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HEIDELBERG/ Stadthalle: „STEVEN ISSERLIS-JUNGE DEUTSCHE PHILHARMONIE-DAVID AFKHAM

22.03.2018 | Konzert/Liederabende

Heidelberg / Stadthalle: „STEVEN ISSERLIS-JUNGE DEUTSCHE PHILHARMONIE-DAVID AFKHAM“ – 21.03.2018

 

Intendant Thorsten Schmidt vereinte wiederum innerhalb knapp fünf Wochen des etablierten Festivals „Heidelberger Frühling 2018“ elitäre Gäste aus allen Bereichen der Klassik, deren illustre Vielzahl es andere Städte nicht mal während zwei Spielzeiten schaffen. Zur ersten Eröffnungswoche gastierte der international gefeierte Cellist Steven Isserlis und brachte das selten gespielte „Cellokonzert (Henri Dutilleux) zur nachhaltigen Aufführung.

Auf Anregung von Mstislaw Rostropowitsch komponierte Duttileux das Konzert und im Jahre 1970 brachte es der Solist zur UA. Als der Komponist in den 1960er Jahren mit diesem Werk begann, war er fasziniert von den Dichtungen seines Landmanns Charles Baudelaire. Das Violoncello erschien im als ideales Instrument zwischen dem Universums des Poeten und der Welt des Klangs zu vermitteln. Der Untertitel seines Konzerts Tout un mondo lointain wurde dem Zyklus des Dichters Fleurs du mal entnommen, einem sinnlichen Poem über das Haar seiner Geliebten Jeanne Duval.

Die fünf Sätze des Konzerts beziehen sich je auf ein Gedicht dieser Sammlung. Dutilleux führte uns in eine Reise mit Zwölftonreihen, seriellen Formen, aparten Klangkombinationen, im akustisch variabel erzählenden Gestus des Cellisten. Steven Isserlis gab dem Werk in den Satzlängen viel Raum, dezent umspielt vom Orchester Junge Deutsche Philharmonie umsichtig geleitet von David Afkham, erschienen die Kantilenen und Kadenzen des Soloinstruments expressionistischen Couleurs. In geheimnisvollen Tönen schien Isserlis die Verästelungen dieser Musik aufzuspüren, ohne jedoch den großen Cello-Bogen spannend, virtuos und suggestiv zu verlieren. In vortrefflicher Interpretation wurde somit das Interesse an einem ungewöhnlichen Cellokonzert des 20. Jahrhunderts wieder neu geweckt und vom Publikum sehr begeistert aufgenommen.

Steven Isserlis bedankte sich für den stürmischen Beifall mit dem intensiv-rhythmisch gespielten „Dance“ (Kabalevsky).

Eröffnet wurde der interessante Konzertabend mit der sinfonischen Meditation „Les offrandes oubliées“ von Olivier Messiaen. Zwei religiös mutierende in ihrer Starre geradezu dogmatische Sätze, wurden von einem orchestralen Fortissimo umschlossen, den Opfertod Christi zur Erlösung der Menschheit zum Inhalt. Instrumental formierte David Afkham seine Musiker zu symmetrischer Tonalität und klanglichem Kontrapunkt.

Nach der Pause erklang wiederum ein Werk mit Inhaltsbezügen zum ersten Programm-Abschnitt, mehr oder weniger in Vertonung autobiographisch-amouröser Episoden eines Künstlers, welcher aus unglücklicher Liebe Opium konsumierte und nun fiebernd von schauerlichen Träumen heimgesucht wird. Der junge Hector Berlioz komponierte in unglücklicher Liebe zur Schauspielerin Harriet Smithson das tonale (Selbst)Bekenntnis die „Symphonie fanstastique“.

Die einleitenden Momente Réveries, Passions erfüllte David Afkham mit seinem JDP zunächst in manisch-depressiver Orchestrierung um sich fortschreitend schroffen Konturen des opulenten Klangs zu öffnen. Farbliche Tupfer schenkte der smarte Dirigent Un Bal mit seinen melancholisch-süßen Couleurs und besonders wirkungsvoll von den herrlichen Streichergruppen ausmusiziert, übrigens zweifellos der Domäne dieses jungen Klangkörpers.

Zum atmosphärischen Hirtenlied der Oboe und des Englischhorns genoss der imaginäre Held zur Scéne aux champs die Melodien der Schalmeien im ruhigen Einklang mit der Natur und die Hörer das stimmungsvolle Wechselspiel der Instrumente. Trübe Stimmungen künden sich an, Ferner Donner, fernes Unheil, mächtig voluminös formierten sich die Elemente zum satten Klang der Celli in orchestraler Fusion mit den aufbegehrenden Blechsegmenten. Dass sich hier und da kleine Unebenheiten oder eine instrumentale Disharmonie einschlichen, verzieh man gerne in Anbetracht des frischen Elans, der sichtlichen Musizierfreude der jungen Musiker zwischen 18-28 Jahren! Verdienen sie schließlich bar so viel überschwänglichem Enthusiasmus allergrößten Respekt.

Alle Register instrumentaler Kombinationen zog David Afkham mit wenig ausladender, präziser Gestik mit dem prächtig aufspielenden Orchester zu den schaurigen Klängen des Marche au supplice und bündelte sodann die orchestralen Eruptionen. Zum gellenden Gelächter der Klarinetten, dem dunklen Bratschenton, dem Hohngeschrei der Bläser erschloss sich gespenstig Songe d´une nuit du Sabbat nochmals das musikalische Inferno in schier grotesk-aufwühlender Wucht.

Überschäumende, lautstarke und langanhaltende Begeisterung des sehr jugendlich durchsetzten Publikums.

Gerhard Hoffmann

 

 

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