt seinem hoch gelagerten Tenor für die dramatischen Ausbrüche im 2. Akt der „vokale Unterbau“. Gespannt war man auf das Rollendebüt von Anastasia Lerman als Vitellia. Kann eine noch junge Sängerin mit honigsüßem Sopran und liebenswertem Äußeren das intrigante Biest überzeugend darstellen und ist sie den z. T. gewaltigen gesanglichen Anforderungen (Tiefe im Rondo) auch gewachsen? Im konkreten Fall eher wohl kaum. Wie ein aufgescheuchter Schmetterling irrlichtert sie über die Bühne und gibt gesanglich lediglich eine „Vitellia light“-Interpretation. Falscher Sängerehrgeiz oder Besetzungsfehler? Annina Wachter (Servillia) mit lichtem Sopran, der burschikose Annio von Bernarda Klinek sowie der souveräne Publio von Oliver Sailer ergänzten das Ensemble trefflich. Der in dieser Oper nicht sehr geforderte Chor des TLT wurde von Michel Roberge tadellos einstudiert.
Der neue MD des Hauses, Gerrit Prießnitz, setzte auf ein ruppiges Dirigat der Ouvertüre, begleitete im Verein mit dem gut aufspielenden Tiroler Symphonieorchester Innsbruck (TSOI) weitestgehend solide durch den Abend. Ein wenig mehr an Dramatik und Spannung hätten nicht geschadet. Dabei bietet „Tito“ so Packendes für das Orchester und seinen Leiter!
Das Publikum spendete sehr freundlichen, aber keinesfalls „euphorischen“ Beifall. Mehr als ein Durchgang für Chor und Solisten sowie 4 – 5 Gesamtverbeugungen, dann fiel auch schon der Vorhang.
Dietmar Plattner