„Immer bekam der blöde Tenor die Dame“. Bernd Weikl beim Richard-Wagner-Verband Wien
Dr. Thomas Trabitsch, Direktor des Theatermuseums Wien und KS Bernd Weikl nach der Übergabe der Falstaff- Puppe im Palais Lobkowitz im Gespräch. Foto: privat
Wie schade, daß Agnes Pistorius, vormals Kuratorin für die Sammlungen: Gemälde und Künstlerandenken des Wiener Theater Museums, diesen Abend nicht mehr erlebt hat (sie verstarb Ende August). Als man ihr von Bernd Weikls Falstaff-Inszenierung in Kaiserslautern 2010 und von der Funktion der Falstaff-Puppe darin erzählte, war sie fasziniert: Eine Puppe, die nicht Requisit, sondern Mitspieler ist, das ist, wenn nicht singulär, so doch sehr selten. Frau Pistorius ruhte nicht, bis sie sie für die Puppensammlung des Museums bekam. Zur Übergabe am 9. September kam Bernd Weikl nach Wien.
Foto: Pfalztheater Kaiserslautern
In seiner Inszenierung war die Puppe einerseits Stellvertreter des Darstellers, wurde z.B. statt seiner ins Wasser geworfen. Sie war aber gleichzeitig auch sein früheres Ich, der schlanke, junge Page des Herzogs von Norfolk, dem es zweifellos leichter gefallen wäre, die Damen Alice und Meg zu erobern, als dem abgetakelten Sir John. Deshalb schob er bei seiner Werbung immer wieder sein anderes Ich vor, die Damen sollten ihn so wahrnehmen, wie er einmal war. Da man aber „immer die/der gleiche ist“, wie die Marschallin weiß, fühlte sich auch der alte Falstaff zweifellos durch sein Alter ego verjüngt.
Der Titel für den Abend, zu dem der Wiener Wagner-Verband anlässlich der Übergabe der Puppe einlud, ist (natürlich) ein Zitat von Bernd Weikl. Präsidentin Liane Bermann paraphrasierte, der Bariton sei „das ärmste Schwein der Oper“. Oft wurde allerdings betont, dass der Bariton, zumal in der Oper des 20. Jahrhunderts, „der Mensch in seinem Widerspruch“ sei, was ihn von den Heldentenören unterscheide, die oft Märchenfiguren ohne psychologische Tiefe seien: Siegfried ist ebensowenig menschlich wie Superman. Wozzeck, der Prinz von Homburg Henzes, Rigoletto, Renato im Maskenball, Posa, Iago, Hans Sachs… sind problematische Charaktere und insofern sehr dankbare Rollen (auch, wenn zuletzt ein anderer das Mädel kriegt).
Vor einem zahlreichen Publikum verwies Weikl auf wichtige Stationen seiner Biographie und gab viel Persönliches preis. Eines seiner ersten Bücher – inzwischen hat er eine ganze Reihe veröffentlicht, zu ganz unterschiedlichen Themen – trug den (natürlich nicht ironiefreien) Titel Meine Weltkarriere als Opernsänger. Trotz mancher Rückschläge und Absagen, die zweifellos schmerzlich waren, entwickelte sich diese Karriere alles in allem bemerkenswert zügig und geradlinig: Im Alter von dreißig Jahren sang er erstmals bei den Bayreuther Festspielen, von 1972 bis 1996 trat er 25 Spielzeiten in Folge in Bayreuth auf, bevor er sich zum Rücktritt entschloss. 1972 debütierte er auch an der Wiener Volksoper, wenig später an der Staatsoper.
Dass bei negativen Kritiken z.B. in Amerika Deutschenfeindlichkeit eine Rolle spielt, wie Weikl annimmt, ist nicht unwahrscheinlich (unser aller Denken ist viel mehr von nationalen Stereotypen geprägt, als wir wahrhaben wollen). Allerdings sind, um Frau Bermann zu variieren, die Kritiker die ärmsten Schweine im Opernbetrieb. Wenn (wie kürzlich zum x-ten Mal an Pasquinis Idalma bei den Innsbrucker Festwochen der Alten Musik zu beobachten) zwei, durchaus erfahrene, Kritiker sehr ähnliche Beobachtungen machen, aber zu diametral entgegengesetzten Wertungen kommen, wird klar, dass man Opernkritiken in etwa den Verbindlichkeitsgrad der Horoskope in Tages- und Wochenzeitungen zugestehen sollte. Wenn freilich Intendanten, Operndirektoren, das künstlerische Betriebsbüro… die Kritiken zur Grundlage ihrer Engagements machen, weil sie selbst nicht über Kriterien für die Beurteilung von Sängerleistungen verfügen, wird es grotesk, da hat Bernd Weikl völlig recht.
Das Publikum verabschiedete den in Wien sehr beliebten Sänger mit langem, herzlichen Beifall.
Prof. Dr. Albert Gier
KS Bernd Weikl mit seinem alter ego aus der legendären Falstaff-Inszenierung von 2010 – die nun ihr neues Zuhause im Theater-Museum der Stadt Wien gefunden hat. Foto: privat
Szenenfoto aus der Falstaff-Inszenierung 2010 am Pfalztheater Kaiserslautern. Copyright: Pfalztheater Kaiserslautern.