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HOHENEMS/ SCHUBERTIADE: Liederabend mit Schubert, Brahms und einer Uraufführung

„Mozart und Beethoven reichen bis zum Himmel - Schubert kommt von dort“

02.05.2019 | Konzert/Liederabende

SCHUBERTIADE / HOHENEMS: Liederabend mit Schubert, Brahms und einer Uraufführung

„Mozart und Beethoven reichen bis zum Himmel – Schubert kommt von dort“

 30.4. 2019 – Karl Masek

Zitat Oskar Werner. Treffender kann man es fast nicht ausdrücken. Was wäre als Motto passender, wenn 2019 die Hohenemser und Schwarzenberger Tore zu den „Schubertiaden“ wieder geöffnet werden?

Die legendär ungezwungenen musikalischen Treffen im Wiener Biedermeier mit Franz Schubert und seinen Freunden warteten naturgemäß hauptsächlich mit Uraufführungen auf. Von Mal zu Mal wurden sie mit Ungeduld erwartet. Die „Locations“ waren brechend voll, wie die damaligen „Reportage-Gemälde“ eindrucksvoll belegen.

 Der Markus-Sittikus-Saal war an diesem Abend nicht ausverkauft. Und das war sehr schade. Man konnte wieder einmal vermuten, da hatten etliche  Schwellenangst vor der Moderne, vor zeitgenössischer Musik und vor dem „Ungewohnten einer Uraufführung“. Was natürlich nicht nur die Schuld eines konservativen Publikums ist, das sich nur auf Altbekanntes und oft schon Gehörtes einlassen will. Natürlich trugen auch Komponisten aus dem „Elfenbeinernen Turm“ und mit bewusster musikalischer Unzugänglichkeit zum Eindruck selbsterfüllender Prophezeiung bei nach dem Motto, das atonale Zeug könne man sich doch nicht anhören.


Kit Armstrong, auch ein Origami-Falter! C: Gesine Born

Eindrucksvoller als mit gleich zwei Kompositionen von Kit Armstrong konnte das Klischee, zeitgenössische Musik sei unzugänglich und nicht publikumswirksam, nicht widerlegt werden wie an diesem Abend! Die Multi-Hochbegabung, mittlerweile 27 Jahre, hat sich von den Wunderkindzeiten (Kompositionen mit 5, frühe Sensationen am Klavier, Studien von Mathematik, Physik, Chemie im Grundschulalter,… längst frei gestrampelt, sich nicht auf Dauer als Genie vermarkten und bestaunen lassen. Er pflegt inzwischen vielfältige musikalische Partnerschaften als Kammermusiker und Liedbegleiter und begibt sich damit immer wieder auf neues, spannendes Terrain. Und er beweist in seiner Weiterentwicklung als Komponist eindrucksvoll: es ist noch lange, lange nichts alles „wegkomponiert“!

Schon der 14-Jährige bestach damals, 2006,  mit einer gekonnten instrumentalen Version von „Der Struwwelpeter“ (!) für Viola und Klavier. Das achtteilige Werk (2006) erzählt die Geschichten vom Hans Guck-in-die-Luft, vom Suppen-Kaspar, vom Fliegenden Robert,…ohne Worte, aber mit „sprechendem“ Ausdruck. Mit der jungen Bratschistin Barbara Buntrock (die Wuppertalerin ist Tochter eines Geigenbauers und einer Cellistin) hat er eine kongeniale, virtuose Partnerin. In der „Geschichte vom wilden Jäger“, in welcher der Schwächere, nämlich der Hase, siegt, toben sich beide musikalisch so richtig aus. Der Jubel galt einem gekonnt gemachten Stück mit Sarkasmus und parodistischem Witz, so als würde Schostakowitsch ums Eck schauen. Naja, und die Gedanken, dieses erfolgreichste Kinder-Bilderbuch des 19.Jhts mit fürs 21. Jht steinzeitlichem pädagogischen Ansatz, sei heutzutage völlig unzeitgemäß, blieben für 20 Minuten ausgeblendet.

Ebenfalls mit Jubel akklamiert wurde die Uraufführung „Selig sind die Enttäuschten“ ,Lieder nach Gedichten von Ulla Hahn (Jg. 1946). Tiefsinnige Gedanken zu Lebenserfahrungen von Frau und Mann. Von Zweifeln, von der Desillusionierung vom wieder-zu-sich-Finden. Sehr hintergründige Texte. Mit subtilen Farben für Klavier, Viola, Mezzosopran und Bariton, arbeitet hier  der Komponist Armstrong. Ein klangsattes, kunstvolles, polytonales Kompendium beziehungstechnischer Erfahrungswerte.


Barbara Buntrock (Viola), Sophie Rennert, Benjamin Appl. C: Schubertiade Hohenems

Die aus Graz stammende Sophie Rennert, aufstrebend in der Opern- und Liederszene, noch keine 30, und der gebürtige Regensburger Benjamin Appl, er ein Mittdreißiger und schon mittendrin in der Weltkarriere, beeindruckten mit kluger Textdurchdringung und warmgetönter Stimmästhetik. Das finale Duett der beiden,  „Morgenlob“,  war Poesie pur, mit prachtvoller Viola-Grundierung durch Barbara Buntrock.

Und natürlich Schubert! Benjamin Appl befasste sich mit Jugendwerken frühester Zeit, den Liedern „An den Mond“ des 18-Jährigen sowie den Geniestreichen „Schäfers Klagelied“, op.3/1 und „Meeres Stille“, op. 3/2. Atemberaubend, wie Schubert, der damals 17-Jährige glatte Meeresfläche, ungeheure Weite, „Todesstille“,  musikalisch umsetzt!  Appl, ungemein textdeutlich, hier mit verinnerlichten Pianissimotönen. Um beim „Erlkönig“, op.1, sein interpretatorisches Meisterstück an diesem Abend abzuliefern. Er war Erzähler, Vater, Kind und Erlkönig. Mit „vier Stimmen“ – und dem Sog eines unheimlichen Accelerandos samt dem Zusammenbruch des Vaters beim Anblick des toten Kindes. Da bricht sogar dem Erzähler bei „ …in seinen Armen das Kind war tot…“  die Stimme. Ein Moment mit Gänsehaut-Effekt …

Sophie Rennert überzeugte mit weichem Timbre, schwebender Tongebung. Diese schöne Stimme mit besonderen Legato-Qualitäten und der silbern lyrischenTönung scheint mir in Richtung Sopran zu tendieren. Abgeklärt das Brahms-Lied des 60-Jährigen,  „Gestillte Sehnsucht“;  mild strömend und innig im Ausdruck „Geistliches Wiegenlied“ (Text: Emanuel  Geibel, nach Lope de Vega). Kit Armstrong,  er ist einen Abend lang ein differenzierter, hellwacher, ausdrucksstarker Liedbegleiter.

 Eine japanische Miniatur, schwerelos wie Origamikunst: Toru Takemitsus Poem „A bird came down the walk“,  für Viola und Klavier (aus dem Jahr 1995),  rundete diesen so abwechslungsreichen und spannend programmierten Abend trefflich ab.

Karl Masek

 

 

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