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INGELA BRIMBERG (Brünnhilde der „Walküre“ in Bordeaux 2019)

31.05.2019 | Sänger

Interview mit Ingela Brimberg, Brünnhilde der „Walküre“ in Bordeaux – 20. Mai 2019


Ingela Brimberg. Foto: Malin Arnesson

Kurz vor der zweiten Aufführung der neuen „Walküre“ von Julia Burbach in Bordeaux konnte ich noch die Brünnhilde der Produktion interviewen, danach auch noch Evgeny Nikitin, den Wotan, beide natürlich kürzer als sonst. Uns kam jedoch zugute, dass sie ja erst im 2. Aufzug auftreten, so dass nur ich auf die Uhr schauen musste, um den Beginn nicht zu verpassen. Die Interviews mit beiden Protagonisten waren äußerst unterhaltsam – hier jenes mit Ingela Brimberg. Sie ist vielen Wiener Wagner-Freunden bekannt aus der dreiteiligen Produktion des „Ring des Nibelungen“ durch Tatjana Gürbaca am Theater an der Wien im Dezember 2017, als sie trotz einer speziellen und reduzierten Sicht auf die „Ring“-Figuren den größten Teil der Brünnhilde sang.

  1. Wie begann und entwickelte sich Ihre Karriere?

Ingela Brimberg studierte an der Akademie für Musik und Drama an der Universität Göteborg. Sie begann zunächst als Mezzosopran und sang Rollen wie Rosina und Cherubino. Ihr Debut als Sopran machte sie 2003 mit der Konstanze aus „Die Entführung aus dem Serail“  mit der Folkoperan in Stockholm. Später sang sie die Amelia im „Maskenball“, Donna Anna in „Don Giovanni“ und die Jenufa an der Norrlands Operan sowie Katja in „Katja Kabanova“ an der Göteborg Opera, Lady Macbeth in Toulon und die Elektra in einer spektakulären Produktion der Fura dels baus in Umea, damals Europäische Kulturhauptstadt. Mittlerweile hat sie mit namhaften Dirigenten zusammen gearbeitet wie Marc Minkowski, Donald Runnicles, Esa-Pekka Salonen, Daniel Harding, Leif Segerstam und anderen.

  1. Wie kamen Sie zu Richard Wagner, angesichts Ihres Erfolges als Brünnhilde in Wien?

Es war 2012 oder 2013, als sie Marc Minkowski am Théatre de la Monnaie in Brüssel traf. Sie hatten damals ein Problem, und sie kam recht spät in eine Produktion der „Hugenotten“ von Meyerbeer. Es war eine schöne Zusammenarbeit, und am letzten Abend sagte Marc zu ihr „Wir sollten ‚Holländer‘ machen!“ Sie war zunächst etwas überrascht, aber einige Monate später bekam ihr Agent einen Anruf und fragte sie für einen konzertanten „Holländer“ an, und zwar in der Pariser Fassung von 1841 mit leicht veränderten Rollen. Das wurde ein Erfolg, und sie sang daraufhin die Senta in Luxemburg, Madrid, auf einem Festival in Genf, in Berlin an der DOB und im Theater an der Wien unter Marc Minkowski in einer Produkten von Olivier Py, den sie sehr schätzt. Wir beide kamen zur Auffassung, dass Py endlich einen „Ring“ machen solle. Mit ihm machte Brimberg auch ein „Lohengrin“ 2018 am Théatre de la Monnaie, ein schockierendes Regiekonzept, das die Zeit nach dem 2. Weltkrieg thematisierte. Aber sie fand es sehr interessant.

  1. Wie kam sie zur Brünnhilde?

Sie meint entwaffnend, dass sie alles in der falschen Reihenfolge gemacht habe. Als sie die Senta im „Fliegenden Holländer“ im Theater an der Wien machte, fragte Intendant Geyer sie am Ende, ob sie in einem neuen „Ring“-Projekt , eben jenem von Tatjana Gürbaca 2017, die Brünnhilde singen wolle. „And I said: Yes please!“, obwohl es ein massives Projekt war. So machte sie die Brünnhilde vor der Elsa, die erst im Frühjahr 2018 am Theater an der Wien folgte. Elsa hat sie sehr beschäftigt, „since 100 years“, weil sie sehr zu ihrer Stimme passt. Aber die Psyche von Elsa und wie der „Lohengrin“ konzipiert ist, das ist für sie schon schwer nachvollziehbar. Eine Rolle wie Elsa als Frau ist aus heutiger Sicht kaum zu fassen. Mit der Inszenierung von Oliver Py thematisch um das Ende des 2. Weltkriegs funktionierte es aber sehr gut.  

Man sollte für die Elsa eine runde Stimme haben, auf die man sich verlassen kann. Man muss wissen, wie man „das Gebäude den ganzen Abend über macht.“ Elsa ist sehr gesangsfreundlich. Brimberg hat regelrecht „Lust, ja Begierde, diese Rolle zu singen.“ Und es kommt ganz stark auf die Mimik und das darstellerische Engagement an.

  1. Die Isolde steht kurz bevor?

Ja, in diesem Herbst wird sie in Köln ihre erste Isolde singen, in der Messehalle, also immer noch in einem Ausweichquartier. Dieses Werk ist für Ingela Brimberg etwas ganz Besonderes. Die Musik ist so intensiv, dass man in gewissen Momenten gar nicht so viel Handlung haben kann, z.B. dieses „verrückte Duett“ zu Beginn des 2. Aufzugs. „Das ist so intensiv!“ Man muss einen Weg finden, mit den Gegebenheiten zurecht zu kommen und sich dann aber ganz auf die Musik konzentrieren. Man darf weder zu cool sein noch zu engagiert. Man muss mit der Musik gehen, sich von ihr tragen lassen, um ganz mit ihr zusammen zu sein. Sie freut sich schon sehr auf dieses Debut.

  1. Als schwedische Brünnhilde – was halten Sie von Ihren großen Vorgängerinnen Birgit Nilsson und Astrid Varnay?

In der Tat, das waren und sind immer noch große Vorbilder. Leider hat sie von beiden nur Aufnahmen hören können. Bei Birgit Nilsson hört sie sich diese an, um Inspiration und Rat zu finden. Mit welchen Tempi sang sie die Rolle, wie waren die accelerandi? „Eine Aufnahme von Birgit Nilsson anzuhören kommt einer perfekten Lehrstunde gleich“. Bei ihr „you get it clear and divining.“

Astrid Varnay ist „eine andere Welt” für Ingela Brimberg. Der reiche, cremige Klang ihrer Stimme hat für sie manchmal fast etwas Hypnotisches… Sie erinnert sie etwas an Erna Schlüter auf der Aufnahme der „Elektra“ unter Eugen Jochum 1944. Marta Mödl wiederum ist nicht ihr Ding. Sie vermittelt zwar sehr viel Gefühl, aber ihre Interpretation ist letztlich nicht klar für Ingela Brimberg, „there have to be clear turning points in the development of the character…!“

Dann kommt sie noch auf Lotte Lehmann zu sprechen als weiteres Beispiel für die Faszination, wie diese Sängerinnen früherer Zeiten gesanglich den Text mit dem Charakter der Rolle zu verbinden vermochten. Gerade das ist so attraktiv und berührend, aber auch schwer zu verwirklichen. Wenn es gelingt, kann die enge Verbindung von Text und gesanglicher Umsetzung Momente der Überraschung schaffen und neue Perspektiven eröffnen, sowohl für das Publikum als auch für den Künstler. Lotte Lehmann war eine Sängerin, die so etwas realisierte. Ist diese Integration von Text und Stimme heute in unserer hektischen und schnelllebigen Zeit vielleicht noch schwerer geworden? Einige schaffen es offenbar auch heute noch. Ingela Brimberg hält Camilla Nylund für eine Sängerin, die diese Magie auf der Bühne entstehen lässt.

  1. Was sind Ihre künftigen Pläne?

Im Herbst kommt also die Isolde in Köln. Im November/Dezember die „Höstsonaten“ („Herbstsonaten“) vom finnischen Komponisten Sebastian Fagerlund aus dem Jahre 2017 an der Finnish National Opera in Helsinki. Die nächste Brünnhilde wird sie in der Carsen-„Walküre“ im Februar 2020 am Teatro Real de Madrid singen. Und im Mai 2020 ist wieder die Senta an der DOB geplant.

Ich bin mir aber ganz sicher, dass man Ingela Brimberg in Zukunft immer mehr im schweren Fach von R. Wagner und R. Strauss hören wird. Und das ist gut so! Ich wünsche ihr dazu viel Erfolg. (Das Interview wurde auf Englisch geführt).                                                    

Klaus Billand

 

 

 

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