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INNSBRUCK/ Tiroler Landestheater: IL TRITTICO – musikalisch und szenisch sehr überzeugend. Premiere

01.12.2019 | Oper


Il tabarro:  Anna Maria Kalesidis (Giorgetta) und Alejandro Roy (Luigi). Copyright: Rupert Larl

Innsbruck: „IL TRITTICO“musikalisch und szenisch überzeugend (Pr. 30.11.2019)

Nach fast exakt 101 Jahren seit der New Yorker Uraufführung (14.12.1918) von Giacomo Puccinis faszinierendem Einakterzyklus kam es nun zur längst überfälligen Innsbrucker EA als „Gesamtpaket“. Dafür ist der Direktion des Hauses und allen an der Umsetzung Beteiligten zu danken.

Mit dem international gefragten Regisseur Carlos Wagner (der auch für die trefflichen, das Milieu der jeweiligen Handlungen aufnehmenden kleidsamen Kostüme verantwortlich zeichnet) und dessen Bühnenbildner Christophe Ouvrard wurde ein bestens eingespieltes Duo ans Haus geholt, das die drei vom Inhalt so unterschiedlichen Werke effektvoll-naturalistisch auf die Bühne stellte und auf moderne Mätzchen (von den kurzen, nicht unbedingt erforderlichen Video-Sequenzen bei „Il Tabarro“ und „Sour Angelica“ abgesehen) verzichtete. Gerade deswegen ist den Beiden eine hervorragende Realisation der je knapp 50minüten Opern gelungen. Wagner verlegte die einzelnen Handlungen in die Zeit deren Entstehens. Ouvrard schuf einen faszinierenden, ästethisch höchst ansprechenden optischen Rahmen, der die ausgehende Ära des Jugendstils aufgreift. Zwei Einwände sind dennoch einzubringen: warum beginnt „Il Tabarro“ bereits  bei tiefster Dunkelheit, wenn Giorgetta von der sinkenden Sonne und dem einsetzenden herbstlichen Abendrot singt? Und was sich szenisch während des Zwischenspiels im Klosterakt abspielt (Angelica sieht sich bereits im Paradies, herzt ihr Kind, spielt mit ihm, aus dem erdigen Boden sprießen in Rekordtempo die  Blumen), reizt beinahe zum Lachen, trotz aller Ergriffenheit. Von diesen Ausrutschern abgesehen überzeugt Wagners eindringliche, im „Schicchi“ irrwitzig choreographierte Personenführung sehr.


Suor Angelica:  Karina Flores (Angelica) mit Kind. Copyright: Rupert Larl

Lukas Beikircher, dem das „Trittico“ hörbar ein Herzensanliegen ist, leitete das souverän, manchmal zu laut aufspielende Tiroler Symphonieorchester Innsbruck mit überlegener Hand und kostete die zahlreichen impressionistischen Nuancen der Partitur aus. Drei singuläre Sängerdarsteller prägen den „Tabarro“ und sorgen für Hochstimmung im Publikum: die mädchenhafte, von einem besseren Leben träumende „Giorgetta“ von Anna-Maria Kalesidis, der stimmlich wie darstellerisch höchst attraktive, auf Corelli-Spuren wandelnde, unlängst als „Calaf“ an der MET erfolgreiche spanische Tenor Alejandro Roy („Luigi“) sowie der prachtvolle, dumpf vor sich hinbrütende „Michele“ von Daniel Luis de Vicente.  Als „Sour Angelica“, der „kleinen Schwester der Butterfly“ – was die stimmlichen Ansprüche und auch ein wenig vom Inhalt betrifft – ersang sich die usbekische Sopranistin Barno Ismatullaeva dank ihres gesanglichen und darstellerischen Einsatzes zwar jubelnde Zustimmung. Um wirklich berühren zu können  fehlt es der ausladenden Stimme an „Seele“ und Differenzierung. Als Fürstin zog die große Menschendarstellerin Anna Maria Dur alle Register ihres Könnens. Hinter der scheinbar harten Fassade von Angelicas Tante drang immer wieder etwas Menschliches durch. Die mittleren Rollen der Schwestern „Eiferin“ (Camilla Lehmeier) und „Genovieffa“ (Tatiana Rasa) sowie der Lehrmeisterin der Novizen (Fotini Athanasaki) waren hochwertig besetzt. Nach dem düsteren „Michele“  zeigte sich Daniel Luis de Vicente als schlitzohriger „Gianni Schicchi“ als vokales und darstellerisches Zentrum des turbulenten Einakters. Ein wahrer Meister der Verwandlung! Das junge Paar Lauretta (zauberhaft: Tatiana Rasa) und der höhenstarke, etwas trocken klingende maltesische Tenor Nico Darmanin wusste ebenso zu gefallen wie die heuchlerisch den Tod des Buoso Donati beweinende Sippschaft des Verblichenen. Herausragend aus dem spielfreudigen Ensemble: Anna Maria Dur als köstlich aufgemaschelte „Zita“, der nach wie vor stimmlich hervorragende Joachim Seipp („Simone“), Jon Jurgens („Gherardo“) und der smarte Alec Avedissian („Marco“). Kompliment an Andrea de Majo, der das ganze Stück als „Toter“ auf der Bühne verbrachte und keinen merklichen „Muckser“ machte sowie die restlichen Mitstreiter in den kleineren und kleinsten Partien.


Gianni Schicchi: Ensembleszene. Copyright: Rupert Larl

Ganz großer, begeisterter, von vielen Ovationen durchsetzter Publikumsjubel für alle. Erstaunlich: beim Erscheinen des Regisseurs und Bühnenbildners schwoll der Applaus sogar noch an. Welch eine Seltenheit in der heutigen Opernwelt!                       

Dietmar Plattner

 

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