Innsbruck: Richard Strauss: „DER ROSENKAVALIER“ – 14.12.2924 Pr. – Großartiges Musiktheater
Die Feldmarschallin (Susanne Langbein) vergnügt sich mit Octavian (Bernarda Klinar) © Birgit Gufler
„Der Rosenkavalier“ von Richard Strauss nach dem Libretto von Hugo von Hofmannsthal feierte am Tiroler Landestheater in Innsbruck eine äußerst gelungene Premiere in der Inszenierung von Jasmina Hadžiahmetović, seit der vergangenen Saison Co-Direktorin für Musiktheater am Tiroler Landestheater. Hadžiahmetović erzählt die Geschichte des arroganten Barons Ochs von Lerchenau, der infolge diverser Verwicklungen ausgerechnet Octavian, den jugendlichen Liebhaber der Feldmarschallin Fürstin Werdenberg, als „Rosenkavalier“ zu seiner Braut Sophie schickt, die wiederum dank dem blühenden Knaben der Vermählung mit dem Widerling entkommt und auch noch kräftig an der Lektion, die ihm schließlich zuteilwird, mitwirkt, in unterhaltsamen, organisch fließenden, ironischen Bildern mit natürlich agierenden Personen. Der Regisseurin gelingt es, dem an Subtexten ohnehin schon reichen Werk weitere inhaltliche und künstlerische Akzente beizufügen. Man denke bloß an die Gestaltung des 3. Aufzugs, wo man sich zeitweise in einem alten, schräg-witzigen Stummfilm wähnt.
Baron Ochs von Lerchenau (Johannes Maria Wimmer) besucht die Feldmarschallin (Susanne Langbein). Daneben Octavian (Bernarda Klinar), verkleidet als Zofe „Mariandel“ © Birgit Gufler
Grundsätzlich stehen Musik und Text im Mittelpunkt dieser Inszenierung, deren Bühnenbilder, entworfen von Paul Zoller, Platz für eigene Vorstellungen belassen. Im 1. Aufzug wird der Bühnenraum durch drei Spiegel so erweitert, dass aus einem Kronleuchter vier werden und die Personen des Dramas sich mehrfach spiegeln. Im 2. Aufzug dann ein Ballsaal, in dem das Wienerische, das Barocke „in einem Stück erfundenen Rokoko“ (siehe den brillanten Einführungstext von Katharina Duda) nahezu impressionistisch verschleiert zum Ausdruck gelangt. Effektvoll fällt der Bühnenstoff, wenn die Situation völlig eskaliert, herab und bleibt als flatternder Fetzen hängen. Im Schlussaufzug dann das unheimliche „Extrazimmer“ einer dubiosen Gaststätte mit einem Ochsenschädel an der Wand, um die sich finster eine exotische Fauna ballt. Für die schönen Kostüme voll historischer Zitate in einem historistisch-zeitlosen Werk darf man sich bei Mechthild Feuerstein bedanken.
Sophie (Annina Wachter) und Octavian (Bernarda Klinar) als „Rosenkavalier“ © Birgit Gufler
Überwiegend ist auch in dieser Inszenierung – so wie zuletzt im „Falstaff“ – das eigene Personal des Tiroler Landestheaters im Einsatz. Ans Pult des Tiroler Symphonieorchesters Innsbruck holte man mit Marcus Bosch einen ausgewiesenen Opernspezialisten (Leiter der Heidenheimer Opernfestspiele, Chefdirigent der Norddeutschen Philharmonie Rostock) und Experten für die Musik der Romantik. Unter seiner Stabführung läuft das in allen Klangfarben schillernde und an den Solopositionen großartig besetzte Orchester nach einer kurzen Anlaufphase zu Hochform auf, besonders in den zauberhaft flirrenden, leisen Passagen. In dieser Qualität rechtfertigt sich die Wahl des Stücks schon allein aus musikalischer Sicht. Es sind ja nicht allein die instrumentalen Farbmischungen, die Leitmotive, die Zitate aus Werken von Johann Strauss und Mozart, die eleganten Parlando- und Arioso-Passagen, die einen in den Bann ziehen, und auch nicht bloß die süffigen Walzermelodien und nostalgischen Anklänge an das Wienerlied und überhaupt das österreichische Fin de siècle. Die Faszination des „Rosenkavaliers“ liegt besonders in der Art und Weise, wie durch die Musik diverse Emotionen und das Unterbewusste Gestalt und Wirkkraft annehmen. Wie im echten Leben ist das, was auf der Bühne gesagt und gesungen wird, nicht genau das, was gedacht oder empfunden wird.
Ochs von Lerchenau (Johannes Maria Wimmer) in enormer Bedrängnis (3. Aufzug). Kinderchor, Chor, Abongile Fumba (Annina), Jakob Nistler (Wirt), Jason Lee (Valzacchi) © Birgit Gufler
Die Innsbrucker Inszenierung profitiert nicht zuletzt von einem sehr guten Ensemble. Susanne Langbein als Feldmarschallin erfüllt ihre Rolle mit Wärme, Temperament und Charakter. Ihr Monolog am Ende des 1. Aufzuges („Die Zeit ist ein sonderbar Ding“) sei beispielhaft für all ihre großen Momente, für die sie verantwortlich zeichnet, angeführt. Johannes Maria Wimmer ist ein stimmlich und schauspielerisch hervorragender Ochs von Lerchenau, der vor allem im 2. Aufzug den widerlichen Macho empörend gut darstellt und durch seine Musikalität eindrucksvoll Raum greift. Bernarda Klier beeindruckt als Octavian durch ihr geradliniges, lyrisches Timbre – wunderschön, wie sie die silberne Rose überreicht. Ihre kongeniale Partnerin ist hierbei Annina Wachter als Sophie mit ihrer brillanten Sopranstimme und der ihrer Rolle angemessenen, authentischen Jugendlichkeit. Erwin Belakowitsch zeigt sich als stimmlich und darstellerisch präsenter Faninal, Jennifer Maines als irrwitzige Jungfer Marianne Leitmetzerin. Unter den zahlreichen Nebenrollen seien der komödiantische Jason Lee (Valzacchi), die aufsehenerregende Abongile Fumba (Annina), Oliver Sailer (in mehreren Rollen) und Jakob Nistler (Wirt) sowie Timothy Richards (in der Rolle eines begeisternden „Sängers“) genannt – sie alle trugen, ebenso wie Chor, Extrachor und Kinderchor sowie die Statisterie des Tiroler Landestheaters zum Erfolg der umjubelten Premierenvorstellung bei.
Thomas Nußbaumer