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HELSINKI/Finnish National Opera and Ballet: „GÖTTERDÄMMERUNG” – Premiere am 17. Mai 2024

20.05.2024 | Oper international

HELSINKI/Finnish National Opera and Ballet: „GÖTTERDÄMMERUNG” – Premiere am 17. Mai 2024

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Foto: Stefan Bremer

 Dem Mythos verpflichtet

Nach einem äußerst attraktiven „Rheingold“ schon 2019 und einigen Verzögerungen durch Covid 19 fand der neue „Ring des Nibelungen“ in der Regie von Anna Kelo mit dem großartigen Bühnenbildner und Lichtdesigner Mikki Kunttu und den darauf bestens abgestimmten Kostümen von Erika Turnen nun mit dem „Jumalten tuho“ (Finnisch), bzw. der „Ragnarök“ (Schwedisch), also der „Götterdämmerung“, seinen ebenso spektakulären wie Sinn machenden Abschluss. Das leading team scheut sich hier nicht, wie weiter südlich in Europa immer häufiger zu beobachten ist, den Wagnerschen Mythos, der der Tetralogie einfach so intensiv – auch schon aufgrund seiner Quellen – innewohnt, in Bild und Dramaturgie zu zeigen, und das auf eine unglaublich attraktive, bisweilen subtile und stets kenntnisreiche Art und Weise. Da wird dann auch einmal der gesamte, und in der FNO sehr große Bühnenraum in Breite, Tiefe und Höhe genutzt und nicht, wie so oft im deutschen und österreichischen Regietheater, mal grade 3-5 Meter der Vorderbühne bespielt, was man in wichtigen Szenen gerade im neuen Frankfurter „Tannhäuser“ wieder sehen konnte.

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Foto: Stefan Bremer

Dazu gehört eben eine Menge Phantasie und Ideenreichtum. Beide hatte man bei der Gestaltung dieser „Götterdämmerung“ mit der immer wieder faszinierenden Lichtregie von Mikki Kunttu. Hier wird das Licht zum Text und der dazu komponierten Wagnerschen Musik mit ihren Leitmotiven aktiviert. So werden unmittelbare optische Assoziationen erzeugt, die auch große dramaturgische Spannung erzeugen. Beim Gesang der Dritten Norn schlagen plötzlich per Video Flammen aus dem Boden, als sie das Ende der Götter prognostiziert. Im 2. Aufzug in der großen Schwur-Szene sieht man im Hintergrund übergroß die Figuren der heidnischen Götter, also von Wotan als scharfäugiger Adler, Fricka als Widder, Donner mit Hammer und Freia mit Äpfeln, die als Lichtgestalten auch wieder zerfließen, also nur imaginär oder in den Gedanken aufscheinen – aber eben hochrelevant für das jeweilige Geschehen! Im großen Finale kommt ein riesiger Feuerring aus dem Schnürboden und senkt sich langsam zu Brünnhilde herab. Dann öffnet er sich und sie schreitet zu Siegfrieds Katafalk in die Flammen. Am Ende scheinen als Statisten die Götter in ihrem hypermodernen Walhall auf und verschwinden gebrochen langsam mit ihm in der Tiefe. Alles ganz großartige Bilder, zu denen Wagner eben genau die richtige Musik komponierte, bzw. umgekehrt! Wie oft wird das vom Regietheater völlig verkannt!

Ein gewisses, möglicherweise noch von Covid 19 beeinflusstes Regietheater-Geplänkel findet vor allem im Vorspiel und 1. Aufzug statt. Im Vorspiel gießt Siegfried im Strohhut wie ein Depp wirkend ein paar Blumenbeete, isst auch ein paar Beeren. Man hat sich offenbar gemütlich im Schrebergarten eingerichtet. Passt natürlich gar nicht zur Musik! Hagen kümmert sich ebenfalls gießend um ein Bonsai-Bäumchen. Und die Gibichungen laufen mit Gasmasken herum. Lähmende Helfer tatschen Siegfried wie bei der Airport Security mit Gummihandschuhen ab. Will heißen, dass die Natur kaum noch etwas hergibt und wohl auch kontaminiert ist… Man könnte das alles getrost weglassen, zumal auch handwerkliche Fehler damit passieren, weil die Gasmasken nicht durchgängig getragen werden und Ähnliches. Ohne all das könnte man ein noch größeres Format der Inszenierung erzielen. Vielleicht denkt man mal darüber nach, bevor der Zyklus in 2-3 Jahren nochmal kommt, und überlässt das besser den Regietheater-Apologeten südlich von Skandinavien.

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Foto: Stefan Bremer

Der GMD der Finnischen Nationaloper, Hannu Lintu, lässt das Orchester der Finnischen Nationaloper (Finlands nationaloperas orkester) einen exzellenten, überaus transparenten Wagnerklang erzeugen, der in seiner Plastizität und Prägnanz dieser großzügigen Produktion bestens entspricht. Es war stets spannend und intensiv im Klang mit starken Bläsergruppen bei einem auch tief sitzenden Orchester, was besonders beim „Ring“ immer gut ist. Der Chor der Finnischen Nationaloper (Finlands nationaloperas kör) sang und agierte schlicht festspielreif! Das war eine ganz große Leistung!

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Foto: Stefan Bremer

Daniel Brenna als Gast war ein guter und engagierter jugendlicher Siegfried, der seine wenige Tage zuvor noch bestehende Grippe kaum spüren ließ und sogar ein beeindruckendes hohes C in der 2. Szene des 3. Aufzugs hinlegte. Johanna Rusanen steigerte sich nach dem 1. Aufzug zu einer durchschlagskräftigen und auf Linie singenden hochdramatischen Brünnhilde und überzeugte schließlich voll mit ihrem Schlussgesang. Der alte Haudegen Jukka Rasilainen gab wieder einen charaktervollen und vom Schicksal zu einem Wrack gestalteten Alberich. Er erinnerte etwas an die Figur, die Achim Freyer in Los Angeles und Mannheim für seinen Hagen schuf, mit verkümmerten Beinchen, aber dennoch persönlichkeitsstarkem Auftritt. Tuomas Pursio war ein klangvoller Gunther, der auch schon Wotan im „Rheingold“ war. Reeta Haavisto sang ebenso schön eine lebenslustige Gutrune. Tuija Knihtilä gab eine sehr engagierte Waltraute. Nur Rúni Brattaberg fiel unter den Protagonisten als Hagen mit einer zu rauen und wenig tragfähigen, dafür aber oft nur lauten Stimme von diesem hohen Niveau ab. Die sehr guten Nornen waren Noa Beinart, Niina Keitel und Sonja Herranen. Die ebenso starken Rheintöchter gaben Marjukka Tepponen als Woglinde, Mari Palo als Wellgunde und Jeni Packalen als Flosshilde.

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Foto: Stefan Bremer

Ein großer Premierenabend mit kleinen Abstrichen in Helsinki, intensiv bejubelt von einem ausverkauften Haus. Vielleicht muss man in Zukunft immer weiter nach Norden oder Süden ausweichen, um noch stimmige Wagner-Inszenierungen zu erleben, gerade, wenn man an die Wiener Staatsoper denkt…

 Klaus Billand

 

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