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HEILBRONN/ Gastspiel Staatsoperette Dresden: DIE ZAUBERFLÖTE

19.11.2015 | Oper

Premiere „Die Zauberflöte“ mit der Staatsoperette Dresden im Theater Heilbronn

PRÜFUNG IN DER PYRAMIDE

Premiere von Mozarts „Zauberflöte“ mit der Staatsoperette Dresden im Theater am 19. November 2015
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Mit märchenhaft-fantasievollen Einfällen überrascht Axel Köhler in seiner subtilen Inszenierung von Wolfgang Amadeus Mozarts „Zauberflöte“ das Publikum. Er macht aus dieser Erfolgsoper mit dem Text von Emanuel Schikaneder (Bühnenbild: Hartmut Schörghofer) ein Märchenspiel, das Zeitebenen immer wieder bewusst durchbricht und den Weg in die heutige Zeit weist. Dies zeigt sich gleich zu Beginn, wenn der Bühnenvorhang fällt und Prinz Tamino von den drei Damen vor dem Schlangentod gerettet wird. Klar herausgestellt wird Prinz Taminos Auftrag, den er von der Königin der Nacht erhält. Er soll ihre Tochter Pamina aus dem Reich ihres Widersachers Sarastro befreien. Axel Köhler verleugnet die altägyptischen Mysterien von Isis und Osiris in seiner Inszenierung keineswegs – rein optisch gelingen ihm hier die stärksten Momente. Die große Reifeprüfung von Tamino und Pamina findet deswegen in der lichtdurchfluteten und farbig aufleuchtenden Pyramide statt, die gelbe, rote, grüne und blaue Schattierungen annimmt. Und die Protagonisten kommen dann in verbrannten Kostümen aus der Pyramide. Tamino wird zuvor von dem vorwitzigen Vogelhändler Papageno begleitet, der in dieser Inszenierung das passende Papageienkostüm erhält (Kostüme: Corinna Crome). Papagenos Sehnsucht nach einem „Mädchen oder Weibchen“ steht wiederholt im Zentrum des Geschehens. Tamino bekommt eine Zauberflöte als Geschenk – und das Eindringen von Tamino und Pamina in den Tempel der Eingeweihten erhält bei dieser Inszenierung einen hohen Stellenwert. Tamino erkennt hierbei sehr deutlich, dass Sarastro keineswegs der Bösewicht ist, als den ihn die Königin der Nacht beschrieben hat. Axel Köhler ersinnt immer wieder neue Bilder und glühende Visionen für die vielen Prüfungen und Gefahren, denen sich Prinz Tamino stellen muss, um endlich die Hand Paminas zu gewinnen. Und die Königin der Nacht muss schließlich einsehen, dass Tamino sich nicht für ihre Zwecke missbrauchen lässt, will die eigene Tochter zum Mord an Sarastro anstiften.

Diese Szenen gewinnen in Axel Köhlers Inszenierung eine klare Kontur mit psychologischem Hintersinn. Am Ende ist es nur logisch, dass die richtigen Paare sich finden: Tamino und Pamina sind ebenso vereint wie Papagena und Papageno, der endlich sein „Weibchen“ gefunden hat. Die Königin der Nacht geht mit ihren Damen schließlich nicht völlig unter, sondern sinkt einfach zu Boden, ohne in der Versenkung zu verschwinden. Und Sarastro residiert wie ein Gott im glanzvollen Tempel. Die drei Knaben erfüllen in der Inszenierung Köhlers unterschiedlichste Funktionen, sie treten sogar mit Boxhandschuhen auf und fordern Prinz Tamino ultimativ heraus. Zudem erscheinen sie wie Gardeoffiziere – und sie werden von Sängerinnen dargestellt. Als Sklaven agieren hier auch Bühnenarbeiter, die für Sauberkeit sorgen. In diesen Momenten, die nicht immer gleich überzeugend gelungen sind, überwindet Axel Köhlers Interpretation die Zeitgrenzen in Mozarts „Zauberflöte“. Reizvoll ist auch jene Szene, wo Tamino mit seiner Flöte „wilde Tiere“ wie Nashorn, Haifisch und Giraffe bezaubert. Andreas Schüller dirigiert das Orchester der Staatsoperette Dresden eher dezent und zurückhaltend. Dies ist für die Sängerinnen und Sänger aber durchaus von Vorteil, denn so werden die Stimmen nicht zugedeckt und können sich bestens entfalten. Dies gilt insbesondere für die hervorragende Maria Perlt als Königin der Nacht, deren Koloraturen wirklich „perlen“, leuchten, funkeln und glitzern. Ohne virtuosen Selbstzweck erfolgt hier die von Mozart beabsichtigte Vertiefung und Steigerung des dramatischen Ausdrucks. Die sternflammende Königin gewinnt dabei durchaus dämonische Züge, man fühlt sich bei dieser Wiedergabe deutlich an Mozarts Elettra-Arien erinnert. Ebenso gut kommen die Verzweiflungsausbrüche zum Ausdruck. Als Pamina kann Catalina Bertucci mit einer reinen und ebenmäßigen Tonsprache überzeugen. Das Manifest einer erhöhten Menschlichkeit wird von ihr genauso vertreten wie von Daniel Johannsen als Tamino, der seine Rolle als schwärmerischer Liebhaber ganz ausfüllt. Holger Steinert zeigt als Sarastro Bass-Gewalt, voluminöse Fülle und weiches Timbre gleichermaßen, während Gerd Wiemer als Papageno und Julia Ebert als Papagena ihrem Spielwitz und Charakterisierungsreichtum freien Lauf lassen. Andreas Sauerzapf ist als Monostatos wirklich ein böser Dämon mit schneidend-keifender Stimme und rabenschwarzem Gesicht. Ingeborg Schöpf, Marlen Herzog und Henriette Gödde als erste, zweite und dritte Damen übertreffen sich gegenseitig mit facettenreicher gesanglicher Linienführung. In weiteren Rollen gefallen ferner Frank Blees (Sprecher, Erster Priester), Ji Hoon Kim (erster Geharnischter, zweiter Priester), Insoo Hwoang (zweiter Geharnischter), Alexandra Strauß (Priesterin), Dag Hornschild, Bernd Franke und Stefan Trommler (drei Sklaven) sowie Julia Böhme, Josephine Brüning und Sarah Kaulbarsch (erster, zweiter und dritter Knabe).

Insbesondere der von Thomas Runge sorgfältig einstudierte Chor entfaltet große Präsenz. Schon bei der Ouvertüre kann sich Andreas Schüller als umsichtiger Dirigent profilieren. Der Zauberkreis der überirdischen Mächte kann sich so behaupten. Und das in seinem Ebenmaß fein gemeißelte Allegrothema tritt zuerst fugiert und im weiteren Verlauf in immer neuen kontrapunktischen Wendungen und Verbindungen auf, was Andreas Schüller mit dem Orchester der Staatsoperette Dresden nuancenreich herausarbeitet. Zuletzt erreicht die musikalische Darbietung so tatsächlich höchste Symmetrie, vollendete Ausgeglichenheit und ewige Harmonie. Festliche Freudigkeit und ruhige Leuchtkraft sprechen aus jeder Note. Tamino ist bei Axel Köhler ganz deutlich ein „Erlöser“ – aber nicht wie Richard Wagners „Parsifal“. Quälende Untätigkeit ist seine Sache nicht, er stürmt voran, beflügelt vom sphärenhaften Zauber der Musik. Für viele Details in der Partitur hat Andreas Schüller ein waches Auge. Dies gilt vor allem für Papagenos Pfeifmotiv, das hier an den Pendelrhythmus der Bläser fast schon elegant angehängt wird. Crescendo-Entwicklungen bis zum Forte baut Andreas Schüller als Dirigent klug auf. Und die Sechzehntelwendung des Ouvertüren-Themas in Papagenos Lied sticht markant hervor. Das jubelnde C-Dur-Finale führt die Handlung bei Axel Köhlers Inszenierung in eine ganz neue Region – und zwar sehr deutlich in die Region Sarastros, was sich visuell ausdrückt. Die Sphäre des Lichts bricht herein, selbst das a-Moll der dunklen Verstrickung ist geheimnisvoll herauszuhören. Die Priester halten sich fast schon krampfhaft daran fest. Im Klang der sordinierten Trompeten und Pauken kommen herrscherliche Macht und Todesumschattung deutlich zum Vorschein. Sarastros E-Dur-Arie „In diesen heil’gen Hallen“ gewinnt dank Holger Steinert eine eherne Aura, die auf die weitere Handlung in erstaunlicher Weise ausstrahlt. Die dramatische Architektur bleibt bei dieser Aufführung jedenfalls im Vordergrund. Man fühlt sich an den Gedanken Bruno Walters erinnert, der einmal meinte, dass in der „Zauberflöte“ die Person Mozarts hinter und durch seine Figuren sichtbar werde. Teilnehmende Menschlichkeit und wissende Reife der Musik erfüllen das
Forum (Dramaturgie: Andre Meyer). Für alle Beteiligten gab es Ovationen und Riesenapplaus, insbesondere für Maria Perlt als Königin der Nacht, die es verstand, selbst höchste Spitzentöne lange zu halten.

Alexander Walther

 

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