Copyright: Thomas Braun
Wolfgang Amadeus Mozarts „Gärtnerin aus Liebe“ mit dem Theater Heilbronn am 5. Juli 2019 auf der Bundesgartenschau/HEILBRONN
Zarte Triebe der jungen Liebe
In Kooperation mit der Staatlichen Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Stuttgart präsentierte das Württembergische Kammerorchester Heilbronn mit dem Theater Heilbronn Wolfgang Amadeus Mozarts amüsante Oper „Die Gärtnerin aus Liebe“ („La Finta Giardiniera“) in der blühenden Landschaft der Bundesgartenschau. In der abwechslungsreichen und trickreichen Regie von Axel Vornam (Bühne: Tom Musch; Kostüme: Cornelia Kraske) ging hinsichtlich der erotischen Verwirrungen und Irrungen richtig die Post ab. Der größte Garten des Jahres wurde so als überaus reizvolles Ambiente genutzt.
Die Marchesa Violante führt eine leidenschaftliche Beziehung mit dem Grafen Belfiore. Nach einem heftigen Streit verlieren sich die beiden aus den Augen. Dann begegnet sie ihm als Gärtnerin verkleidet wieder. Und dies ausgerechnet bei einer Verlobungsfeier mit einer anderen. Vor einem Jahr hatte ihr Geliebter sie in einem Eifersuchtsanfall mit dem Messer attackiert und war geflohen, ohne zu wissen, dass sie den Angriff überlebt hatte. Sandrina ist bestürzt, dass sie Belfiore kurz vor seiner Heirat mit einer Anderen wiedergefunden hat – sie zögert deswegen, ihm zu gestehen, dass sie tatsächlich Violante ist. In einem Haftbefehl aus Mailand wird der Graf allerdings des Mordes an der Marchesa beschuldigt. Als der Graf die Tat gestehen will, gibt sich Sandrina als die vermeintlich Ermordete zu erkennen. Auf der Suche nach der inzwischen geflohenen Sandrina geraten alle Beteiligten immer wieder an die Falschen. Die aufgewühlte falsche Gärtnerin und der verwirrte Graf ziehen sich zurück. Im dritten Akt finden Violante und Belfiore endlich wieder zueinander. Sie präsentieren sich dem verblüfften Bürgermeister Don Anchise als Brautpaar.
Diesen psychologisch interessanten Verwandlungsprozess hat Axel Vornam reizvoll inszeniert. Die Persönlichkeitsstrukturen der einzelnen Protagonisten besitzen so ein schillerndes Profil. Und die zarten Triebe der jungen Liebe können sich auf der Bühne in ansprechender Weise entfalten, denn die Unbedingtheit der Gefühle steht im Zentrum. Klar wird auch, dass Sandrina von einigen Personen in diese schreckenerregende Einsamkeit verbracht wurde. Die Feiglinge suchen jedoch das Weite. Bei diesem „dramma giocoso“ blüht die Mischform der opera buffa, der opera seria und der französischen opera comique in heftiger Weise auf. Dies zeigt sich ebenfalls bei den Wutanfällen des Grafen Belfiore. Die Bühne wird dabei regelrecht verwüstet, alle Stühle und Blumen-Attrappen umgestürzt. Emotionen überwältigen die Zuschauer in der subtilen Regie von Axel Vornam in bemerkenswerter Weise. Vor der Uraufführung in München sagte der Musiker und Dichter Schubart: „Wenn Mozart nicht eine im Gewächshaus betriebene Pflanze ist, muss er einer der größten Komponisten werden, die je gelebt haben“.
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Unter der inspirierenden Leitung von Case Scaglione ließ das bestens disponierte Württembergische Kammerorchester Heilbronn die „Genieflammen“ des Achtzehnjährigen heftig hervorblitzen. Da blieb nichts dem Zufall überlassen. Vom einfachen Lied Nardos („Der verliebte Italiener“) und den üblichen Buffoscherzen („Instrumentenarie“ des Podesta) bis hin zum leidenschaftlichen dramatischen Monolog Belfiores („Mich durchrieselt eis’ger Schauer“) spannte sich ein geradezu elektrisierender harmonischer Spannungsbogen, der sich mächtig steigerte. Vor allem den sphärenhaften Fluss dieser Musik unterstrich der Dirigent Case Scaglione mit nie nachlassender Intensität. Die Parodien auf den Stil der Seria übertrug er in geschickter Art auf die Sängerinnen und Sänger, die allesamt Absolventen der Staatlichen Hochschule für Musik und Darstellende Kunst sind. Dies galt vor allem für die mit strahlkräftigem Timbre agierende Sopranistin Johanna Pommranz als Sandrina und den voluminösen Tenor Paul Sutton als Graf Belfiore, die sich gesanglich fabelhaft ergänzten. Aber auch Ewandro Stenzowski als Bürgermeister Don Anchise und Manuela Vieira als seine Nichte Aminda zeigten starken stimmlichen Charakterisierungsreichtum. In weiteren Rollen überzeugten die mit glühender Emphase deklamierende Sopranistin Beatriz Simoes als Cavalier Ramiro sowie Clemence Boullu als Kammermädchen Serpetta und Konstantin Krimmel mit kernigem Bariton als Nardo.
Die Konzentration Mozarts auf einzelne Szenen erreichte hier immer wieder Siedegrade, die dramaturgisch gut aufgebaut waren. Manuela Vieira konnte die flammende, verzehrende Empörung von Armindas g-Moll-Arie („Vorrei punirti indegno“) in erregender Weise zu Gehör bringen. Hervorragend gestaltete ferner Beatriz Simoes die anrührende Verzweiflung von Ramiros c-Moll-Arie („Va pure ad altri in braccio“). Unerhörte Empfindungswelten setzten sich hier mit eherner Ausdrucksgewalt durch. Die Distanz zwischen musikalischer und szenischer Realität wurde bei dieser Aufführung nahezu aufgehoben. Das ist ihr Verdienst. Johanna Pommranz gelang es ebenso, den Bewegungscharakter des überstürzten Flehens bei Sandrinas Arie „Crudeli, fermate“ mit fast atemloser Dynamik und innerlich bebenden Tempi zu Gehör zu bringen. Auch der verhaltene Klang der gedämpften Streicher wurde gut hervorgehoben. Dies galt auch für Solo-Oboe und Solo-Fagott bei der Schmerz- und Liebesbekundung Sandrinas. Ferner erreichte der Zustand zwischen Traum und Wachen vor allem gegen Ende eine erstaunliche Klarheit. Im Andantino-Satz bahnte sich dann der Umschwung an. Und man spürte förmlich, wie sich im abschließenden Allegro die Harmonie zwischen den Liebenden wieder herstellte. Ovationen und begeisterten Jubel gab es für das gesamte Team.
Und dies wohl auch für das Bühnenbild, das in glühenden Farben leuchtete.
Alexander Walther