INNSBRUCK
„DIE SACHE MAKROPOULOS“ 13.2.2016 (Premiere) – Sternstunden brauchen Zeit
Überwältigende Persönlichkeit: Susanna von der Burg als Emilia Marty. Copyright: Rupert Larl
90 Jahre nach seiner Uraufführung in Brünn ist nun Leos Janáceks vorletzte Oper endlich in Innsbruck angekommen. Das lange Warten hat sich gelohnt, wer weiß, ob eine frühere Produktion dieses faszinierenden Werkes auch nur annähernd gelungen wäre wie diese Erstaufführung. Diese Inszenierung ist an Vollkommenheit nur schwer zu übertreffen und zeigt auf, zu welchen Pioniertaten das Tiroler Landestheater fähig ist. Diese Innsbrucker „Makropulos“-Realisation braucht internationale Vergleiche nicht zu scheuen – im Gegenteil. Reisende in Sachen „Makropulos“ bezeichneten nach der Premiere die Innsbrucker Produktion als die stimmigste, die sie in den letzten Monaten auf ihren Opernreisen gesehen haben. Gegenwärtig herrrscht ja kein Mangel an „Makropulos“-Aufführungen (Wien im Dezember, aktuell zeigen die Spielpläne Aufführungen der „Sache“ in Berlin, Frankfurt, Göteborg und Strasbourg, um nur einige Bühnen zu nennen).
Die Intendanz des TLT tat gut daran, für die hiesige Erstaufführung jenes Regieteam zu engagieren, das vor zwei Jahren „Tiefland“ zum Sensationserfolg verhalf. Regisseur Kurt Josef Schildknecht, Bühnenbildner Heinz Hauser und Kostümkünstlerin Gera Graf gelang das Kunststück, das Publikum stets aufs Neue zu fesseln. Ohne modischen Schnick-Schnack gelang den Dreien die Handlung derart schlüssig ablaufen zu lassen, als fände diese soeben statt. Hausers geniale Bühnenbilder schwanken stats zwischen Realität und Surrealem. Grafs Kostüme, vornehmlich jene von Emilia Marty, zeugen von erlesenem Geschmack und Schildknechts Personenregie läßt keinen Leerlauf, keine Banalität zu. Wen wundert’s, daß die für die Szene Verantwortlichen am Ende ebenso gefeiert wurden wie Musiker und Sänger.
Und es darf weiter geschwärmt werden. Was MD Francesco Angelico aus dem bestens disponierten Tiroler Symphonieorchester Innsbruck an Klangpracht hervorzauberte, verdient höchste Anerkennung. Das Orchester, so Angelico, erfüllt die Funktion des Chores in einer griechischen Tragödie. Der ständige komplexe Rhythmus- und Harmoniewechsel, das psychologische Kommentieren des Gesungenen erfordern ein hellwaches, blitzschnell reagierendes Orchester. Das TSOI ließ diesbezüglich keinen Wunsch offen.
Susanna von der Burg (Emilia), Arnold Bezuyen (Albert) und Scott MacAllister (Vitek) v.l.. Copyright: Rupert Larl
Auf der Bühne begeistert ein Ensemble, das sich auf Janáceks fordernde Klangmelodie eingeschworen hat. Oft schon wurden Susanna von der Burg für ihre großartigen Leistungen Rosen des Lobes gestreut. Mit der Emilia Marty hat die sympathische Künstlerin eine neue Traumrolle gefunden. Stimmlich in Höchstform fächerte sie den vielschichtigen Charakter dieser rätselhaften, 337 Jahre leben Müssenden mit allen Facetten ihrer Kunst genial auf. Eine Meisterleistung! Stark auch Emilias Umfeld an Bewunderern und von ihr als Mittel zum Zweck benützten Mitmenschen: der kraftvolle, persönlichkeitsstarke Jaroslav Prus von Bernd Valentin, der liebenswürdig-tollpatschige, tragisch endende Janek von Joshua Lindsay, der höhenstarke Albert Gregor vom als Schotten gezeichneten Arnold Bezuyen, der senile Ex-Liebhaber Hauk-Sendorf vom Menschengestalter Dale Albright, der elegante Advokat Dr. Kolenatý des sich seit seinen Anfängen prachtvoll entwickelten Andreas Mattersberger, der Kanzleivorsteher Vitek mit der Luxusbesetzung Scott MacAllister, dessen Bühnentochter Krista, die Emilia von ihrem Leben in Ewigkeit erlöst, von Diana Selma Krauss mit lichtem Mezzo umgesetzt sowie Brynne McLeod (Kammerzofe), Stanislaw Stombolov (Maschinist) und Saiko Kawano (Putzfrau). Allen Sängern gebührt ein besonderes Lob für die extreme Wortdeutlichkeit.
Das Publikum wußte die besondere Qualität dieser Premiere zu würdigen und überschüttete alle Beteiligten mit stürmischen, von Ovationen durchsetzten, minutenlangen Applaus-Salven. Ein Abend der Superlative!
Dietmar Plattner