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HEILBRONN/Theater: DON GIOVANNI – Das Marmorstandbild lehrt das Gruseln. Premiere

08.02.2025 | Oper international

Premiere „Don Giovanni“ von Mozart am 7.2.2025 im Theater/HEILBRONN

Das Marmorstandbild lehrt das Gruseln

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Foto: Jochen Quast

„Don Giovanni glaubt vielleicht sogar an Gott, er will nur nichts von ihm hören, da dies sein Genussleben stören würde“, meinte Bertolt Brecht. Don Giovanni kennt auch in der subtilen Inszenierung von Axel Vornam nur ein Vergnügen: Frauen. Und er hat wieder ein Objekt der Begierde  im Visier: Donna Anna, die Tochter des Komturs, die aber mit Don Ottavio verlobt ist. Das hält den Schürzenjäger nicht davon ab, in ihr Schlafzimmer einzudringen. Donna Anna ruft um Hilfe, ihr Vater eilt herbei und wird im Duell von Don Giovanni getötet. Don Ottavio und Donna Anna schwören dem Mörder Rache. Der stürzt sich wieder in neue Abenteuer. Die Inszenierung steigert das Tempo der Ereignisse immer wieder neu, das ist ihre besondere Stärke.  Und Donna Elvira als verlassene Geliebte stört ihn nur. Im Bühnenbild von Tom Musch und den Kostümen von Toto entfaltet sich die ganze Bandbreite des Geschehens wie im Fluge. In den großen Fenstern und Türen scheinen sich die Protagonisten immer wieder zu verstecken. Der Diener Leporello muss hier wiederholt für weitere Abenteuer herhalten. Auch Zerlina erliegt Don Giovannis Verführungskünsten. Als er allerdings den steinernen Komtur zum Gastmahl einlädt, kommt es zur Katastrophe. Bei Axel Vornam ist es das riesige Marmorstandbild, das zwischen Nebelschwaden Schauer hervorruft. Als Don Giovanni die Hand des Komturs ergreift, ist es um ihn geschehen.  Der große Büffettisch fängt Feuer und Don Giovanni versinkt buchstäblich in der Erde. Diese letzte Szene ist bei dieser Inszenierung in jeder Beziehung am besten gelungen.

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Foto: Jochen Quast

Richard Wagner nannte „Don Giovanni“ nicht umsonst die „Oper aller Opern“ – und Axel Vornams insgesamt gelungene Inszenierung trägt dem Rechnung.  Höhen und Tiefen des menschlichen Seins treten hier auf jeden Fall bedeutungsvoll hervor. Das Dramma giocoso (heiteres Drama) zeigt dabei deutlich Wirkung. Ernst, Humor, Tragik und Burleske wechseln sich in rasanter Weise ab. Die Tiefen der menschlichen Seele werden ausgeleuchtet. Das tritt auch in der packenden musikalischen Gestaltung zutage. Unter der inspirierenden Leitung von Risto Joost musiziert das Württembergische Kammerorchester Heilbronn in Zusammenarbeit mit der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Stuttgart sehr differenziert und dynamisch ausgewogen. Dies merkt man schon der Ouvertüre an, die vor Vitalität nur so dahersprudelt. Die düstere, langsame Einleitung beschwört die überirdischen Mächte herauf. Das drohende Schicksal greift in Gestalt des Steinernen Gastes ein. Starre Synkopen und unheimliche Sforzati melden sich drohend. Über dem Tremolo der Bratschen erklingen dämonische Skalengänge der Geigen. Und auch die Bässe melden sich mit gebieterischer Emphase. Das Hauptthema strahlt dann im Allegro hell auf. In unerbittlichen Unisono-Schritten behauptet sich das zweite Thema. Und in der breit angelegten Durchführung werden die Themen unter der einfühlsamen Leitung von Risto Joost kunstvoll gegeneinander ausgespielt. Weitere Höhepunkte sind das Duett „Reich mir die Hand“, die bekannte Champagnerarie und Don Giovannis Ständchen „Horch auf den Klang der Zither“. Diese Passagen werden fein nuanciert vorgetragen. Frazan Adil Kotwal agiert als Don Giovanni mit klangfarbenreichem Bariton, der zu vielen klanglichen Differenzierungen fähig ist, wobei sich das Ausdrucksvolumen manchmal noch steigern könnte. Junoh Lee als furchterregender Komtur beeindruckt mit des Basses Grundgewalt, während Lars Tappert als Don Ottavio mit überaus schlankem Tenor fesselt. Hyerim Kim als Donna Anna und Anastasia Wanek als Donna Elvira sowie Lara Rieken als Zerlina gelingt es, große gesangliche Sopran-Bögen zu beschwören. Überzeugende Charakterporträts liefern ferner Mathias Tönges als Leporello und Benedikt Lutz als Masetto.

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Foto: Jochen Quast

Der Chor der Bäuerinnen und Diener überzeugt mit einem durchsichtigen Klangbild. Im zweiten Akt dominiert deutlich die Burleske, das karnevaleske Treiben. Das unterstreicht die vielschichtige Choreografie von Eric Rentmeister.  Manchmal hätte man sich auch einen Wechsel des Bühnenbildes gewünscht. Teilweise spielt die Handlung ja im Freien und im hallenartigen Innenraum. Trotzdem wird der dramaturgische Faden durchgehalten. Die Aufdeckung der von Don Giovanni angezettelten  Maskerade gelingt mit plastischer Deutlichkeit. Der Quartsextakkord gibt dem Geschehen bei dieser Interpretation eine deutlich neue Richtung. Der c-Moll-Anschluss an die Ensemblehandlung wirft seine Schatten voraus. Und das Ostinato-Motiv steigert sich hier immer mehr zu einem fast schon monumental-schauerlichen Komplex, der alle mitreisst. Plastisch gelingt außerdem Don Giovannis Entlarvung. Der Zweifel wird hier sehr deutlich zur Gewissheit. Und die große Szene der Donna Anna wächst aus dem B-Dur-Dreiklang der Bässe heraus. Donna Anna und Don Ottavio stehen deutlich unter dem Eindruck der edlen Erscheinung Donna Elviras: „Cieli! che aspetto nobile! Che dolce maesta.“ Insgesamt wirkt das Klangbild leicht und fast sphärenhaft – bis hin zur Generalbass-Polyphonie. Rhythmisch-melodische Vorgänge werden nuancenreich ausgeleuchtet. Konstruktive Dichte setzt sich um in freie Bewegungsformen – das wird bei dieser Aufführung gut deutlich. Leporello setzt sein Register immer wieder leidenschaftlich ein, er durchleidet die grotesken Abenteuer seines Herrn. Don Giovannis explosiver Reigen lässt bei dieser Wiedergabe deutlich Rondo-Charakter erkennen. Der tänzerische Impuls der Komposition kommt ausgezeichnet zur Wirkung. Das betrifft auch den chromatischen Quartabstieg. Bevor Don Giovanni das letzte Mal sein Thema anstimmt, kommt es zu einem chromatischen Anstieg zum Grundton b, was hier präzis verdeutlicht wird. Manchmal stoßen die Klangflächen auch hart aufeinander. Die aufschnellenden Koloraturen am Schluss von Elviras Arie  verdeutlicht Anastasia Wanek mit betörend-unerbittlicher Leuchtkraft. Ihr unendlicher Schmerz wird ebenfalls deutlich.

Am Schluss Jubel und viele „Bravo“-Rufe!

Alexander Walther

 

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