
Foto: Susanne Reichhardt/Theater Heidelberg
Heidelberg: Madama Butterfly 15.11.2019 Neuinszenierung
So hart und gnadenlos wie in dieser Inszenierung von Adriana Altaras hat man Puccinis Butterfly noch kaum gesehen. Das bringt auch eine teils fast brutale Übersetzung in der Übertitelung des Librettos zum Ausdruck. Man spürt von Beginn an, daß J.F.Pinkerton ein US-Sex-Imperialist ist, und daß die Anmietung des Pagoden-Häuschens „auf 999 Jahre“ in Wirklichkeit für einen One-night-stand sein soll. Nie kam bisher auch die Verfluchung Cio Cio San seitens ihres Onkel Bonzo so brutal herüber, die ja die Musik schon während seines Auftritts über einen langen Steg am hinteren Bühnenrand entlang dräuend aufschaudern läßt. Daß Butterfly in der Missionsschule zum Christentum ihres US-Lovers konvertiert ist, läßt ihn ihr den Bannfluch entgegenschleudern, womit die Hochzeitszeremonie beendet ist und die Familie unter Verurteilungen und rituellen Schmähungen abgeht. In den langen Akten des Wartens für Cio Cio Sans mit ihrem Kind, in dem die Musik auch immer wieder ins Stocken gerät und sich scheinbar verflüchtigt, ist sie als einzige von der Wiederkunft Pinkertons anhand von allerlei Zeichen überzeugt. Und zwar in einem auf der Drehbühne und auf einem Podest stehendem, nur aus einer Holzschiebewand bestehenden Häuschens, das Yashi der Regisseurin gebaut hat, in dem im 2.Akt noch ein rotes Sofa steht, auf dem sich Goro, Yamadori in blauem westlichen Anzug und Sharpless auch mal gemeinsam niederlassen. Ein Steg führt von der Bühne über das Orchester weg, auf dem sich Butterfly bei ihren Gesängen auch nach vorne wagt, und wo später Kate Pinkerton kauert. Beim Vorspiel zum 3.Akt findet davor auf der Treppe zum Zuschauerraum eine Traumpantomime der Ex-Geisha statt, in der sie die Wiederkunft ihres Angebeteten ‚positiv‘ antizipiert. Die typen- und zeitengerechten Kostüme, besonders auch die buntfarbenen japanischen sind ebenfalls von Yashi creiert.
Auch die Musik schlägt oft einen sehrt harten und harschen Ton an. Die Heidelberger Philharmoniker spielen sie unter Elias Grandy ganz phänomenal. Es ergeben sich markante Gegensätze zu den aufblühenden Liebesmelodien und den (Traum)rückblendungen und Vorahnungen. Die an den Impressionismus und an Bitonalität und exotische Ganztonabstände vorausweisenden Stellen sind von Grandy ebenfalls packend gesetzt.
Die Chöre unter Michael Pichler singen und agieren sehr inspiriert. Hye-Sung Na mit quellend voluminösem leuchtend intensivem Sopran zeichnet wieder die Geschichte dieser gebeutelten Kreatur authentisch nach und ist in jeder Phase die Liebende, auch ihrem Kind (sehr agil: Karim Wisotzki) und auch Suzuki gegenüber. Diese wirkt bei Katarina Morfa auch sehr glaubwürdig, nur im 1.Akt in traditionell japanischem Kimono, später in Jeans. Dabei steht ihr ein leicht dramatisch gewürzter angenehm timbrierter Mezzo zur Verfügung. Den Pinkerton gibt der jugendlich dickliche leicht dunkle Chaz’men Williams-Ali, der sich am Anfang nur bei Whiskey ohne Uniformjacke relaxt und dabei auch köstlich naiv erscheint. Er kann einen sehr einnehmend timbrierten frischen Tenor mit festen lyrischen Anklängen vorweisen, den er auch in seiner larmoyanten kurzen Schlußarie „Addio fiorito asil‘ “ herzzerbrechend und mit Träne im Knopfloch einzusetzen vermag. Ein Cio Cio San irgendwie verstehender Sharpless, der aber nichts für sie tun kann und will, stellt der Bariton James Homann mit guter stimmlicher Eloquenz und Attitüde dar. Der Goro ist als tenoraler Luftikus von Joao Terleira gezeichnet, den Yamadori singt kurz-becantesc Young-O Na. Der gesangliche Kurzauftritt des Bonze ist dem Baß Wilfried Staber mit langer Grau-Perücke vorbehalten. In weiteren Nebenrollen wirken Woo Kyung Shin, Xiangnan Yao, Hans Voss, Elena Trobisch, Irida Herri und Mi Rae Choi mit.
Friedeon Rosén