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HEIDELBERG/Stadthalle. LIEDERABEND MATTHIAS GOERNE / MARKUS HINTERHÄUSER

Kontroverse-Liederabend beim „Heidelberger Frühling 2018“

05.04.2018 | Konzert/Liederabende

Heidelberg: „MATTHIAS GOERNE“ – 04.04.2018

Kontroverse-Liederabend beim „Heidelberger Frühling 2018“

Unerschöpflich erscheint das etablierte Festival „Heidelberger Frühling“ in seiner bunten Vielfalt und präsentierte u.a. einen ungewöhnlichen Liederabend mit dem Bariton Matthias Goerne und dem Pianisten Markus Hinterhäuser in der Stadthalle Heidelberg.

Eröffnet und finaliert wurde das spektakulär kontroverse Programm mit Kompositionen von Gustav Mahler, zunächst erklangen drei Lieder aus „Des Knaben Wunderhorn“.

Der Tamboursg´sell und Das irdische Leben waren absolut nicht wiederzuerkennen. Matthias Goerne grumelte in überartikulierten Basstiefen, sorry ich glaubte Wozzeck zu vernehmen, wähnte mich am falschen Ort und dieser Eindruck sollte sich im Laufe des Abends öfters wiederholen. Zugang fand der Sänger erst beim Urlicht in baritonaler Stimmgebung. Mit einer Geste erstickte er aufkommenden Applaus.

Ohne kurzes Innehalten wurde zu 14 Exemplaren aus dem „Hollywood Liederbuch“ über gegangen, Hanns Eisler komponierte den Zyklus während seines Exils in Amerika. Mit Hollywood haben die Lieder meist nur indirekt etwas zu tun, vielmehr wollte Eisler der massenhaften Zerstreuung der Hollywood-Ästhetik eine individuelle Konzentration durch die Form des Kunstliedes entgegensetzen. So kommen in Text (teils von Bertolt Brecht) und Musik Verzweiflung und Abscheu vor dem Geschehen in Europa, die Sehnsucht nach der verloren gegangenen kulturellen deutschen Identität zum Ausdruck.

So erklärten sich die detonierend variablen Vorträge des Künstlers und wirkten in ihrer überdrehten Deklamation zu heroisch überartikuliert. Zur farbenreichen stilistisch breit gefächerten Klavierbegleitung von Markus Hinterhäuser erhielten die expressionistischen freitonalen Melodien auch leichte Anklänge an Unterhaltungsmusik, Blues etc. In teils unverbindlichem Plauderton rezitierte Goerne die Charakteristika der textlichen Inhalte von Frühling, Ostersonntag mal elegisch versonnen, schenkte seiner Stimme zuweilen das weiche Timbre (welches ich schon fast vergessen glaubte) zurück um jedoch wieder im überzogenen pathetischen Tönen die Hörer zu irritieren oder gar zu verschrecken.

Der Abschied, Finalsatz aus „Das Lied von der Erde“ als Kontraselektion eines Liederabends zu wählen erschien mir zwar mutig und warf dennoch unbeantwortete Fragen auf. Zweifellos gebührte dem Pianisten Markus Hinterhäuser größtes Lob zur einfühlsamen, zuweilen mystischen herrlich orchestral anmutenden instrumentalen Untermalung. Auch Matthias Goerne versöhnte mit verbindlicheren Tönen, die herrliche Melodik Mahlers zu vermitteln, setzte merklich markante Kontraste zu feinfühlig-vokalen Momenten, um das wehmütige Verhauchen ewig..ewig mit schwebender Stimme zu demonstrieren.

Langes, sehr langes besinnliches Innehalten des Publikums, sodann Bravos und herzliche Zustimmung welche mit einer kurzen Zugabe belohnt wurde.

Gerhard Hoffmann

 

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