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Ida Seeböck: HERWIG SEEBÖCK

11.05.2013 | buch

Ida Seeböck:
ES WIRD IHNEN EINE LEHRE SEIN
HERWIG SEEBÖCK
Die Biographie
216 Seiten, Czernin Verlag, 2013

Herwig Seeböck (1939-2011) war für seine Heimatstadt Wien als Schauspieler, Kabarettist und „Original“ eine wichtige Erscheinung – aber doch nicht von jener Größenordnung, die unbedingt eine Biographie evozieren würde. Um hier einer Persönlichkeit, die auch als Zeitphänomen wichtig war, Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, hat Tochter Ida Seeböck nicht zugewartet: Ihr Vater ist noch nicht lange tot, und sie legt das Buch über ihn vor, das sie aus eigenem Wissen und Erleben, einem offensichtlich großen Bild- und Zeitungsarchiv und aus den Erinnerungen vieler, die Seeböck gekannt haben, bestreitet.

Seeböck war ein massiger Mann, schon in seiner Jugend, ein Bündel an Energie, Originalität und Kreativität. Bereits als Schulbub der geborene Fabulierer und Anführer, der vor nichts Angst hatte und die Mitwelt mit seinen Streichen in Aufregung hielt. Kein Wonneproppen als Sohn, wohl auch nicht als Gatte und Vater, aber in den letztgenannten Eigenschaften von seinen Lieben voll akzeptiert.

Ida Seeböck schildert die Karriere des vielfach begabten Multitalents, der nicht nur Schauspieler und Regisseur war, sondern auch Autor, auch Maler, auch ein offensichtlich begabter und leidenschaftlicher Dudelsackbläser: Seine Leidenschaft als Motorradfahrer (und Besitzer von bis zu 20 „Maschinen“!) wäre vielleicht auch zu seinen Talenten zu zählen…

Aber zu Beginn des Buches steht logischerweise das, was diesen Herwig Seeböck berühmt gemacht hat – weniger die Tatsache, dass er 1964 nach einer Stänkerei mit Polizisten für vier Monate ins Gefängnis musste (die Behörden fanden, es werde ihm eine Lehre sein – aber er zog ganz andere Konsequenzen daraus), sondern das, was daraus wurde. Nämlich mit Hilfe einiger erfahrener Kabarettisten, darunter Gerhard Bronner, ein Seeböck-Abend, der sich „Die große Häfenelegie“ nannte und die Seeböck nach der Uraufführung 1965 über dreitausend Mal gespielt hat. So zahm sich die Österreicher als Bürger auch geben, so sehr lieben sie die Aufmüpfigen von Seeböcks Zuschnitt, zumal wenn sie es den Behörden hineinsagen.

Als Schauspieler hatte Seeböck 1958 als Statist im Burgtheater begonnen, gründete gleichzeitig „Burgschauspiele am Leopoldsberg“, war dann Mitglied des Kabaretts „Der Würfel“, ging aber 1967 als Schauspieler nach Graz, wo er u.a. in Wolfgang Bauers „Magic Afternoon“ eine Idealbesetzung darstellte und für dessen Stück „Change“ 1967 ans Volkstheater in Wien geholt wurde – hier hatten sich die Richtigen gefunden. Als Seeböck später selbst Stücke schrieb (u.a. „Die Sandhasen“ 1971), die allerdings nur kurz erfolgreich waren, bewegte er sich auf derselben Schiene der Vollmundigkeit.

Im Wiener Theater war der „der Wilde“, und dank der Motorräder auch „der Wilde mit seiner Maschin’“, wie ein Bronner / Qualtinger-Song lautete, der Seeböck auf den Leib geschnitten gewesen wäre… abgesehen davon, dass er und Qualtinger zwar nur einmal miteinander auf der Bühne standen, aber heftige Saufkumpane waren.

1973 warb Gerhard Klingenberg Seeböck vom Volkstheater ab, wohl auch weil er dem Burgtheater ein wenig Bürgerschreck-Farbe verleihen wollte. Es gab hier allerdings für den potenten Darsteller Seeböck vor allem Nebenrollen, also verließ er das Haus bereits 1976 wieder (und sagte ihm in einem Zeitungsinterview „furchtbar schlechtes Arbeitsklima und heilloses Durcheinander“ nach).

Wieder am Volkstheater hatte er ein paar große Erfolge. Seit 1970 in zweiter Ehe mit der Schauspielerin Erika Mottl verheiratet (Tochter Ida, die Autorin, kam 1971 zur Welt, Sohn Jakob, mittlerweile als TV-Serien-Schauspieler bekannt, folgte 1976), erlebte er produktive Jahre, auch bei Sommerfestivals (in Salzburg war er in Strehlers „Spiel der Mächtigen“ dabei), und nun konnte er auch seiner Leidenschaft für das Regieführen frönen. Im „International Theatre“ erwies er sich bei Eugene O’Neill der englischen Sprache so perfekt mächtig, dass man ihn nicht als „Fremdsprachler“ erkannt hätte. Immer wieder spielte er gerne gemeinsam mit der Gattin (u.a. in dem Zwei-Personen-Klassiker „Educating Rita“). Daneben gab es eine Menge Fernsehen, darunter in so populären Serien wie „Der Salzbaron“.

2000 stand er (als Fortunatus Wurzel in Raimunds „Der Bauer als Millionär“ im Stadttheater St. Pölten) letztmals auf der Bühne. Seeböck selbst gab zu, dass sein exzessives, mit viel Alkohol getränktes Leben ihn seine Kräfte gekostet hatte. Immerhin gab er in den neunziger Jahren noch seine Erfahrungen als Schauspieler weiter, und eine ganze Generation hervorragender Kabarettisten – Alfred Dorfer, Josef Hader, Roland Düringer, Andrea Händler u.a. – ist durch seine Hände gegangen. Nicht nur sie legen über ihn die liebevollsten Zeugnisse ab.

In seinen letzten Jahren war es um Herwig Seeböck still geworden. Seine Gattin Erika Mottl erzählte, ihr Mann lebe völlig zurückgezogen und schreibe (mit der Hand) ganze Schulhefte voll. Auch Tochter Ida berichtet von den „Memoiren“ des Vaters, aber offenbar sind sie nicht so weit geraten, um sie zu veröffentlichen. Tochter Ida sprang ein, zeichnete ein ganz großes, reiches, buntes Bild des geliebten schwierigen Papas, drang unter die raue Schale – und sorgt jedenfalls dafür, dass man Seeböck nicht auf den „Häfen-Literaten“ reduzieren kann, wie es der Journalismus gerne verkürzend unternimmt.

Renate Wagner

 

 

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