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INNSBRUCK/ Haus der Musik: L’EMPIO PUNITO von Alessandro Melani (1639-1703). Premiere

22.08.2020 | Oper


Alle Darsteller werden zu Marionetten (Foto: Brigitte Duftner)

Innsbrucker Festwochen der Alten Musik: „L’empio punito“ von Alessandro Melani (Premiere: 21. 8. 2020)

Am 21. August 2020 brachten die Innsbrucker Festwochen der Alten Musik, die heuer unter dem Motto „Und glücklich kehrt ewiger Gesang zurück“ steht, eine weitere Opernrarität zur Aufführung: „L’empio punito“ von Alessandro Melani. Dieser Oper, die im Jahr 1669 in Rom im Palazzo Colonna uraufgeführt wurde, liegt das Don-Giovanni-Thema zugrunde. Sie gilt als die erste Vertonung dieses von Tirso de Molina im Jahr 1630 dramatisierten Stoffs.

Alessandro Melani (1639 – 1703) begann seine musikalische Ausbildung als Sänger am Dom von Pistoia und war danach Kapellmeister an der Kathedrale von Orvieto und Ferrara, ehe er seinen ältesten Bruder Jacopo an der Kathedrale von Pistoia ablöste.  Nur wenige Monate später wurde er Kapellmeister der Papstbasilika Santa Maria Maggiore. Ab 1672 wurde er Kapellmeister an San Luigi dei Francesi, eine Position, die er 26 Jahre lang bekleidete.


Atamira (Theodora Raftis) tröstet den gefangen genommenen Acrimante (Anna Hybiner) Foto:  Brigitte Duftner

Alessandro Melani bildete mit seinem Bruder Jacopo sowie Pasquini, Stradella und Scarlatti die zweite Schule der römischen Oper. Er schrieb Werke für Florenz und Bologna, aber auch für Wien! Seine Oper L’empio punito („Der bestrafte Frevler“), deren Libretto Filippo Acciaiuoli und Giovanni Filippo Appolloni verfassten, soll sein größter Erfolg gewesen sein. Melani verlegte mit seinen Librettisten das Geschehen der Handlung von Sevilla in eine mythologische Phantasielandschaft und nannte Don Giovanni Acrimante und dessen Diener Leporello Bibi. Doch die Handlung änderten sie nicht. Don Giovanni verführt und wütet am laufenden Band. Er verspottet die Statue eines Edelmanns, den er ermordet hat, und wird am Ende von dieser Statue ins Totenreich gezogen.   

In Innsbruck wurde die Oper im neuerbauten Haus der Musik gezeigt und in italienischer Sprache (mit deutschen Übertiteln) gesungen. Das Regieteam, ein italienisches Frauen-Trio,  dürfte es im Großen Saal des Hauses, der eher ein Konzertsaal als ein Theaterraum ist, nicht leicht gehabt haben. Regie führte Silvia Paoli, die mit einigen humorvollen Ideen und guter Personenführung aufwartete. Ein wenig gewöhnungsbedürftig war der Auftritt der fünf Engelchen, die immer wieder über die Bühne huschten, wobei zwei in der „Höllenszene“ zu Teufelchen mutierten. Die anderen drei waren am Schluss als Marionettenspieler im Einsatz, die quasi die verbliebenen Darsteller vom Himmel aus lenkten. Wollte die Regisseurin damit ihre Meinung kundtun, dass alles auf der Welt von Gott gelenkt wird?  

Für das karge Bühnenbild – es bestand bloß aus drei verschieden großen Wänden, wobei auf der rechten Wand durch einen Polster ein Bett simuliert wurde – zeichnete Andrea Belli verantwortlich. Die barockähnlichen Kostüme entwarf Valeria Donata Bettella.

Für die musikalisch hohe Qualität der etwa dreistündigen Aufführung sorgte das Barockorchester:Jung unter der Leitung von Mariangiola Martello, dem es gelang, die Partitur des Komponisten nuancenreich wiederzugeben. Hervorragend waren die Leistungen des zehnköpfigen Sängerensembles, die alle am Cesti-Gesangswettbewerb der Innsbrucker Festwochen der Alten Musik teilnahmen. Allen voran die schwedische Mezzosopranistin Anna Hybiner, die sowohl gesanglich wie darstellerisch als Acrimante alias Don Giovanni erstklassig agierte. Bei der Uraufführung in Rom im Jahr 1669 wurde die Rolle des Acrimante übrigens von einem Soprankastraten gesungen.

Ihr ebenbürtig war die zypriotische Koloratursopranistin Theodora Raftis in der Rolle der Atamira, der Tochter des Königs von Korinth, deren Liebe zu Acrimante immer wieder erfolglos bleibt. Eindrucksvoll auch die Auftritte des italienischen Bassbaritons Lorenzo Barbieri als Diener Bibi alias Leporello. Auch er bot durch seine hohe Bühnenpräsenz eine starke Leistung.

Darstellerisch hervorragend auch der amerikanische Bass Andrew Munn als Atrace, König von Mazedonien, dessen Auftritte stets von Würde geprägt waren. Seine Schwester Ipomene wurde von der aus dem Kosovo stammenden jungen Sopranistin Dioklea Hoxha gespielt, die mit Spielwitz und strahlender Stimme zu begeistern wusste.

Ipomenes Amme Delfa wurde vom britischen Tenor Joel Williams mit warmer Stimme gesungen, zusätzlich spielte er auch den Zweiten Stallknecht. Ebenfalls zwei Rollen hatte der junge finnische Tenor Juho Punkeri übernommen. Neben dem Ersten Stallknecht spielte er Atraces Ratgeber Tidemo, der von Acrimante ermordet wird und vom König als Statue ein Denkmal erhält. In dieser zweiten Rolle hatte der finnische Tenor im letzten Akt seinen großen Auftritt, als er seinen Mörder ins Totenreich „entführt“. Eine starke Szene, die dem Publikum mit Sicherheit im Gedächtnis bleibt!

 In kleineren Doppelrollen standen noch die ukrainische Mezzosopranistin Nataliia Kukhar als Atraces Cousin Cloridoro und als Proserpina sowie der chilenische Bariton Ramiro Maturana als Diener Niceste und Dritter Stallknecht und der Bass Rocco Lia als Caronte und Capitano auf der Bühne.


Acrimante (Anna Hybiner) wurde zum Erstaunen seines Dieners Bibi (Lorenzo Barbieri) „eingeschläfert“ (Foto: Brigitte Duftner)

Das Premierenpublikum – corona-bedingt auf Einzelsitzen placiert – spendete dem Sängerensemble, dem Orchester und dessen Dirigentin sowie dem Regieteam nicht enden wollenden Applaus mit vielen Bravorufen. Auch diese Ausgrabung einer frühbarocken Oper wurde für die Innsbrucker Festwochen der Alten Musik zu einem großen Erfolg.

Udo Pacolt

 

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