Don Giovanni am Theater für Niedersachsen in Hildesheim. Premiere am 17. September 2016
Don Giovanni (T. Sharp), Donna Anna (A. Ezenarro), Don Ottavio (K. Klironomos). Copyright: Jochen Quast
Zum Ende dieser gerade begonnenen Saison verabschiedet sich Werner Seitzer nach mehr als 30 Jahren als Chefdirigent, in den letzten Jahren auch Operndirektor, des Hildesheimer Theaters. Grund genug also, die letzte Saison mit gewichtigen Figuren der – nicht nur – Opernliteratur anzureichern. Der Bogen reicht von Don Giovanni bis Faust. Mit Ferruccio Busonis selten zu hörender Faust-Oper dirigiert Seitzer im April kommenden Jahres seine letzte Premiere am Haus. Zum Auftakt ließ er den Wüstling Don Giovanni auf die Bühne.
Der spanische Regisseur Guillermo Amaya ist seit letzter Saison fest als Oberspielleiter am Hildesheimer Theater. Er sucht nicht nach dem größtmöglichen Potential, die Geschichte in unsere Zeit zu drängen, sondern vertraut ganz darauf, dass sie so funktioniert, wie sie sich im zeigt. Sein Bühnen- und Kostümbildner Philippe Miesch gewandet die Figuren, vor allem die Edlen, ganz im Anklang an die reale Zeit der Geschichte. Verschiebbare Wandelemente und ein Prospekt mit Himmel und Bäumen für den Hintergrund reichen aus, einen flexiblen Bühnenraum zu schaffen, der mit wenigen weiteren Requisiten die Schauplätze der Handlung darstellt. Je nach Sehgewohnheiten mag dem einen oder anderen Besucher die Aufführung zu „traditionell“ oder „konservativ“ erscheinen. Das ist sie sicher auch, aber im besten Sinne des Wortes. Amaya und Miesch stellen einen historischen Rahmen auf, ohne zu historisieren, die Menschen auf der Bühne wirken nicht als Statuen vergangener Zeiten, sondern zeigen ganz heutige Emotionen. Handwerklich ist das alles sehr gut gemacht und es entsteht eine durchweg dichte Aufführung, die nur selten die Konzentration auf den Fortgang der Geschichte verliert. Die Geschichte zu erzählen gelingt Amaya dicht und schlüssig.
Dabei hilft ihm das durchweg spiel- und singfreudige Ensemble. Timothy Sharp gibt mit mit hellem, schlankem Bariton den mal gefährlichen, mal aber auch zweifelnden und ängstlichen Verführer. In Levente György als Leporello hat er nicht nur einen wunderbaren Gegenpart in Wesen, Spiel und Statur, mit seinem fülligen und sehr flexiblen Bass macht György die Figur mühelos zur zweiten männlichen Hauptfigur.
Das Damentrio verkörpert sehr überzeugend die unterschiedlichen Charaktere. Arantza Ezenarro steigert sich mit ihrem silbrig gefärbten, höhensicheren und zunehmend sicherer geführten Sopran wunderbar in das reine Wesen der Donna Anna, schwankend zwischen der Anziehung durch Giovanni und ihrer Liebe zu Don Ottavio. Sabine Paßow, langjähriges Mitglied der Komischen Oper Berlin und erfahren im dramatischen Sopranfach, kehrt für ihrer erste Donna Elvira nach Hildesheim zurück. Ihre reife Stimme ist nicht nur ein ungemein passender Kontrast zu der Arantza Ezenarro, sie verkörpert damit auch absolut überzeugend einen ganz anderen, viel erfahreneren Frauentyp. Obendrein bleibt sie der Elvira stimmlich mit ihrem runden, manchmal etwas metallischen und klangschönen Sopran nichts schuldig. Martina Nawrath schließlich fügt sich mit ihrem hellen, leichten Sopran nahtlos als unschuldige Zerlina in die Damentrias ein.
Donna Anna (A. Ezenarro), Don Ottavio (K. Klironomos), Donna Elvira (S. Paßow), Zerlina (M. Nawrath), Massetto (P. Kubik). Copyright: Jochen Quast
Konstantinos Klironomos darf als Ottavio nur die zweite Arie im zweiten Akt singen, das tut er, wie auch die übrigen Duette und Ensembles, als treu wartender zukünftiger Ehemann. Mit viel Temperament bringt Peter Kubik seinen hellen Bariton als Masetto zum Klingen. Den Komtur schließlich gibt Uwe Tobias Hieronimi, der – als langjähriger erster Bariton am Haus – zwar nicht über die schwarze Basstiefe verfügt, die der Figur so gern mitgegeben wird, der Figur gleichwohl starke Präsenz und Autorität verleiht.
Auf der Grundlage der deutschen Übersetzung des Librettos von Hermann Levi hat Werner Seitzer eine neue Bearbeitung für die Hildesheimer Aufführung erarbeitet. Auch bei nicht in jedem Moment der Aufführung optimaler Textverständlichkeit ist es sicher in einem so kleinen Haus gut machbar, das Stück auf deutsch aufzuführen, weil sich so doch insgesamt die Handlung transparenter ans Publikum bringen lässt. Ein paar Aktualisierungen der Sprache sind Geschmackssache, in den gefährlichen Rezitativen und einigen heiklen Ensembles hält das Deutsche jedoch dem vitalen Tempo der Musik gut stand.
Werner Seitzer führt sein Ensemble mit souveräner Hand durch den Abend. Die Ouvertüre setzt er mit zügigem Tempo und schlankem Klang an, fernab jeglicher romantisierender Sichtweise auf die Partitur, die ihr sicher auch nicht gut tut. Das insgesamt sehr gut aufgelegte Orchester belässt er ganz in seiner begleitenden Funktion, ohne, etwa zu den Aktschlüssen, die dramatischen Momente auszusparen und ebenfalls ohne die vielen instrumentatorischen Delikatessen Mozarts nicht genau passend in den Vordergrund zu stellen.
Starker, wenngleich nicht sehr langer, Beifall und viele Bravos für eine rundum geglückte Aufführung und einen starken Start in die neue Spielzeit.
Christian Schütte