Daniel Prohaska, Judith Spießer. Foto: Rupert Larl
Österreichische Erstaufführung in Innsbruck: „Liliom“ von Johanna Doderer (Vorstellung: 22. 5. 2019)
Am 22. Mai 2019 fand die letzte Vorstellung der Österreichischen Erstaufführungs-Serie der Oper „Liliom“ von Johanna Doderer im Tiroler Landestheater in Innsbruck statt. Die Uraufführung des Werks war im Jahr 2016 in der Reithalle in München, der Ausweichspielstätte des Gärtnerplatztheaters, von der mein Bericht vom Online-Merker veröffentlicht wurde.
Die Handlung, der Oper, deren Libretto von Josef E. Köpplinger nach dem gleichnamigen Bühnenstück von Ferenc Molnár stammt, in Kurzfassung: Ausrufer Liliom ist die Attraktion am Karussell von Frau Muskat. Er ist jung und gutaussehend, jedoch auch grob, ungestüm und polizeibekannt – doch genau das liebt die weibliche Kundschaft an ihm. Auch das junge Dienstmädchen Julie ist von dem Vorstadthallodri angezogen – wie er von ihr. Sosehr sogar, dass er dafür den Verlust seiner wie ihrer Stellung provoziert. Fortan lässt sich Liliom von Julies Tante aushalten, schlägt und schwängert das Mädchen. Von einem falschen Freund zu einem Raubmord überredet, der schief geht, stiehlt sich Liliom durch Selbstmord aus der Verantwortung und landet vor der himmlischen Gerichtsbarkeit. Dort erhält der Reuelose eine letzte Chance, etwas Gutes zu tun.
Johannes Reitmeier, dem Intendanten des Tiroler Landestheaters, gelang eine packende Inszenierung mit exzellenter Personenführung. Das imposante, spektakulär wirkende Bühnenbild schuf Thomas Dörfler, die passenden Gewänder entwarf Michael D. Zimmermann, wobei „er den Chor als eine Truppe von bizarren Jahrmarkt-Freaks kostümierte“, wie es der Regisseur in einem Interview formulierte. Für die Lichteffekte sorgte Ralph Kopp.
In der Titelrolle brillierte der Tenor Daniel Prohaska, der den Liliom bereits bei der Uraufführung in München spielte, sowohl stimmlich wie schauspielerisch. Ihm nahm man das grobschlächtige, oft provokante Wesen genauso ab wie seine Verliebtheit in Julie, die von der aparten deutschen Sopranistin Judith Spießer gespielt wurde. Sie meisterte stimmlich auch die höchsten Töne und bot darstellerisch eine ausgefeilte Leistung. Berührend ihr Schlaflied für den sterbenden Liliom. Ihre Freundin Marie, deren Schwärmerei für einen Soldaten namens Wolf gehörig an Julies Nerven zerrte, wurde von der Koloratursopranistin Sophia Theodorides sehr gekonnt dargestellt.
Susanna von der Burg, Daniel Prohaska. Foto Rupert Larl
Mit einer eindrucksvollen Leistung wartete die gebürtige Wiener Mezzosopranistin Susanna von der Burg, die bereits seit 1999 dem Ensemble des Tiroler Landestheaters angehört, als Frau Muskat auf. Sie spielte und sang die Besitzerin des Ringelspiels – auf herrische Art mit Reitgerte – als extrem eifersüchtige Frau, die gleichfalls in Liliom verliebt ist. Sehr einfühlsam spielte und sang die junge in Russland geborene Sopranistin mit griechischen Wurzeln Anna-Maria Kalesidis Julies Tochter Luise, die ihren Vater erst mit 16 Jahren kennenlernt.
Lilioms zwielichtiger Freund Ficsur wurde vom bulgarischen Bariton Alec Avedissian rollengerecht dargestellt, in der Doppelrolle als Arzt und Polizeikonzipist konnte der deutsche Bariton Joachim Seipp seine mächtige Stimme „ausspielen“. Den Soldaten Wolf Beifeld spielte der isländische Bass Unnsteinn Árnason, die beiden Polizisten und Detektive wurden vom Tenor Florian Stern und vom Bassisten Johannes Maria Wimmer gegeben.
Auch sie trugen zum großen Erfolg der Österreichischen Erstaufführung von Johanna Doderers Oper bei. Ebenso wie der Chor und Extrachor des Tiroler Landestheaters sowie der Chor der Wiltener Sängerknaben (Choreinstudierung: Michel Roberge).
Besonderen Anteil am Erfolg hatte selbstverständlich das Tiroler Symphonieorchester Innsbruck, das unter der Leitung von Seokwon Hong die reizvolle Partitur der Komponistin in allen Facetten wiedergab. Die Musik von Johanna Doderer entpuppte sich als kongeniale Illustration der abwechslungsreichen Handlung der Oper und fand rasch die Zustimmung des Publikums. In einem Interview für das Programmheft unter dem Titel „Oper muss berühren“ wies die Komponistin darauf hin, dass sie weder Melodie noch Tonalität in ihren Werken ausschließe. Ein Zitat aus diesem Gespräch: „Wenn ich für Stimmen schreibe, dann schreibe ich wirklich für Stimmen. Ich liebe Arien. Das Schlaflied der Julie ist beim Internationalen Hilde Zadek-Gesangswettbewerb sogar eine Pflichtarie geworden. Sie ist tauglich fürs Repertoire. Generell finde ich, dass Oper Unterhaltung ist, sie muss berühren und bewegen.“
Das begeisterte Publikum belohnte am Schluss alle Mitwirkenden mit lang anhaltendem Beifall und Bravo-Rufen.
Udo Pacolt