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INNSBRUCK/ Festwochen der Alten Musik: LEONORA von Ferdinando Paër. Premiere

08.08.2020 | Oper


Alessandro De Marchi, der Intendant der Festspiele. Foto: Kirian West

Innsbrucker Festwochen der Alten Musik 2020:

„Leonora“ von Ferdinando Paër (Premiere: 7. 8. 2020)

Am 7. August 2020 starteten die 44. Innsbrucker Festwochen der Alten Musik im Tiroler Landestheater mit einer hochinteressanten Opernrarität: „Leonora“ von Ferdinando Paër. Dieses Werk, das seine Uraufführung im Oktober 1804 in Dresden feierte, beruht auf demfranzösischen Libretto Léonore ou L’amour conjugal von Jean Nicolas Bouilly aus dem Jahr 1794. Es hat die gleiche Handlung wie Beethovens Oper Fidelio, die in der Erstfassung ebenfalls Leonore hieß und im November 1805 im Theater an der Wien uraufgeführt wurde.

Die beiden Komponisten Ferdinando Paër und Ludwig van Beethoven kannten einander gut. Beide kamen im Jahr 1792 nach Wien, der aus Parma gebürtige Paër als Kapellmeister, Beethoven als freier Künstler. Paër suchte den freundschaftlichen Kontakt zum gleichaltrigen Beethoven, der ihn künstlerisch beeinflusste, aber auch seinerseits von Paër Anregungen empfing, wie der deutsche Musikwissenschaftler Richard Engländer (1889 – 1966) vermutet.

Ferdinando Paër (1771 – 1839) studierte in seiner Heimatstadt Parma, wo er als 20-Jähriger seine erste Oper Orphée et Euridice herausbrachte. Als Kapellmeister erlebte er mit seiner  Oper Griselda nach Boccaccio einen großen Triumph. Von 1797 bis 1801 leitete er in Wien das Kärntnertortheater, wo unter anderem  seine Werke Camilla und Achille – mit einem von Beethoven bewunderten Trauermarsch – uraufgeführt wurden. Anschließend war er bis 1806 Hofkapellmeister in Dresden, wo, wie schon erwähnt, seine Oper Leonora ossia L’amore conjugale entstand. Napoleon, der den Komponisten sehr bewunderte, veranlasste Paër, ihm nach Posen und Warschau zu folgen und sich schließlich in Paris niederzulassen, wo er die Opéra Comique und nach Spontinis Weggang das Théâtre Italien leitete. Sein erfolgreichstes Werk dieser Epoche wurde Le maître de chapelle (1821), ehe sein Opernschaffen versiegte. Am 3. Mai 1839 verstarb Ferdinando Paër in Paris.

Vor Beginn der Aufführung begrüßte Innsbrucks Bürgermeister Georg Willi die Gäste und erläuterte, dass das Motto der diesjährigen Festwochen „Und glücklich kehrt ewiger Gesang zurück“ passender denn je ist und zitierte die letzten Worte aus Leonora: „Ohne Anstrengung gelangt man nicht zum Glück“. Anschließend wandte sich die Kulturlandesrätin Beate Palfrader an die Theaterbesucher und bedankte sich bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Festwochen für ihr großes Engagement in den letzten Wochen.

 Nach der offiziellen Eröffnung wurde das Festwochenorchester unter der Leitung von Dirigent Alessandro De Marchi und das Sängerensemble mit tosendem Applaus auf der Bühne des Tiroler Landestheaters begrüßt. Alessandro De Marchi feierte mit der halbszenischen Aufführung von Leonora sein 10-Jahr-Jubiläum. Es gelangen ihm in diesem Jahrzehnt viele faszinierende Neuentdeckungen barocker Werke. Außerdem konnte er mit der Gründung des Cesti-Wettbewerbs eine wichtige Nachwuchsförderung junger Sängerinnen und Sänger der Alten Musik ins Leben rufen.

Im Programmheft der Oper Leonora, deren Text von Giuseppe Maria Foppa und Giacomo Finti stammt, bezeichnete man die Produktion als konzertante Aufführung mit szenischen Interaktionen. Für deren Umsetzung war die französische Opernregisseurin Mariame Clément verantwortlich, die für reichlich Leben auf der Bühne sorgte.


Leonora (Eleonora Bellocci) mit ihrem totgeglaubten Gatten Florestano (Paolo Fanale). Foto: Festspiele der Alten Musik/ Brigitte Gufler

Aus dem Sängerensemble ragten vor allem die beiden Sängerinnen heraus, die sowohl stimmlich wie auch „darstellerisch“ voll überzeugten. Als Leonora alias Fedele spielte die italienische Sopranistin Eleonora Bellocci ihre Rolle als treue Ehefrau Florestanos mit höchstmöglichem Einsatz, der vom Publikum des Öfteren mit Szenenapplaus bedacht wurde.  Ihr ebenbürtig war die Schweizer Sopranistin Marie Lys in der Rolle der Marcellina, der Tochter des Kerkermeisters Rocco. Leicht gewandet, hatte sie eine sehr erotische Ausstrahlung und war auch stimmlich erstklassig. Keine Höhe schien für sie ein Problem!

Der international bekannte sizilianische Tenor Paolo Fanale – er war auch bereits an der Wiener Staatsoper zu sehen –  spielte und sang den eingekerkerten Florestano gleichfalls überzeugend. Der italienische Bass Renato Girolami versuchte der Rolle des Kerkermeisters Rocco auf sympathische Weise menschliche Züge zu verleihen, während der italienische Bass Luigi De Donato als Gefangenenwärter Giachino mehr durch grimmiges Aussehen zu punkten versuchte. Als Liebhaber Marcellinas schien er nicht gerade glaubwürdig.

Der auch in Wien durch viele Auftritte bekannte italienische Tenor Carlo Allemano spielte den Gouverneur Don Pizzarro als Bösewicht recht anschaulich, währende der kroatische Tenor Krešimir Špicer als Minister Don Fernando und Grande von Spanien bei seinem Auftritt zu stark outrierte. 

Als Dirigent des Innsbrucker Festwochenorchesters agierte Alessandro De Marchi wie immer temperamentvoll und dennoch einfühlsam, sodass die melodisch klingende Partitur des Komponisten Ferdinando Paër wunderbar zur Geltung kam.

Das begeisterte Publikum – offensichtlich sehr glücklich, endlich wieder eine Opernvorstellung im Tiroler Landestheater erleben zu können – applaudierte am Schluss der Vorstellung minutenlang dem Sängerensemble sowie dem Orchester mit seinem Dirigenten De Marchi, der zu seinem zehnjährigen Jubiläum als Intendant der Innsbrucker Festwochen der Alten Musik noch extra mit Präsenten beschenkt wurde.

Udo Pacolt

 PS: Die Aufführung der Oper Leonora war ursprünglich als Koproduktion  mit den Schwetzinger Festspielen 2020 geplant, doch wurden diese wegen der Corona-Virus-Krise schon vor Monaten abgesagt. Für das Tiroler Publikum erfreulich, dass die Innsbrucker Festwochen der Alten Musik trotz aller Schwierigkeiten in diesem Jahr stattfinden. Ein Kompliment den Veranstaltern!

 

 

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