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HOHENEMS/ Schubertiade: LIEDERABEND DANIEL BEHLE mit dem Liederzyklus „DIE SCHÖNE MÜLLERIN“

... und der Bach ist Protagonist ...

03.05.2019 | Konzert/Liederabende


mit Sveinung Bjelland und Daniel Behle C: Schubertiade

HOHENEMS / SCHUBERTIADE: Liederabend Daniel BEHLE mit dem Liederzyklus „DIE SCHÖNE MÜLLERIN“

 … und der Bach ist Protagonist …

2.5. 2019 – Karl Masek

Franz Schubert hat diese 20 Lieder nach Gedichten von Wilhelm Müller in den Monaten Oktober und November 1823 komponiert. Allem Anschein nach während eines längeren Spitalsaufenthaltes. Müllers Gedichtzyklus enthielt aber noch 3 weitere Gedichte: „Das Mühlenleben“, „Erster Schmerz, letzter Scherz“ – und „ Blümlein Vergissmein“. Müller hat aber auch einen Prolog und einen Epilog verfasst, in denen er in angeblich durchaus ironischer Weise als Vermittler der Texte spricht. Da hat Schubert – warum auch immer – auf eine Vertonung verzichtet. Der wie immer besonders gründliche Dietrich Fischer-Dieskau hat sich auch diese Texte nicht entgehen lassen und sie dann eben rezitiert …

Darauf wurde an diesem Abend verzichtet. Man erzählte die gewohnte Geschichte.  Der Müllersbursche findet nach einem Wechselspiel von Liebesfreud und Liebesleid durch den Freitod im Bach Erlösung. Wie auch im Programmheft zu lesen ist:  „Der Bach ist schicksalhafter Begleiter des Müllerjungen und fungiert zugleich auch auf semantischer Ebene als Bindeglied…“, so Gerhard Fend.

Daniel Behle, der aus Hamburg stammende Tenor und der Norweger Sveinung Bjelland sind dem Vorarlberger Schubert-Festival mittlerweile gute alte Bekannte, bestritten doch beide ihr Debüt 2012 und gastieren seither regelmäßig in Hohenems und oben in Schwarzenberg.

Dass beide „Die schöne Müllerin“ schon etliche Male gemeinsam aufgeführt hatten, merkte man ihren Interpretationen in keinem Moment an. Wo sich mitunter die Routine im negativen Sinne und allzu große Sicherheit einschleichen könnte: Das klingt bei ihnen mit einer Frische und Unmittelbarkeit des Ausdrucks, als ob es das erste Mal wäre.

Mit rasantem Wandertempo wird da losgelegt, zugleich aber auf die kleinsten Nuancen in diesem Strophenlied (das jeder im Saal mitsingen könnte) geachtet. Die Sextolenbegleitung beim Lied „Wohin?“. sprudelt munter dahin, um dann die Stimmungsschwankungen des glücklich- unglücklichen Burschen mit den G-Dur/e-Moll – Modulationen (genial, wie Schubert das mit scheinbar so einfachen Rückungen einfängt!) Klang werden zu lassen.

Der Bach ist der Protagonist! Nicht erst beim Dialog mit dem Todgeweihten im vorletzten Lied und dem himmlischen E-Dur-Abgesang („Des Baches Wiegenlied“), der einem jedes Mal die Kehle zuschnüren  und die Tränen in die Augen treiben kann. Zugleich merkt man beim Mitlesen im Klavierauszug, da gibt es im Klavierpart hundert Jahre vor Alban Bergs „Wozzeck“ den obsessiven Todeston H als Dominante im doppelten Wortsinn!

Unglaublich viele scheinbar bisher Details gab es in einem Werk zu entdecken, das man ganz genau zu kennen glaubte! Wenn der Seelenzustand des unglücklich Verliebten kippt, das hektisch gesteigerte Accelerando, die pausenlosen, geradezu atemlosen Übergänge zwischen den Liedern 12 bis 14, der namenlose Zorn auf den Widersacher („Was sucht denn der Jäger am Mühlbach hier…“). Die tiefe Traurigkeit des drittletzten Liedes („Trockne Blumen“)  nach. dem Entschluss zum Freitod: Das alles bringt Daniel Behle mit bohrender Intensität und Stimmvaleurs von fahl-resigniert bis strahlend, wenn es etwa heißt: „Der Mai ist kommen, der Winter ist aus…“. In den besten Momenten kommt er mit seinem Edeltenor seinem erklärten Vorbild Fritz Wunderlich  nahe.

 Da gibt es eine enorme Bandbreite der Emotionen, nuancenreich sind die Dynamik und  die Stimmfarben. Obendrein sehr rasch wunderbar freigesungen!  Einige kraftvoll ausgesungene Steigerungen lassen den für die nächsten Monate geplanten Lohengrin (in Dortmund und Stuttgart)  schon erahnen. Und bei der künstlerischen  Partnerschaft mit dem kongenialen Pianisten  Sveinung Bjelland, man hat das Gefühl, die beiden verstehen und vertrauen einander blind.

Das Publikum im akustisch wunderbaren Markus-Sittikus-Saal  erjubelte sich 2 Zugaben. Dacapos von „Ungeduld“  und „Am Feierabend“. Und es war dann prompt  um noch eine Nuance besser …

 Karl Masek

 

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