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HEIDENHEIM / Opernfestspiele: TANNHÄUSER – Kurzkritik. Ungewöhnliche, aber stimmige Interpretation

23.07.2022 | Oper international

HEIDENHEIM/Opernfestspiele: Kurzkritik TANNHÄUSER am 22. Juli 2022

Ungewöhnliche, aber stimmige Interpretation

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Copyright: Klaus Billand

Mit der schon im letzten Jahr geplanten Neuinszenierung von Richard Wagners romantischer Oper „Tannhäuser“, die wegen der Pandemie auf heuer verschoben werden musste, kamen die von Marcus Bosch geleiteten Opernfestsspiele Heidenheim nun mit der Inszenierung des Linzers Georg Schmiedleitner heraus. Und es wurde in der Ruine des Rittersaals des auf einem Hügel über der Stadt an der Brenz thronenden Schlosses Hellenstein in einer heimeligen Sommernacht kein beschaulicher romantischer Opernabend mit ein bisschen mittelterlichem Sängerstreit auf der Wartburg. Die Festspiele, die sich offenbar einem ganz regietheatralisch aktualisierenden Inszenierungsstil verschrieben haben, zeigen Heinrich von Ofterdingen als einen Extremisten des Gefühls, der am nicht vereinbaren Gegensatz der Liebe zu Venus einerseits und Elisabeth andererseits sowie der darauf folgenden Qualentour nach Rom masochistischen Gefallen findet und Freuds Theorie von Eros und Thanatos, den Liebes- und Todestrieb, hier mit unter die Haut gehenden Bildern und Emotionsausbrüchen plastisch vor Augen führt – wie Dramaturg Stephan Knies im Programmheft erläutert.

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Schlussapplaus. Copyright: Klaus Billand

Dazu hat Stefan Brandtmayr ein poppiges Motel-Bordell auf die Bühne gestellt, in dem es schon während er Ouvertüre heftig „sündig“ zugeht und Cornelia Kraske mit ihren Kostümen und der Maske für schrille Akzentuierung eines ins Licht von Hartmut Litzinger getauchten Ortes der Heimatlosigkeit sorgt, in dem sich Ausreißer, Reisende, die ihr Ziel (noch) nicht erreicht haben, eben wie Tannhäuser, treffen. Realismus pur, aber wohl wahr, und somit im weitesten Sinne des Stücks. Im 2. Akt wird das Ganze zu einem eleganten Ballsaal umfunktioniert, um im dritten einen Ort der Zerstörung aller Hoffnungen darzustellen, mit einer wahrlich schockierenden und an Realismus unter die Haut gehenden Personenregie! Die Romerzählung, teilweise im Publikum gestaltet, wird zu einem absoluten Höhepunkt!

Diese Zerstörung aller Hoffnungen bringen darstellerisch und stimmlich auf zeitweise äußerst beeindruckende Art und Weise James Kee mit einer unglaublichen Seelenwanderung als Tannhäuser, Leah Gordon als Elisabeth, Anne Schuldt als Venus, Birger Radde als besonders schönstimmiger Wolfram und Beniamin Pop als noch ganz junger Landgraf Hermann bei ebenfalls guter Besetzung der weiteren Rollen über die Rampe und erzeugen im Publikum am Ende große Begeisterung. Marcus Bosch dirigiert bewusst unpathetisch die Stuttgarter Philharmoniker in einer Besetzung von um die 65 Musikern. Der sehr gute Festsspielchor wird vom Tschechischen Philharmonischen Chor Brünn unter Leitung von Petr Fiala in der Einstudierung von Michael Dvorák gestellt.

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Schlussapplaus. Copyright: Klaus Billand

Ein bisweilen gewisse Grenzen optischer und stilistischer Gewohnheiten streifender Abend, der aber wohl niemandem im Publikum kalt ließ, selbst wenn er oder sie – wie wohl viele hier – den „Tannhäuser“ zum ersten Mal erlebte. Nächstes Jahr kommen in der laufenden Verdi-Serie „Don Carlo“ und „Giovanna d’Arco“. (Detaillierte Rezension in Kürze).

Klaus Billand

 

 

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