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INNSBRUCK/ Landestheater: BERGKRISTALL – Oper von Michael F.P.Huber /Alois Schöpf. Ein unterhaltsamer Adalbert Stifter. Uraufführung

22.05.2023 | Oper in Österreich

Innsbruck: „BERGKRISTALL“ – 21.5. 2023 UA – Ein unterhaltsamer Adalbert Stifter

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Hannah-Theres Weigl (Sanna), Lisa-Marie Hilber (Konrad), Statisterie (Doubles Konrad/Sanna) © Birgit Gufler

Mit der Oper „Bergkristall“ nach der gleichnamigen Erzählung von Adalbert Stifter gelang dem Tiroler Komponisten Michael F. P. Huber und dem Schriftsteller Alois Schöpf ein origineller Wurf, der in den Kammerspielen des Tiroler Landestheaters uraufgeführt wurde. Regie führte Thomas Gassner, die musikalische Ausführung besorgte das „Tiroler Ensemble für Neue Musik“ unter der Leitung von Hansjörg Sofka.

            Der Plot ist rasch erzählt: Am Heiligen Abend machen sich die Geschwister Sanna und Konrad auf den Weg zu ihren Großeltern, die überm Joch im Nachbardorf wohnen. Beladen mit einem Rucksack voller Geschenke werden sie auf dem Rückweg von einem Schneesturm überrascht und erst nach etlichen, bangen Stunden gefunden. Adalbert Stifters ergreifende Erzählung thematisiert einerseits die Wirkung der sich unheimlich wandelnden Natur auf die Kinder und andererseits die Sorgen und Ängste der sie suchenden und erwartenden Erwachsenen. Die Rettung der Kinder wird zu einem wahren Erlösungs- und Auferstehungsfest, als ob Weihnachten und Ostern zusammenfallen würden.

            Alois Schöpf hat die Geschichte, die im Libretto im Rückblick erzählt wird, nach mehreren Richtungen hin vertieft und eine Reihe von begleitenden und ursächlichen Konflikten eingewoben, beispielsweise die Rivalität zwischen den Nachbardörfern Gschaid und Millsdorf, die dazu führt, dass die Geschwister und deren Mutter, die „schöne Schusterin“, ein Außenseiterdasein erdulden müssen, die Unzufriedenheit des Großvaters mit seiner Tochter, weil sie einen armen Schuster geheiratet hat, die Erkenntnis des Schusters, dass er seinen Kindern zu wenig Zuneigung schenkt, und seine gescheiterte Freundschaft mit dem Hirten Philip. Die glückliche Rettung der Kinder in der gemeinschaftlichen Verbindung aller Beteiligten wird am Ende wesentliche Konflikte auflösen und Gewissensbisse heilen.

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Dale Albright (Lehrer Stifter) © Birgit Gufler

            Michael F. P. Huber folgt den im Libretto ausgearbeiteten Emotionen und Stimmungslagen mit größter Konsequenz und Ernsthaftigkeit. Die anfänglich idyllisch wirkende Szenerie, in der der „Lehrer Stifter“ mit Schulkindern ein Frühlingslied einstudiert und ein Priester unter Blasmusikklängen einen Baldachin durch das Dorf dirigiert, wird auch musikalisch rasch als porös und brüchig demaskiert. Insbesondere die Darstellung der elterlichen Ängste wirkt sehr lebensecht und beklemmend. Huber hat das großartige „Tiroler Ensemble für Neue Musik“ mit solistisch geführten Holz- und Blechblasinstrumenten, Streichinstrumenten, Schlagwerk und E-Piano besetzt. Mitunter mischen sich (elektronische) Cembalo- und Orgelklangfarben ins dichte harmonische Netz. Auffallend ist die Vorliebe für dunkle und schimmernde Klangfarben (Fagott, Blech, Viola, Cello) und die oft kontrapunktische Führung der Stimmen bei gleichzeitiger rhythmischer Vielfalt. Die Gesangslinien wirken stringent, die gelegentlichen Chorsätze, ausgeführt vom Kinderchor und von Mitgliedern des Extrachors des Tiroler Landestheaters, und Ensembles überzeugend.

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Ensemble © Birgit Gufler

            Kritisch anzumerken ist, dass die Darstellung der psychischen Belastungen der Eltern und Großeltern im Vergleich zum erlösenden, neue Perspektiven andeutenden Finale überdimensional groß wirkt. Auch Thomas Gassner, dessen Regie vor allem im ersten Teil durch witzige, humorvolle Pointen punktet, kann mit dem Finale offenbar wenig anfangen, denn was schwer und dramatisch begonnen hat, verpufft gegen Ende zunehmend in überraschenden, rational aber kaum noch nachvollziehbaren slapstickartigen Einlagen. Unterhaltungswert ist der neuen Oper jedoch nicht abzusprechen, wozu auch das märchenhafte, fantasieanregende Bühnenbild von Esther Frommann, das im Zentrum eine runde Turm- und Plattformkonstruktion mit aufgemaltem Berg- oder Waldgeistgesicht erkennen lässt, beiträgt.

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Annina Wachter (Schusterin) © Birgit Gufler

            Uneingeschränktes Lob gilt dem sängerischen Ensemble in seinen hübschen zeitlos kleinbürgerlich-ländlich wirkenden Kostümen (ebenfalls von Frommann). Hannah-Theres Weigl als Sanna und Lisa-Marie Hilber als Konrad berühren durch ihre schönen Sopranstimmen und schauspielerischen Fähigkeiten. Annina Wachter als Schusterin ist die überragende Erscheinung dieser Uraufführung und glänzt, indem sie mit ihrer klangvollen, in allen Lagen ebenförmige Stimme ein großes Panorama an Emotionen entfaltet. Susanna von der Burg stellt eine in jeder Hinsicht überzeugende Großmutter dar, die in bester Übereinstimmung mit dem Bassisten Johannes Maria Wimmer als Großvater, der im Stück auch als Priester auftritt, agiert. Dale Albright als „Lehrer Stifter“ kann seine Meisterschaft im komischen Fach souverän ausspielen. Als hervorragend erwiesen sich auch der dynamische Bariton Alec Avedissian in der Rolle des Schusters und der in der Höhe so wendige und biegsame Tenor Sascha Zarrabi als Hirte Philip und Bote. Die schon genannten jungen und erwachsenen Chormitglieder sowie die Statisterie des Tiroler Landestheaters fügten sich bestens in ein stimmiges künstlerisches Gesamtbild.

 

Thomas Nußbaumer

 

 

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