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INNSBRUCK: LAKMÈ – ein Fest für Ohr und Auge. Premiere

27.11.2022 | Oper in Österreich

Innsbruck/ Tiroler Landestheater:

„LAKMÈ“ ein Fest für Ohr und Auge (Pr. 26.11.2022)

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Irina Maltseva (Mallika) und Judith Spießer. Foto: Birgit Gufler

Léo Delibes (1836 – 1891) schuf drei Werke, die seinen anhaltenden Ruhm festigen sollten: die beiden Ballette „Coppelia“ und „Sylvia“ sowie die 1881 uraufgeführte, im fernen Indien angesiedelte Oper „Lakmé“. Zu Delibes Zeit standen speziell in Frankreich Bühnenwerke mit exotischen Schauplätzen hoch im Kurs, genannt seien Meyerbeers „Africaine“, Bizets „Perlenfischer“ und „Djamileh“, Massenets „Le Roi de Lahore“, Gounods „Königin von Saba“ (welche auch Karl Goldmark vertonte) und auch „Carmen“ wegen ihres neuartigen Frauenbildes. Was früher Publikum in Scharen in Opernhäuser lockte, wird heute von so manchen als „geschmäcklerisch“, „verstaubte Kuriosität“ oder gar „Edelkitsch“ abgetan. Das mag bei dem einen oder anderen Werk zutreffen, nicht jedoch bei der „Africaine“ und „Lakmé“ (später wird sich noch „Madama Butterfly“ hinzugesellen). In diesen Opern werden religiöse und kulturelle Konflikte, das Eingreifen in die Natur sehr anschaulich behandelt und haben noch immer ihre Existenzberechtigung. „Es geht nicht nur um Verklärung einer exotisch-erotischen  fernöstlichen Welt, sondern auch um den Untergang derselben“ – so Regisseur Hinrich Horstkotte im Programmheft.

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Ensembleszene 2. Akt. Foto: Birgit Gufler

In „Lakmé“ versucht eine immer kleiner werdende Gruppe von religiösen Fundamentalisten, sich gegen den immer größer werdenden Einfluß der englischen Besatzern zu wehren und auf das Vorrecht der Ureinwohner hinzuweisen. Delibes schrieb zu seiner Erfolgsoper eine Fülle von bezaubernden Melodien, manche davon haben Ohrwurmqualität: so das in der Zwischenzeit von Film und Werbung ausgeschlachtete Blütenduett Lakmé – Mallika aus dem 1. Akt oder Lakmés virtuose, bis zum hohen „e“ reichende Glöckchenarie. Aber auch Gérards Arien im 1. und 3. Akt, seine Duette mit Lakmé, Nilakanthas Arie im 1. Akt und die beeindruckenden Chorszenen bleiben in Erinnerung. In den Ensembles der fünf Engländer (1. Akt) sind Anklänge an Gilbert & Sullivan herauszuhören, der Beginn der Marktszene im 2. Akt könnte von Offenbach stammen. Insgesamt also eine sehr farbenreiche, abwechslungsreiche Partitur. Gegenwärtig wird „Lakmé“ wieder häufiger auf den Spielplänen zu finden sein – Berlin begann die Saison mit konzertanten Aufführungen, Lüttich und Montecarlo brachten / bringen szenische Produktionen und nun endlich ist auch Innsbruck an der Reihe – coronabedingt mit Verspätung, die Premiere war für Frühjahr 2020 geplant. Aber das lange Warten hat sich gelohnt, die Produktion ist wie aus einem Guß und wird das Publikum der Folgeaufführungen genauso begeistern wie jenes der Premiere. Regisseur Hinrich Horstkotte und sein Ausstatter Nicolas Bovey verzichten auf Aktualisierung oder gar Veralberung der literarischen Vorlage – sie erzählen „nur“ in traumhaft schönen Bildern die tragische Liebesgeschichte aus einer vergangenen Zeit. Zauberhaft die Szene zu Beginn, wenn Lakmé als von den Brahmamen verehrte Priesterin von oben auf der Erde erscheint. Chor und Solisten werden hervorragend geführt, lediglich das oppulente Marktbild hätte mehr in die Bühnentiefe gehen können. Insgesamt also eine erstklassige Leistung des Regieteams.

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Matthias Hoffmann (Nilakantha) und Judith Spießer. Foto: Birgit Gufler

Tommasso Turchetta am Pult des sensibel aufspielenden Tiroler Symphonieorchester Innsbruck gelang es, das spezielle französisch-exotische, impressionistische Flair der Partitur zum Klingen zu bringen. In der anspruchsvollen Titelrolle begeisterte die junge Münchner Sopranistin Judith Spießer. Eine anmutige Erscheinung, ein blitzsauberer lyrischer Koloratursopran, ein sympathisches Spiel vereinen sich bei dieser Sängerin auf das Trefflichste – einfach herrlich! Der an der Kölner Oper engagierte Tiroler Bassbariton Matthias Hoffmann beging als Nilakantha, Oberhaupt der Brahmanen und Lakmés Vater, sein Hausdebüt am TLT und war neben Frau Spießer das gesangliche Trumpfass der Vorstellung. Er verfügt über eine bestens ausgebildete Stimme mit virilem Klang und perfektem Sitz und stellt eine dominierende Persönlichkeit dar. Haustenor Jon Jürgens, dem das französische Fach besonders zu liegen scheint (erinnert sei an seinen famosen Wilhelm Meister in der „Mignon“ und seinem tadellosen „Werther“), ersang sich mit seiner Interpretation des Gérard einen weiteren Publikumserfolg. Zurecht. In den nicht unwichtigen mittleren und kleineren Rollen bewährten sich Susanna von der Burg (Gouvernante), Felicitas Fuchs (Ellen, Gérards Verlobte), Ana Akhmeteli (Rose, deren Cousine), Dale Albright (Hadji, Nilakanthas Diener), Michael Gann (Wahrsager), Junghwan Lee (ein chinesischer Händler) und Julien Horbaluk (ein Kuravar). Weniger zufrieden stellen konnten Irina Maltseva als  gelegentlich scharfstimmige Mallika und Wolfgang Resch als blasser, schmalstimmiger Frédéric, Gérards Freund und Offizierskollege. Nicht immer im Einklang mit dem Orchester, aber prachtvoll singend, präsentierten sich Chor und Extrachor des TLT unter der kundigen Einstudierung durch Michel Roberge.

Selten erlebt man ein derart atemlos lauschendes, gebannt in den Sesseln sitzendes Publikum wie am Premierenabend. Die Anspannung entlud sich am Ende der Vorstellung in gewaltige Ovationen für das gesamte Team. Für Frau Spießer erreichten Applaus und Jubelrufe beinahe Orkanstärke. Wer eine im besten Sinn des Wortes „schöne“ Produktion sehen will, darf diese nicht versäumen.                                   

Dietmar Plattner

Folgedaten: 30.11., 2.12., 15.12., 16.12., 11.1., 13.1., 19.1., 22.1., 2.2., 5.2., 12.2.

 

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