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HELSINKI: DIE NASE von Schostakowitsch

21.11.2015 | Oper

Helsinki: Schostakowitchs ”Die Nase” – 20.11.2015

Schostakowitschs Jugendwerk ”Die Nase” auf die Bühne zu bringen, stellt auch heute noch, 85 Jahre nach der Uraufführung, eine ungeheure Herausforderung für jedes Opernhaus dar, ob es nun Metropolitan Oper oder Mariinsky-Theater heißt. Die Musik des gerade einmal 22jährigen Komponisten klingt immer noch progressiv-aggressiv, ganz abgesehen von den höchste Präzision erfordernden spiel- und schlagtechnischen Anforderungen an Musiker wie Dirigenten. Die Vokallinien sind, besonders bei den Tenören, in den höchsten Lagen notiert, und die Vorlage benötigt einen Bühnenbildner, der in der Lage ist, für schnelle Szenenwechsel zu sorgen.

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Foto: Heikki Tuuli

So ist es nur verständlich, dass die Finnische Nationaloper sich zum zweiten Mal (nach Harry Kupfers „Meistersinger“-Inszenierung) einer Produktion des Züricher Opernhauses bedient, die dort im September 2011 Premiere hatte. Regie hatte damals Peter Stein, der Altmeister der  Theater- und Opernszene, geführt, früher ein Revoluzzer, so dass sogar Produktionen vor der Premiere abgesetzt worden waren, heute von der „fortschrittlichen“ Kritik eher wegen seiner altersweisen Bemühung um „Werkgerechtigkeit“ belächelt. Seine Regie der „Nase“, die in Helsinki von Georg Rootering umgesetzt wurde, kam Gogols satirisch-bissiger Vorlage sehr nahe, wenn ich mir auch ein wenig Mehr an Biss gewünscht hätte. Das Bühnenbild von Ferdinand Wögerbauer sorgte für den unbedingt nötigen raschen Szenwechsel; die Kostüme waren von Anna Maria Heinreich.

Mit seiner immensen Erfahrung gerade im russischen Repertoire war Michael Güttler der bestmögliche Dirigent für eine „Nase“ an der Finnischen Nationaloper. Das Orchester war von ihm hervorragend vorbereitet worden, und dank seiner präzisen Schlagtechnik war es ihm ein Leichtes, kleine Unebenheiten wie z.B. verfrühte Solisteneinsätze blitzschnell zu glätten. Wenn es wie in der im Annoncenbüro spielenden Szene leichte Durchhänger gab, waren sie nicht dem Dirigenten geschuldet, sondern der musikalischen und szenischen Vorlage; gegenüber dem sonstigen wahnwitzigen Szenenwechsel ist diese meines Erachtens vom Komponisten etwas zu lang ausgewalzt worden. Ansonsten war Michael Güttler ein musikalischer Leiter, um den jedes Opernhaus die Finnische Nationaloper beneiden könnte.

Angesichts der Vielzahl des Personenregisters reicht der Platz dieser Rezension nicht aus, jede der teilweise aus dem Chor rekrutierten Soli auch nur mit einem kurzen Attribut zu bedenken. Wenn ich mich also auf die Feststellung beschränke, dass die Helsinki-Oper hiermit ihre große Leistungsfähigkeit unter Beweis stellte, ist dies nicht als bloße Phrase gemeint. Der Chor (einstudiert von Marge Mehilane) beeindruckte mit mächtigem Klang im Chorkollektiv, und bei den diversen Kleinstpartien war keine einzige Schwachstelle zu beklagen.

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Vladimir Samsonov und Andrey Popov (Foto: Heikki Tuuli)

Und trotz dieser Kollektivleistung sind es bei jeder Aufführung der „Nase“ einige Partien, auf die sich die Aufmerksamkeit konzentriert. Bei YouTube gibt es ein vom Sänger selber eingestelltes Video einer „Nase“-Produktion, das mit „Vladimir Samsonov – best roles“ beworben wird. In der Tat war Samsonov als sich seiner Nase verlustig gehender Kovalyov immer noch nach über 20jähriger Bühnentätigkeit eine beeindruckende Persönlichkeit mit intakter Stimme, dem man im punktgenauen Servieren von Höhepunkten seine lange Erfahrung am St. Petersburger Operettentheater anmerkt. So sehr ich Andrey Popov bewunderte, wie er sich der unbequem hohen Tessitura von Ivan, Kovalyovs Diener, mit stupendem Höhenstrahl entledigte, so sehr bedauerte ich es, dass das Besetzungsbüro die Chance verpasste, Popov mit dem Polizeiwachtmeister zu besetzen, einer Partie, mit der er sogar an der MET für Furore gesorgt hatte. In Helsinki war Alexey Sulimov gewiss nicht schlecht, aber (im Vergleich zu Popov) einfach zu „normal“, was ebenfalls für den „Nase“-Tenor von Leonid Bomshteyn galt. Unter den vielen kleineren Partien fiel ein Bassist mit sonorem Material besonders auf: Nicholas Söderlund, der zusätzlich noch die Rolle des Doktors vokal übernommen hatte, während Koit Soasepp sie auf der Bühne  verkörperte. Und auch wenn er nur in wenigen Kleinstrollen in dieser „Nase“ auftrat, werden wir uns vielleicht in vielen Jahren daran erinnern, dass wir den jungen 22jährigen Bass Markus Suihkonen bei seinem Debüt an der Finnischen Nationaloper gehört haben. Wenn nicht alles täuscht, gehört diesem jungen Mann, der im Sommer den Timo-Mustakallio-Wettbewerb gewonnen hatte, die finnische Bass-Zukunft. Diesen Namen sollte man sich merken!!!

Sune Manninen

 

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