Innsbruck: „DIE ZAUBERFLÖTE“ – 31.10. 2021 Pr. – Starke Stimmen, poesielose Inszenierung
Susanne Langbein (Pamina), Sascha Zarrabi (Monostatos). (c) Birgit Gufler
Wolfgang Amadeus Mozarts Singspiel „Die Zauberflöte“ ist bekanntermaßen – und man weiß es nicht erst seit Jan Assmanns Buch über die „Zauberflöte“ als Oper und Mysterium – ein vielschichtiges, mit Symbolik und altem Kulturwissen aufgeladenes Werk, das von der Ägyptomanie des späten 18. Jahrhunderts und insbesondere freimaurerischen Ideen geprägt ist. Mozart, wie auch der Librettist Emanuel Schikaneder, waren Freimaurerbrüder der Wiener Loge „Zur Wahren Eintracht“, wo man sich kurz vor 1790 der Erforschung der antiken, vor allem ägyptischen Mysterien zugewandt hatte. Wie aus Mozarts eigenem Werkverzeichnis hervorgeht, stand der Titel der Oper ja bis zuletzt nicht fest, „Die Zauberflöte“ wurde erst später nachgetragen, zunächst sollte das Werk als „Die Egyptischen Geheimnisse“ – nämlich im Sinne geheim gehaltener Mysterien um Isis und Osiris – betitelt werden. Die Handlung umfasst die rituelle Einweihung des Liebespaares Tamino und Pamina als ein Mittel, um die Königin der Nacht und die Macht des Aberglaubens zu besiegen. Die Idee des freimaurerischen Initiationsrituals (Prüfungen, Wanderungen) bildet dabei die ästhetische Form. Weitere Aspekte des Gedankenkosmos der „Zauberflöte“ liegen in den Idealen einer modernen Humanität, die sich auch im „demokratischen Charakter“ der Figurenzeichnung und Musik (vom Lied im Volkston bis zur Da-capo-Arie) widerspiegelt, im Genre der „Märchen- und Zauberoper“, in Vorlagen aus der Märchenliteratur und auch im Glauben an die weltverbessernde Kraft der Musik, deren Symbole das Glockenspiel und vor allem die titelgebende (Zauber-)Flöte sind.
Philippe Spiegel (Papageno), Jon Jurgens (Tamino). (c) Birgit Gufler
Mit all diesen Dingen hat Gregor Bloéb, verantwortlich für die aktuelle Inszenierung der „Zauberflöte“ am Tiroler Landestheater, so gut wie nichts am Hut, die Vielschichtigkeit der Oper, ihre zentralen Ideen und vor allem ihre märchenhafte Poesie sind in seiner Inszenierung so gut wie gar nicht vorhanden. Sein Konzept beruht offenbar darauf, die Figuren der Oper und ihre Themen weitestgehend nicht ernst zu nehmen. Bei Bloéb ist nicht bloß Papageno komisch, sondern alle anderen Protagonisten – inklusive Sarastro – sind es auch. Blödelnder Slapstick à la „Der Schuh des Manitu“ und „Raumschiff Surprise“ durchzieht die Inszenierung in zunehmend ärgerlichem Ausmaß. Die Personenführung ist oft sehr statisch und dann wieder ideenlos hyperaktiv, wenn Mitwirkende sinnbefreit herumhüpfen, herumliegen, à la Stan Laurel und Oliver Hardy (Tamino und Papageno) herumalbern oder wie ein Gospelchor „swingen“ müssen. Unterstützt wird dieses Konzept durch Kostüme von Laura Malmberg und Paul Sturminger, die möglicherweise durch alte Cartoons wie „Popeye der Seemann“ inspiriert wurden. Tamino und Pamina tragen potthässliche Perücken und selbst der edle Sarastro, in Blutrot getaucht und auf überdimensionierten High Heels stolzierend, schaut nur noch zum Fürchten aus. Weshalb Pamina, wenn sie von Selbstmord singt, plötzlich ihr natürliches Haar entflechten muss, weiß vielleicht nur der Regisseur. Die Bühne (ebenfalls vom Duo Malmberg/Sturminger) ist weitgehend leer, aus der von Schikaneder selbst vorgeschlagenen Bilder- und Symbolwelt wird nichts aufgegriffen. Man wolle vor allem die Musik und Figuren in ihrer Fantastik wirken lassen, sagte der Regisseur im Interview, doch das Ergebnis ist leider fantasielos, einfallslos und poesielos. Dass das Instrument Zauberflöte einerseits als billige Mundharmonika und dann wieder als Sopranblockflöte, am Schluss in einem faden Flötentanz gefeiert, vorkommt, passt zu dieser Inszenierung.
Susanne Langbein (Pamina), Johannes Maria Wimmer (Sarastro), Jon Jurgens (Tamino). (c) Birgit Gufler
Also schließe man die Augen und lausche den Stimmen, denn das Tiroler Landestheater hat hervorragendes Personal aufgeboten. Da ist zunächst Johannes Maria Wimmer zu nennen, dem die Rolle des Sarastro wie auf den Leib geschnitten ist. Seine Stimme, die er sehr kontrolliert zurücknimmt, abdämpft und im Piano differenziert, verströmt Milde und Güte und die „Hallenarie“ zählt zu den kontemplativen Ruhepunkten der Vorstellung. Jon Jurgens begeistert als Tamino, indem er mit seinem expressiven und so wendigen Tenor die seelische Problematik seiner Rolle offenlegt. Sophia Theodorides präsentiert sich als souveräne, brillante Königin der Nacht, Susanne Langbein als höchst ausdrucksvoll singende, stimmtechnisch faszinierende Pamina. Philippe Spiegel ist ein beeindruckender Papageno mit einem großen Spektrum an Ausdrucksmöglichkeiten. Annina Wachter als Papagena mit ihrer vitalen, kernigen und blitzenden Stimme schöpft aus dem Vollen ihrer Musikalität und das Publikum schloss sie ins Herz. Sascha Zarrabi als Monostatos kann die inneren Spannungen seiner Rolle, die ihm unterschiedliche Charakteristiken der Gestaltung nahelegen, sehr überzeugend darstellen. Joachim Seipp als Sprecher, Oliver Sailer und Florian Stern als Priester bzw. Geharnischte, Tatiana Rasa, Camilla Lehmeier und Anne Schuldt als die drei Damen sowie drei Wiltener Sängerknaben vervollständigen das auf sehr hohem Niveau singende Ensemble in jeder Hinsicht überzeugend. Großes Lob gebührt auch dem Chor des Tiroler Landestheaters und dessen Statisterie – und nicht zuletzt dem klangfarbenfroh und präzis aufspielenden Tiroler Symphonieorchester Innsbruck unter der bravourösen Leitung des Dirigenten Andrea Sanguineti.
Thomas Nußbaumer