Innsbruck
„LA TRAVIATA“ 13.5.2023 (Premiere) – mit allgegenwärtigem Krankenbett
Gartenszene: Susanne Langbein (Violetta) und Daniel Luis de Vicente (Germont pére). Foto: Birgit Gufler
Einmal musste es ja kommen, das ungeliebte Regieholzhämmerchen. Regisseurin Magdalena Weingut verzichtete zwar auf Samt, Seide, Brokat und sonstige „Milieuzutaten“. Violettas Krankenbett hingegen war von Anfang an allgegenwärtiges Mobiliar-Bestandteil, wie auch ein Vogelkäfig, der sogar ins Krankenzimmer Einlass finden durfte. Spätestens jetzt sollte bei jedem die (unnötig belehrende) Aussage angekommen sein. Weingut und ihr Bühnenausstatter Helfried Laukner siedelten Leben und Sterben der Kurtisane im Paris der 20er Jahre des letzten Jahrhunderts an. Michael D. Zimmermann sorgte für stilgerechte, zum Teil wunderschöne Kostüme. In einer eher an eine gehobene Bahnhofsrestauration erinnernden Szenerie spielen die Bilder 1 und 3, während sich Violettas privates Umfeld auf ein bescheidenes Gärtchen mit Sofa und Lüster (!) beschränkt. Wahrlich „tanto lusso“, um Vater Germont zu zitieren. Aber das Schlussbild in einem trostlosen Spitalzimmer und Violettas Entschweben in eine andere Welt, das hat was und berührt ungemein. Vieles, was bis dahin nicht so überzeugend herüberkam, macht diese Szene wett.
Schlussbild: Susanne Langbein (Violetta) und Jon Jürgens (Alfredo). Foto: Birgit Gufler
Seit der letzten Innsbrucker Neuproduktion sind 16 Jahre ins Land gezogen – höchste Zeit, die überaus populäre Oper wieder auf den Spielplan zu setzen. Die anspruchsvolle Titelpartie wurde dem absoluten Liebling des Tiroler Publikums, der Sopranistin Susanne Langbein, anvertraut. Nach einem eher vorsichtig angegangenen 1. Akt lief sie ab dem 2. Bild zu bezwingender Form auf. Im großen Duett mit Giorgio Germont wartete sie mit klarer Tongebung und fein gesponnenen Zwischentönen auf. Ans Herz gehend ihr Abschied vom Leben – allein diese Szene lohnt den Besuch einer Aufführung. Haustenor Jon Jürgens, in dieser Saison mit Hauptrollen besonders oft im Einsatz, gab einen grundsoliden Alfredo mit geradlinigem, eher farbarmem Vortrag. Diesbezüglich hatte sein Bühnenvater Daniel Luis de Vicente wesentlich mehr anzubieten – faszinierendes Legato, genaueste Artikulation und eine breit strömende, beeindruckende Stimme. In den kleineren Rollen gefielen Fotini Athanasaki (Annina), Oliver Sailer (Dr. Grenvil), William Blake (Giuseppe), Jerzy Kasprzak (Diener Floras), Julien Horbatuk (Baron Douphol) und Jannis Dervenis (Dienstbote), während Irina Maltseva (Flora), Florian Stern (Gaston) und Valentin Vatev (Marquis d´Obigny) stimmlich abfielen. Der Chor des TLT (Einstudierung Michel Roberge) wurde um zwei wirkungsvolle Nummern im 3. Bild „beraubt“ (WARUM??) und von der Regie zu dämlichem Gehopse und Gezappel angehalten. Das Wenige, was ihm zu singen blieb, klang ausgezeichnet.
Tommaso Turchetta und das prachtvoll aufspielende Tiroler Symphonieorchester Innsbruck kosteten Verdis seelenvolle Partitur genussvoll aus und bereiteten dem Bühnenpersonal einen exzellenten Klangteppich.
Während der Szenenbeifall eher knapp bemessen ausfiel, gab es zum Ende der Vorstellung rauschenden, langanhaltenden Jubel.
Dietmar Plattner