Szenenbild der ausgegrabenen Donizetti-Belcanto-Oper „Adelia“ (Copyright: Falk von Traubenberg)
Tolle Opernausgrabung in Hildesheim: „Adelia“ von Gaetano Donizetti (Vorstellung: 13. 5. 2018)
Mit einer tollen Opernausgrabung wartete das Theater für Niedersachsen in Hildesheim auf: „Adelia“ von Gaetano Donizetti. Diese Deutsche Erstaufführung der Melodramma serio genannten Oper „Adelia“, die im Jahr 1841 ihre Uraufführung in Rom hatte, geriet – wie viele der 74 Opern Donizettis – bald in Vergessenheit und fand nun in Hildesheim als Wiederentdeckung ein begeistertes Publikum.
Der Inhalt der Oper, deren Libretto von Felice Romani und Girolamo Maria Marini stammt, in Kurzfassung: Der junge Edelmann Oliviero soll Adelia verführt haben und wird deshalb von ihrem Vater Arnoldo beim Herzog verklagt. Dieser verurteilt Oliviero zum Tode. Arnoldo wird jedoch durch die Klagen seiner Tochter erweicht und bittet daher, dass die Familienehre stattdessen durch die Heirat der jungen Liebenden wiederhergestellt wird. Der Herzog willigt ein, plant aber die Hinrichtung des Edelmannes nach vollzogener Hochzeit. Verbotene Liebe, Macht und Verrat – Gaetano Donizettis Belcanto-Oper Adelia bietet zahlreiche Anlässe für dramatische Wendungen!
Und diese Wendungen brachte der spanische Regisseur Guillermo Amaya sehr bühnenwirksam und realistisch auf die Bretter des Theaters für Niedersachsen, wobei er auf läppische Anspielungen auf die jetzige Zeit verzichtete. „Für mich haben übertriebene Modernisierungen keinen Mehrwert“, erklärte er in einem im Programmheft abgedruckten Gespräch. Er stellte lieber die Emotionen der Figuren in den Vordergrund, allen voran jene der Titelfigur Adelia.
Die mit wenigen Requisiten auskommende Bühnengestaltung verantwortete Hannes Neumaier, die zum Thema und der Zeit gut passenden Kostüme entwarf Franziska Müller.
Das Orchester des TfN gab unter der Leitung des russischen Dirigenten Sergei Kiselev – er studierte unter anderem auch an der Kunstuniversität Graz – die schwungvoll-melodische Partitur des Komponisten in allen Facetten zum Besten. Man hörte schon bei der Ouvertüre, dass die musikalische Qualität dieses Spätwerks Donizettis bekannteren Opern in nichts nachsteht. „Belcanto pur“, meinte zur Pause eine begeisterte Besucherin.
In der Titelrolle überzeugte die britische Sopranistin Kim-Lillian Strebel (Copyright: Falk von Traubenberg)
In der Titelrolle brillierte die junge britische Sopranistin Kim-Lillian Strebel sowohl darstellerisch wie stimmlich. Sie gestaltete die liebende Adelia sowohl in den Momenten des Glücks wie auch in den Minuten der Verzweiflung überzeugend, wobei auch ihr Mienenspiel sehr ausdrucksstark war. Grandios ihre Schluss-Arie, in der sie alle ihre Glücksgefühle stimmlich und mimisch exzellent zum Ausdruck brachte.
Schauspielerisch glänzte auch der moldawische Bass Andrei Yvan als ihr unnachsichtiger Vater Arnoldo. Mürrisch und oftmals brutal gestaltete er seine Rolle, leider konnte seine Stimme an diesem Abend nicht mithalten. Sein gesungenes „Vendetta! Vendetta!“ klang kaum nach Rache, eher nach Versöhnung…
Der Edelmann Oliviero (Konstantinos Klironomos) vor General Carlo (Jesper Mikkelsen) Copyright: Falk von Traubenberg
Mit Temperament stattete der fesche griechische Tenor Konstantinos Klironomos die Rolle des Edelmanns Oliviero aus. Mit seiner strahlenden Stimme gestaltete er den Liebenden ebenso eindringlich wie den angesichts seiner ihm drohenden Hinrichtung Verzweifelten. Den aus dem Krieg siegreich heimkehrenden Herzog Carlo spielte der dänische Bassbariton Jesper Mikkelsen honorig und streng, ehe er schließlich Gnade walten ließ und damit das Happyend ermöglichte.
Auch die Darsteller der kleineren Rollen hatten großen Anteil am gelungenen Gesamteindruck der Vorstellung: die deutsche Mezzosopranistin Neele Kramer als Adelias besorgte Freundin Odetta, der Tenor Aljoscha Lennert als Olivieros Freund Comino und der Tenor Daniel Käsmann in der Rolle eines Schildknappen. Sehr stimmgewaltig und beweglich agierten der Opernchor und der Extrachor des TfN (Leitung: Achim Falkenhausen), die beide sowohl die Bürgerinnen und Bürger wie auch die siegtrunkenen Soldaten darzustellen hatten und dies schauspielerisch erstklassig bewältigten.
Das Liebespaar Adelia (Kim-Lillian Strebel) und Oliviero (Konstantinos Klironomos) Copyright: Falk von Traubenberg
Sehr gut lesbar waren die Übertitel der in italienischer Sprache gesungenen Aufführung, die rechts und links der Bühne angebracht waren (erstellt von Christof Wahlefeld nach einer Übersetzung von Meike Lieser).
Als Fan von Opernraritäten muss man der Intendanz des Theaters für Niedersachsen zur Ausgrabung dieses Donizetti-Werks gratulieren. Das Publikum in Hildesheim war jedenfalls restlos begeistert. Es belohnte das Sängerensemble immer wieder mit Szenenapplaus und am Schluss der Vorstellung mit lang anhaltendem Beifall, wobei Kim-Lillian Strebel als Darstellerin der Titelrolle mit vielen „Brava“-Rufen gefeiert wurde.
Udo Pacolt